Donnerstag, 24. August 2017

Wie viel ist ein Fussballspieler wert? (...ein CEO, ein Schirmherr, ein...)



Die Leitung der Augustfestspiele in Ottenboben im Allgäu hatte für 2017 eine Superidee gehabt. Man wollte für die 10 Konzerte im Schloss, in der Stadtkirche und in der Zehntscheuer eine «Künstlerische Gesamtleitung». Jener «Künstlerischer Gesamtleiter» hätte natürlich nicht da sein müssen, nur sein Name wäre auf dem Plakat gestanden und den Festspielen Ottenboden noch mehr Glanz verliehen. Im Kopf hatte man Dirigenten wie Barenboim, Gergiev oder Jansons, aber auch Solisten wie Gabetta oder Sokolow. Nun musste man aber feststellen, dass Sokolows und Barenboims, dass Gabettas und Gergievs ihre Namen nicht einfach so hergeben. Das Namenspatronat hätte eine fünfstellige Summe gekostet. Nun begann die Rechnerei: Bringt der tolle Name so viel mehr Einnahmen, dass sich die Investition lohnt? Der Finanzmensch der Festivalleitung wies darauf hin, dass eine Auslastungserhöhung kaum möglich sei, da 2016 alle Konzerte ausverkauft gewesen seien, dass man viel mehr die Preise um 10.- erhöhen müsse, was Besucher, die in alle 10 Abende gingen, also 100.- mehr blechten, eher abschreckte. Das Ganze wäre also eher ein Trick 17 mit Selbstvernichtung geworden.
Das Namenspatronat wurde verworfen.

Dr. Heinz Simmerli, der Bewerber für den CEO der GLAS AG in Mennzikon (ZH), den der Head Hunter präsentiert, macht einen tollen Eindruck. Promovierter Techniker, vernetzt auf der ganzen Welt, viersprachig, mit allen Managementwassern gewaschen. Kleiner Schönheitsfehler: Er verlangt das Vierfache des Lohnes, mit dem Pfeifli, der 2018 in Pension geht, zufrieden war. Auch hier geht jetzt eine Rechnerei los, wie viel bringt die Weltweitvernetzung dem Unternehmen? Zugegeben, die Karte der Regionen, in die GLAS AG ausliefert, hat weltweit noch grosse Lücken, im Nordwesten der USA zum Beispiel, in grossen Zonen in Afrika, im gesamten arabischen Raum und in Japan. Das liegt aber vor allem am Produkt, das in Mennzikon hergestellt wird: Schnapsgläser. In Utah wird kein Schnaps getrunken, ebenso wenig wie in islamischen Ländern, in Afrika wäre es oft zwar religiös OK, aber es ist zu heiss, um dehydrierende Substanzen einzunehmen und den Sake trinkt man aus Bechern. Bei aller Liebe, auch der bestvernetzte CEO wird nicht alle Regionen der Welt erreichen, er wird das 4fache Gehalt nicht einspielen, das Ganze war also eine Schnaps(glas)idee.

Beide Überlegungen haben eines gemeinsam, es sind keine fachlichen, also keine musikalischen oder technischen, sondern rein wirtschaftliche Überlegungen. Die Fragestellung ist so klar, dass jedes Kind sie begreifen kann:
Bringt die Mehrausgabe so viel zusätzliches Geld ein, dass sie sich rechnet?

Daher ist es völliger Schwachsinn, angesichts von Transfersummen, die inzwischen die 200 Millione-Marke geknackt haben, zu fragen, was das noch mit Fussball zu tun habe.
Natürlich hat das so wenig mit Sport zu tun wie die Entscheidung für Barenboim mit Musik oder die Entscheidung für Simmerli mit Glasblasen. Es sind rein wirtschaftliche Überlegungen. Die schweinehohe Ablösesumme muss irgendwie rentieren, sonst hätte St. Germain Neymar nicht eingekauft.
Punkt.

Man kann jetzt natürlich in das Jammerlied mit einstimmen, dass alle Summen gerade ins Astronomische abwandern. Die Spielergehälter gehen ins Astronomische, die Kunstpreise gehen ins Astronomische, die Luxusessen-Preise gehen ins Astronomische, aber: Wen kümmert’s?
Ich bin sauer, wenn der Preis für einen Espresso steigt, aber einen Kicker muss ich mir ja nicht kaufen. Genauso wenig wie einen originalen Richter oder Basquiat. Oder einen Hamburger für 500.-

Aber wen es beruhigt:
Solche Preisexplosionen kommen irgendwann zum Stillstand.
Stellen Sie sich vor, man merkt, dass eine enorme Nachfrage nach Familienbenutzern existiert, jetzt kauft Person A hundert Benutzer für 50.- pro Stück und verkauft sie für 60.- weiter. An Person B, die sie für 80.- weiterverkauft. Das Spiel läuft weiter, bis Person F, die sie für 190.- erworben hat, sie für 200.- weiterverhökern will. Und auf einmal ist eine Schallgrenze erreicht, 200.- will niemand mehr zahlen. Person F kann die Familienbenutzer gerade noch für 192.- das Stück veräussern, aber das Faktum spricht sich rum. Nun wollen alle so schnell wie möglich die Tausende an Benutzern loswerden, die Preise fallen ins Bodenlose.
Zum ersten Mal so geschehen in der Tulpenkrise in den Niederlanden im 17. Jahrhundert.

Was regen Sie sich also so auf, dass 222 Millionen für einen Sportler gezahlt werden?
Es ist nicht Ihr Geld.
Aber sagen Sie bitte nicht, man hätte ganz Afrika davon ernähren können.
Der Club St. Germain ist ein Wirtschaftsunternehmen.
Und nicht die Caritas.

Wie übrigens die Festspiele Ottenhofen auch nicht Terres des Hommes sind. 
 


1 Kommentar:

  1. So wie der HSV aktuell spielt, würde ich auch keine 500.- für einen Hamburger zahlen.

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