Montag, 29. Mai 2017

Slowakei und Tschechien 1



Ich war letzte Woche auf Konzerttournee mit der Knabenkantorei Basel. Haben Sie nicht gemerkt, gell? Weil ich nämlich gepostet habe. Im Gegensatz zum letzten KKB-Anlass, wo ich im Württembergischen Allgäu im Herbst ’16 eine Woche offline war, war ich dieses Mal in zivilisierten Gefilden, in der Slowakei und Tschechien. Und wie immer möchte ich Ihnen ein paar Impressionen nicht vorenthalten. Für genaue Details, Bevölkerungswachstum, Bruttosozialprodukt, für Flusslängen und Wasserdichten, für Sprachgeschichte und allgemeine Historie verweist der Autor auf einschlägige Quellen, wie z.B. Reiseführer von Marco Polo oder Dumont, oder, wenn es schneller gehen muss, auch Wikipedia.

1.)    Allgemeines

Die Slowakei ist ein eigener Staat, ist Mitglied der EU und hat den Euro. Die Tschechei ist ebenfalls EU-Mitglied, hat aber die Krone als Währung behalten. Hauptstadt der Slowakei ist Bratislava, Hauptstadt der Tschechei ist Praha, deutsch Prag. Prag ist gleichzeitig Hauptort von Böhmen, des nördlichen Teiles der Tschechischen Republik, der Hauptort des südlichen Teiles, Mähren ist Brünn (oder Brno). Vergessen Sie also – wenn Sie über 45 sind – das folgende Lied, das viel zur Konfusion beitrug:
Als Bemmen noch bei Estraich wor
Vor fimfzig Joor, vor Fimfzig Joor
Hot sich mai Vater gholt aus Brinn
A ächte Wienerin
Tschechen und Slowaken haben sich vor etlichen Jahren getrennt. Und zwar als eine der wenigen Staaten auf der Welt, die sich hinterher nicht die Birnen eingeschossen haben. Dies allein ist schon ein Kompliment wert. Seitdem leben sie so liebevoll Grenze an Grenze miteinander wie z.B. die Schweizer und die Deutschen. Inniger sind die Böhmen und Mähren mit einander, hier ist die ewige Frotzelei wirklich nur eine solche. Ein schöner Witz, den uns der Organisator in Vyškov erzählte, geht folgendermassen: Ein Mann aus Brno ist auf Visite in Praha. Nach einer Weile sagt er zu einem der Einheimischen: «Es ist doch ganz schön hier, man erzählt sich in Brno, Praha sei laut, dreckig, völlig verbaut, die Strassen seien verschmutzt und die Leute unfreundlich. Aber das stimmt alles nicht.» «Nein, natürlich nicht», antwortet der Prager. «Was erzählt man sich eigentlich umgekehrt in Prag von Brno?» «Nichts», so die lapidare Antwort.

2.)    Essen

Die Slowakische und auch die tschechische Küche bietet ein vielseitiges Angebot an Speisen. Um in deren Genuss zu kommen, muss man allerdings die Innenstädte meiden, wo sich Pizzerien und Dönerbuden, Asiatische Restaurants und Smoothie-Schuppen die Hände reichen, nein, man muss in die Peripherie, z.B. ins Hotel Dukla in Vyškov, ein Etablissement, das locker als Kulisse für ein Remake von frühen Fassbinder-Filmen oder als Bühnenbild für Bekannte Gesichter, Gemischte Gefühle dienen könnte, dort bekommt man die ortsansässige Cuisine in Reinkultur. Der Hauptgang eines Menüs besteht aus zwei Komponenten: Fleisch (Schwein, Huhn oder Rind, gesotten oder gebraten) und Kartoffelbeilage in 10 Varianten: Kartoffelbrei gesalzen, Kartoffelbrei ungesalzen, Kartoffelstampf gesalzen, Kartoffelstampf ungesalzen, Kartoffelsauce stark gesalzen, Kartoffelklösse, Pellkartoffeln, Salzkartoffeln, undefinierbare Kartoffeln und – an Sonn- und Feiertagen – Pommes frites. Ungesunde, weil schwer kaubare Dinge wie Obst oder Gemüse vermeidet die slowakisch-tschechische Küche wie der Teufel das Weihwasser.



3.)    Geschenke

Nach einem Konzert bekommt der Dirigent ausser Blumen – die er selbstverständlich der netten, hübschen Rezeptionistin schenkt, denn wie soll er 15 gelbe Rosen oder, noch komplexer, eine blühende Lilie nach Basel bringen? – eine Tasche mit Andenken an Gastchor und Ort. Darin befinden sich neben Büchern und CDs, neben Schokolade und Teetassen stets drei bis dreiundzwanzig Kugelschreiber. Dies verwundert den Reisenden, denn es bringt einen zu folgenden Schlussfolgerungen: Entweder denken die Slowaken und Tschechen, dass es in der Eidgenossenschaft keine gibt, vielleicht sogar, dass wir gar nicht schreiben können, oder die beiden Republiken sind weltweit führende Produzenten dieser Utensilien. Oder wachsen sie vielleicht auf den Feldern, den ewig die Autobahnen begleitenden Feldern, denn beide Nationen sind extrem grün? Der Reisende späht und schaut, er lugt und guckt, kann aber nirgends eine Kugelschreiberplantage entdecken. Eventuell wachsen die Kulis in Gewächshäusern.

4.)    Sicherheitskontrollen

Wenn Sie an einem Himmelfahrtstag den Hradschin besuchen möchten, kommen Sie bitte nicht auf die Idee, dies via Königliche Gärten zu tun. Denn selbstverständlich sind an einem so heiklen Ort Personenkontrollen unerlässlich. Nun könnte man z.B. einfach Schleusen wie am Flughafen aufstellen, dies wäre aber natürlich viel zu bequem. Nein, es gibt EINE Türe, an dem EIN Security-Mann die Taschen und die Menschen durchsucht. Neben Rucksackdurchwühlen und mit dem Detektor abfahren kann der gute Mann aber auch eine Darmspiegelung, eine Magenspiegelung, er kann eine Nacktkontrolle oder einen Persönlichkeitstest machen. Bei Auffälligkeiten darf er sofort schiessen. Dies staut die heranströmenden Leute gefühlte 20 Kilometer lang und beschert einem eine Wartezeit von sicher einer Stunde. Nie hat das Wort «Land und Leute» nämlich weniger Sinn als zu Auffahrt in der Tschechischen Hauptstadt, die Wahrscheinlichkeit, sich an eine der Statuen auf der Karlsbrücke zu lehnen und diese dabei aus Versehen in die Moldau zu stürzen, ist grösser als in Prag einen Tschechen zu treffen. Gefühlte Millionen von Japanern, Amis, Chinesen und Deutschen wabern durch die Stadt, den Blick stier auf das Fähnchen des Reiseleiters gerichtet. Von den ekelhaften englischen Bachelor-Partys wird gesondert die Rede sein.


5.)    Fremdsprachen

Im Gegensatz zu den Deutschen, die ihr Englisch schon für passabel erachten, wenn Sie in Heathrow nach der Toilette fragen können, die ihr Französisch als «fliessend» titulieren, wenn sie es schaffen, im Quartier Latin einen Kaffee zu ordern und die der Meinung sind, von den Warnhinweisen in der Römischen Metro bis zur Comedia Divina sei es auch nicht mehr weit, sind Slowaken und Tschechen da eher Understatementler. So fragen Sie z.B. in Olomouc (deutsch Olmütz) nach dem Weg zum Schwimmbad, schieben aber der Höflichkeit wegen ein «Do you speak English?» voraus. «A little bit.» ist die Antwort. Zum Schwimmbad dann erhalten Sie die folgenden Informationen, vorgetragen in makellosem Oxford-Singsang: Das Schwimmbad sei jetzt doch geschlossen worden, weil Badegäste erkrankt seien, es habe Bakterien und Viren gehabt, das sei eine ganz grosse Schweinerei, der zuständige Bürgermeister sei ein korruptes und inkompetentes Schwein, er habe jetzt auch seinen Hut nehmen müssen… Auf die Frage, warum man bei solch einem Englisch von «a little bit» rede, kommt die Antwort, man habe gestern einen Kasusfehler und vorgestern einen Aussprachefehler gemacht. Deutsche, schneidet euch hier Minimum 34 Scheiben ab!
Englisch ist übrigens in beiden Ländern erste Fremdsprache, die zweite ist Deutsch oder Russisch – ja, Russisch, denn Russisch lernen wollen oder Russisch lernen müssen sind zwei Dinge. 

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