Donnerstag, 11. Mai 2017

Die Schweiz hat Spione!



Stellen Sie sich vor, Angela Merkel wird dabei ertappt, wie Sie sich während eines Wirtschaftsgipfels in Tokio einen Callboy ins Hotel kommen lässt. Wahrscheinlich übersteigt das jetzt Ihre sämtlichen Vorstellungskräfte, aber bemühen Sie bitte doch ganz intensiv Ihre Phantasie. Wie ist Ihre Reaktion? Empörung? Wut? Enttäuschung? Müsste Mutti Ihrer Meinung nach zurücktreten? Ihren Job abgeben? Wäre sie moralisch und gesellschaftlich unten durch?

Stellen Sie sich vor, Sie erfahren, dass Hans Rosenthal sein halbes Leben an der Spritze gehangen hat. Wahrscheinlich übersteigt das jetzt Ihre sämtlichen Vorstellungskräfte, aber bemühen Sie bitte doch ganz intensiv Ihre Phantasie. Wie ist Ihre Reaktion? Empörung? Enttäuschung? Depression? Könnten Sie sich noch unbedarft an Dalli-Dalli erinnern? Wäre er moralisch und TV-historisch unten durch?

Stellen Sie sich vor, es kommt heraus, dass RICOLA® seit Jahren übelste Chemikalien wie PVC, PET, Glykol, Stoffe wie Asbest und Folsäure, wie Fluoride und Ammoniak in ihre Kräuterbonbons kippt. Wahrscheinlich übersteigt das jetzt Ihre sämtlichen Vorstellungskräfte, aber bemühen Sie bitte doch ganz intensiv Ihre Phantasie. Wie ist Ihre Reaktion? Sind Sie empört, erstaunt, sind Sie wütend, enttäuscht, zornig? Finden Sie RICOLA® müsste schliessen?

Es ist merkwürdig, dass wir gewissen Leuten Sachen nicht zugestehen, die bei anderen völlig normal sind. Setzen Sie doch für Merkel Putin, Trump, setzen Sie Berlusconi oder Kennedy. Nutten im Hotel? Geschenkt. Sexorgien nach Tagungsende? Peanuts. Es ist völlig normal, dass nach harten Verhandlungen ein bisschen Spass auf dem Programm steht.
Warum soll Hänschen nicht gefixt haben dürfen? 80% der Leute im Showbiz nehmen Heroin, Hasch, nehmen LSD oder Koks, saufen wie die Löcher oder fressen Tabletten.
Und warum soll RICOLA® nicht ein wenig nachhelfen dürfen, nachhelfen, was ja schliesslich alle tun? Bei Coca Cola fragen wir auch nicht so genau, was drin ist, auch nicht bei MARS, SNICKERS oder TWIX, wir ignorieren die 129874 Gifte in Süssgetränken und Kaugummis, in Fertigpizzen und Fertigsaucen.

Warum also wären auf Mutti liegende nackte Japaner, warum wäre der sich auf dem ZDF-Klo die Nadel  setzende Rosenthal, warum wäre die RICOLA®-Fabrikation mit grossen Kesseln, in die gerade ein roter Schleim fliesst – Sie merken, ich helfe Ihrer Phantasie doch ein wenig auf die Sprünge – so eine totale Katastrophe?
Weil es Menschen, Länder und Dinge gibt, die wir mit den Attributen
sauber
anständig
integer
rein und keusch
lieb und nett
verbinden.
Und denen gestehen wir Dinge, die bei anderen völlig normal sind nicht zu. Es würde für uns sonst eine Welt kaputt gehen. Merkel, Rosenthal und RICOLA® symbolisieren eine heile Welt.

Zu diesen Sachen gehört auch die Schweiz. Das saubere, anständige, das integre, das reine und keusche, das liebe und nette Land darf eben auch scheinbar gewisse Dinge nicht, die wir bei anderen akzeptieren. Wir haben es tapfer ignoriert, aber es ist Tatsache:
Die Eidgenossen haben einen Geheimdienst.
Diese Erkenntnis ist an sich schon schrecklich, sie ist furchtbar, weil sie nicht zu unserem Bild passt, unserem Bild, in dem Heidi vorbeizieht und ihre Ziegen füttert, unser Bild, in dem friedliche Eidgenossen Alphörner blasen, jodeln, in dem sie sich auf dem Dorfplatz zu (belanglosen) Abstimmungen treffen und hinterher bei einem Pflümli jassen. Geheimdienst und Eidgenossenschaft passen in unserer Vorstellung so wenig zusammen wie Sex und Mutti, Hänschen und Drogen oder RICOLA® und Chemiegifte.
Jetzt kommt es aber noch schrecklicher: Der Schweizer Geheimdienst schnüffelt in anderen Ländern herum!
Gute Güte!
Es ist ein Geheimdienst!
Und Geheimdienste haben die Aufgabe zu schnüffeln. Und wie bei den oben genannten Beispielen messen wir wieder mal mit zwei Massstäben, die so verschieden sind wie Aare und Amazonas. Wir haben uns längst daran gewöhnt, dass diese verdammte NSA überall ihre Finger drin hat, dass keine Info vor ihr sicher ist und dass über jeden Europäer irgendwo in Atlanta oder NY, in Washington, Chicago oder L.A., in Seattle oder Boston ein Dossier lagert, aber den braven Schweizern gesteht man das nicht zu.
Aber darf ein CH-Spion im Ausland…?
Wo denn sonst? BND, Secret Service, CIA, NSA, KGB und wie sie alle heissen sind für Auslandsspionage ins Leben gerufen worden, und der Schweizer Geheimdienst eben auch. Der eidgenössische Spion hat nur einen Fehler gemacht: Er hat sich erwischen lassen.

Seien wir also nicht ungerecht zu den Braven und Lieben, wenn sie etwas tun, was nicht in unser Bild passt. Es ist nämlich ganz schön anstrengend, immer das saubere und cleane Bild abzuliefern, das die Welt will.

Und in einem Punkt kann ich Sie beruhigen: Hans Rosenthal war zwar kein Junkie, aber er war einmal pro Jahr sturzbetrunken. Am Purimfest. Da müssen gläubige Juden sich nämlich bis zur Besinnungslosigkeit besaufen.  


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