Wenn Sie
jetzt verzweifelt nach s.i.v.i. gesucht haben, das ist natürlich eine Erfindung
von mir. Was es gibt, ist s.v.v.
S.v.v.
heisst «sit venia verbo», möge dem Worte Verzeihung sein oder freier «man
verzeihe diesen Ausdruck».
Ich werde
immer wieder von Schülern gefragt, warum alle die schönen Wörter, die sie so
gerne schreiben wollen und nicht dürfen, im DUDEN stehen. Und ich erkläre ihnen
dann, dass es manchmal – aber eben nur manchmal – vom Kontext her eine
unseriöse Sprache braucht.
Als der Matrose das Schiff verliess, wollte
er nur noch zwei Dinge: Seinen Hunger stillen und seinen geschlechtlichen
Bedürfnissen nachkommen.
Klingt blöd,
gell? Man müsste doch, wenn die Story im Hafenmilieu spielt, und wenn man ein
wenig Matroseninnenschau betreibt, schreiben:
Als der Matrose das Schiff verliess, wollte
er nur noch zwei Dinge: Fressen und Ficken.
Und für
diese Fälle hat der DUDEN auch Sexvokabular und Fäkalvokabular, hat
Obszönwortschatz und Untergürtelformulierungen aufgenommen, markiert mit
«derb», was besagt: Wenn du es unbedingt schreiben willst oder musst, dann
schreibe es richtig, aber schreibe es nur, wenn du über Matrosen und Huren,
wenn du über Trump oder ähnliche Herren, wenn du über reiche oder arme Prolos
schreibst.
Natürlich
setzt das Setzen des s.v.v. ein gewisses sprachliches Schamgefühl voraus. In
pseudojugendsprachlichen Machwerken – Roman wäre hier das falsche Wort – wie
Axolotl Road Kill vermisst man es, es würde den Sprachfluss auch sehr hemmen
Ich bin eine verfickte (s.v.v.) Scheiss-
(s.v.v.) Schlampe (s.v.v.), die…
Bestimmte
Autoren verwenden es viel, andere weniger. Wer war wohl – wir machen nun ein
kleines Quiz – der SVV-König?
o Alfred
Döblin
o Thomas
Mann
o Günter
Grass
o Erich
Kästner
Natürlich
Thomas Mann, bei ihm passt das einfach, zu seiner seriösen Lebensweise, zu
seiner Kleidung, zu seiner Vornehmheit. Ob er allerdings, wenn er im Hotel den
Boy vernascht hat, auch beim Dirty Talk es jeweils einflocht, wird nicht
herauszufinden sein. («Jetzt fick, sit venia verbo, ich dich in den Arsch, sit
venia verbo, du geile, sit venia verbo, Stute…»)
Das s.v.v.
gibt es also, das s.v.i.v. gibt es nicht.
Dabei wäre
es doch viel nötiger. Ja, ich fordere alle Wurfzeitungsjournalisten, alle
Werber und Plakattexter, alle Schlagzeilenerfinder und Überschriftenmacher, ich
fordere alle Herumschreiber und Herumschmotzer, alle, die sich für so originell
und so witzig halten, auf, doch beständig dieses Kürzel zu verwenden!
Denn so
schlimm für manche Augen und Ohren ein obszönes, ein dreckiges Wort ist,
Wortspiele sind viel, viel schlimmer. Ich bin den ganzen Tag nur am Stöhnen,
was Wurfzeitungsjournalisten, Werber und Plakattexter, was Schlagzeilenerfinder
und Herumschreiber sich so einfallen lassen.
Zoo herzig wirbt da der Tierpark
Rapperswil und wird an Blödheit nur vom Zoo Zürich übertroffen, der die
Interjektion Zooh! kreiert. In welch
kranken Hirnen entstehen solche Dummheiten? Und sind uns vielleicht
Formulierungen wie Zoofort zum Affen,
Ich füttere, alzoo bin ich und Gönn Dirpark nur deshalb erspart geblieben,
weil man ja nur EINEN Schwachsinn aufs Plakat setzen kann?
Ursache ist
ein Vorgang, den man gemeinhin als Brainstorming, deutsch und netter als
Gehirnsturm bezeichnet. Ein Brainstorming funktioniert so: 15 Minuten darf
alles gedacht und gesagt werden, es wird alles aufgeschrieben und – das ist
elementar wichtig – nichts kommentiert. Ein Gehirnsturm geht von der Maxime
aus, dass in den Tiefen unserer grauen Zellen kreative, originelle, dass dort
witzige und gehaltvolle, dass dort anspruchsvolle, ansprechende und künstlerische
Dinge schlummern, die wir durch Selbstzensur und Angst vor der Ablehnung durch
andere zurückhalten. (…ich hab da ne Idee, aber die ist zu doof, das sag ich
jetzt lieber nich…) Wenn dem so ist, ist ein Brainstorming das richtige Mittel.
Aber:
Nicht in
allen Hirnen schlummern kreative und originelle, witzige und anspruchsvolle
schlummern ansprechende, gehaltvolle und künstlerische Dinge, es gibt leider
Hirne, in denen sich nur Müll befindet. Und die Inhaber solcher Müllhirne tun
gut daran sich selbst zu zensieren, sich zu fragen, ob man diese Bemerkung
jetzt wirklich fallen lassen soll.
Das Dummchen
Ulla aus Ladykracher ist ein schönes
Beispiel für eine solche Person, wenn sie den Obdachlosen fragt, warum er
stinkt und nicht geduscht hat oder die beiden Schwulen darauf hinweist, dass
sie, wenn sie so weitermachen, ja gar keine Frau finden.
Das heisst
nun im Klartext: Wenn Deppen brainstormen, wenn sie gehirnstürmen, dann kommt
da einfach eine Viertelstunde lang Mist aufs Papier, diese Technik ist für
gehemmte Kluge gedacht, die sich nicht trauen eine schöne Formulierung zu
präsentieren, nicht für Idioten, die eh schon den ganzen Tag quasseln.
Und so
entstehen dann eben Sachen wie zoo herzig oder Zooh!
Und noch
etwas: Man muss auch kapieren, wo ein Brainstorming angebracht ist und wo
nicht. Im Oval Office kann man gehirnstürmen, wenn keine Journalisten dabei
sind. In der Pressekonferenz sollte man überlegt reden, das hat Trump noch
nicht kapiert, überhaupt ist sein ganzes Auftreten ein permanentes Brainstormen
eines Müllhirnes.
Hört also
bitte auf mit dieser Technik, falls ihr keine gehemmten Klugen seid; und hört
auf mit den Wortspielen, tut sie fort, macht sie zu Fortspielen.
Ups…
Sit venia
ioco verborum!
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