Ich war
letzte Woche auf Konzerttournee mit der Knabenkantorei Basel. Haben Sie nicht
gemerkt, gell? Weil ich nämlich gepostet habe. Im Gegensatz zum letzten
KKB-Anlass, wo ich im Württembergischen Allgäu im Herbst ’16 eine Woche offline
war, war ich dieses Mal in zivilisierten Gefilden, in der Slowakei und
Tschechien. Und wie immer möchte ich Ihnen ein paar Impressionen nicht
vorenthalten. Für genaue Details, Bevölkerungswachstum, Bruttosozialprodukt,
für Flusslängen und Wasserdichten, für Sprachgeschichte und allgemeine Historie
verweist der Autor auf einschlägige Quellen, wie z.B. Reiseführer von Marco
Polo oder Dumont, oder, wenn es schneller gehen muss, auch Wikipedia.
1.)
Allgemeines
Die Slowakei
ist ein eigener Staat, ist Mitglied der EU und hat den Euro. Die Tschechei ist
ebenfalls EU-Mitglied, hat aber die Krone als Währung behalten. Hauptstadt der
Slowakei ist Bratislava, Hauptstadt der Tschechei ist Praha, deutsch Prag. Prag
ist gleichzeitig Hauptort von Böhmen, des nördlichen Teiles der Tschechischen
Republik, der Hauptort des südlichen Teiles, Mähren ist Brünn (oder Brno).
Vergessen Sie also – wenn Sie über 45 sind – das folgende Lied, das viel zur
Konfusion beitrug:
Als Bemmen noch bei Estraich wor
Vor fimfzig Joor, vor Fimfzig Joor
Hot sich mai Vater gholt aus Brinn
A ächte Wienerin
Tschechen
und Slowaken haben sich vor etlichen Jahren getrennt. Und zwar als eine der
wenigen Staaten auf der Welt, die sich hinterher nicht die Birnen eingeschossen
haben. Dies allein ist schon ein Kompliment wert. Seitdem leben sie so
liebevoll Grenze an Grenze miteinander wie z.B. die Schweizer und die
Deutschen. Inniger sind die Böhmen und Mähren mit einander, hier ist die ewige
Frotzelei wirklich nur eine solche. Ein schöner Witz, den uns der Organisator
in Vyškov erzählte, geht folgendermassen: Ein Mann aus Brno ist auf Visite in
Praha. Nach einer Weile sagt er zu einem der Einheimischen: «Es ist doch ganz
schön hier, man erzählt sich in Brno, Praha sei laut, dreckig, völlig verbaut,
die Strassen seien verschmutzt und die Leute unfreundlich. Aber das stimmt
alles nicht.» «Nein, natürlich nicht», antwortet der Prager. «Was erzählt man
sich eigentlich umgekehrt in Prag von Brno?» «Nichts», so die lapidare Antwort.
2.)
Essen
Die
Slowakische und auch die tschechische Küche bietet ein vielseitiges Angebot an
Speisen. Um in deren Genuss zu kommen, muss man allerdings die Innenstädte
meiden, wo sich Pizzerien und Dönerbuden, Asiatische Restaurants und
Smoothie-Schuppen die Hände reichen, nein, man muss in die Peripherie, z.B. ins
Hotel Dukla in Vyškov, ein Etablissement, das locker als Kulisse für ein Remake
von frühen Fassbinder-Filmen oder als Bühnenbild für Bekannte Gesichter, Gemischte Gefühle dienen könnte, dort bekommt
man die ortsansässige Cuisine in Reinkultur. Der Hauptgang eines Menüs besteht
aus zwei Komponenten: Fleisch (Schwein, Huhn oder Rind, gesotten oder gebraten)
und Kartoffelbeilage in 10 Varianten: Kartoffelbrei gesalzen, Kartoffelbrei
ungesalzen, Kartoffelstampf gesalzen, Kartoffelstampf ungesalzen, Kartoffelsauce
stark gesalzen, Kartoffelklösse, Pellkartoffeln, Salzkartoffeln, undefinierbare
Kartoffeln und – an Sonn- und Feiertagen – Pommes frites. Ungesunde, weil
schwer kaubare Dinge wie Obst oder Gemüse vermeidet die slowakisch-tschechische
Küche wie der Teufel das Weihwasser.
3.)
Geschenke
Nach einem
Konzert bekommt der Dirigent ausser Blumen – die er selbstverständlich der
netten, hübschen Rezeptionistin schenkt, denn wie soll er 15 gelbe Rosen oder,
noch komplexer, eine blühende Lilie nach Basel bringen? – eine Tasche mit
Andenken an Gastchor und Ort. Darin befinden sich neben Büchern und CDs, neben
Schokolade und Teetassen stets drei bis dreiundzwanzig Kugelschreiber. Dies
verwundert den Reisenden, denn es bringt einen zu folgenden Schlussfolgerungen: Entweder
denken die Slowaken und Tschechen, dass es in der Eidgenossenschaft keine gibt,
vielleicht sogar, dass wir gar nicht schreiben können, oder die beiden
Republiken sind weltweit führende Produzenten dieser Utensilien. Oder wachsen
sie vielleicht auf den Feldern, den ewig die Autobahnen begleitenden Feldern,
denn beide Nationen sind extrem grün? Der Reisende späht und schaut, er lugt
und guckt, kann aber nirgends eine Kugelschreiberplantage entdecken. Eventuell
wachsen die Kulis in Gewächshäusern.
4.)
Sicherheitskontrollen
Wenn Sie an
einem Himmelfahrtstag den Hradschin besuchen möchten, kommen Sie bitte nicht
auf die Idee, dies via Königliche Gärten zu tun. Denn selbstverständlich sind
an einem so heiklen Ort Personenkontrollen unerlässlich. Nun könnte man z.B.
einfach Schleusen wie am Flughafen aufstellen, dies wäre aber natürlich viel zu
bequem. Nein, es gibt EINE Türe, an dem EIN Security-Mann die Taschen und die
Menschen durchsucht. Neben Rucksackdurchwühlen und mit dem Detektor abfahren
kann der gute Mann aber auch eine Darmspiegelung, eine Magenspiegelung, er kann
eine Nacktkontrolle oder einen Persönlichkeitstest machen. Bei Auffälligkeiten
darf er sofort schiessen. Dies staut die heranströmenden Leute gefühlte 20
Kilometer lang und beschert einem eine Wartezeit von sicher einer Stunde. Nie
hat das Wort «Land und Leute» nämlich weniger Sinn als zu Auffahrt in der
Tschechischen Hauptstadt, die Wahrscheinlichkeit, sich an eine der Statuen auf
der Karlsbrücke zu lehnen und diese dabei aus Versehen in die Moldau zu
stürzen, ist grösser als in Prag einen Tschechen zu treffen. Gefühlte Millionen
von Japanern, Amis, Chinesen und Deutschen wabern durch die Stadt, den Blick
stier auf das Fähnchen des Reiseleiters gerichtet. Von den ekelhaften
englischen Bachelor-Partys wird gesondert die Rede sein.
5.)
Fremdsprachen
Im Gegensatz
zu den Deutschen, die ihr Englisch schon für passabel erachten, wenn Sie in
Heathrow nach der Toilette fragen können, die ihr Französisch als «fliessend»
titulieren, wenn sie es schaffen, im Quartier Latin einen Kaffee zu ordern und
die der Meinung sind, von den Warnhinweisen in der Römischen Metro bis zur
Comedia Divina sei es auch nicht mehr weit, sind Slowaken und Tschechen da eher
Understatementler. So fragen Sie z.B. in Olomouc (deutsch Olmütz) nach dem Weg
zum Schwimmbad, schieben aber der Höflichkeit wegen ein «Do you speak English?»
voraus. «A little bit.» ist die Antwort. Zum Schwimmbad dann erhalten Sie die
folgenden Informationen, vorgetragen in makellosem Oxford-Singsang: Das
Schwimmbad sei jetzt doch geschlossen worden, weil Badegäste erkrankt seien, es
habe Bakterien und Viren gehabt, das sei eine ganz grosse Schweinerei, der
zuständige Bürgermeister sei ein korruptes und inkompetentes Schwein, er habe
jetzt auch seinen Hut nehmen müssen… Auf die Frage, warum man bei solch einem
Englisch von «a little bit» rede, kommt die Antwort, man habe gestern einen
Kasusfehler und vorgestern einen Aussprachefehler gemacht. Deutsche, schneidet
euch hier Minimum 34 Scheiben ab!
Englisch ist
übrigens in beiden Ländern erste Fremdsprache, die zweite ist Deutsch oder
Russisch – ja, Russisch, denn Russisch lernen wollen oder Russisch lernen
müssen sind zwei Dinge.
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