Dieser
Dialog ist neulich in Mainz wirklich passiert:
ICH: Ich
mache heute drei Fahrten. Lohnt sich eine Tageskarte?
BUSFAHRER:
LANGSAMER BITTE!
ICH: Ich –
ma – che – heu – te – drei – Fahr – ten – in – der – In – nen – stadt – zo –
ne. – Lohnt – sich – ei – ne – Ta – ges – kar – te?
BUSFAHRER: Tageskarte
6,80.-
ICH: Gut,
aber was kostet die Einzelfahrt?
BUSFAHRER:
2,90.-
ICH: Also
eine Tageskarte.
Natürlich
wusste das der Chauffeur die ganze Zeit schon. Servicewüste Deutschland. Aber
mir machte das unliebsame Erlebnis wieder einmal klar: Wir brauchen mehr als
eine Summe, wir brauchen Vergleichsgrössen.
Am
Wochenende machte eine Horrornachricht die Runde: Wissenschaftliche
Untersuchungen haben ergeben, dass in jedem Schwimmbad 75 Liter Urin sind.
Grauenhaft, nicht? Vor allem, wenn man sich eine Menge von 75 Liter Pisse
vorstellt. Die Zahl relativiert sich allerdings, wenn man die Konzentration pro
Liter rechnet: 90 Mikroliter. Oder anders formuliert: 0,09 Milliliter. Oder
0,00009 Liter. Die 75 Liter, oder anders gesagt, die Tubafüllung Harn verteilt
sich nämlich auf 830.000 Liter Schwimmbadfüllung. Aber das würde ja niemand
schocken.
Wir erliegen
den Zahlen, wir lassen uns überwältigen, wir straucheln und fallen im Gestrüpp
der Nummern, wenn wir keine Vergleiche haben.
Rechnen wir
doch zusammen nochmal eines durch: MrPinkel®, Anbieter von sauberen
Bahnhofsklos, hatte vorletztes Jahr 3 Millionen Kunden, letztes Jahr 4
Millionen, also eine Steigerung von 33,3333333333333333 %. So weit so gut.
MrPinkel® hockt auf 50 deutschen Stationen, also sind das 80000 pro Anlage. Die
Toiletten haben jeden Tag offen, das macht pro Tag rund 220. Da MrPinkel® von
6.00 bis 24.00 offen hat, kommen pro Stunde rund 12 Personen raus.
Auf Deutsch:
Bei einem Eintritt von 1 Euro sehen wir ganz klar, dass MrPinkel® schon 2015
tiefrote Zahlen schrieb, und auch 2016 aus diesen nicht herauskam. Es sei denn,
die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind Kriegsgefangene, Sklavinnen,
Zwangsarbeiter oder unbezahlte Praktikantinnen. Bei Menschen mit Mindestlohn
haut das nicht hin. Die Firma wird 2017 nicht überleben, wenn sie nicht den
Eintritt auf über 3 Euro erhöht. Aber irgendwo ist ja auch eine Grenze. Da
macht man lieber in die Hose. Oder wartet mit zusammengepressten Beinen auf den
Zug.
Wir müssen
lernen, Zahlen zu deuten und auszulegen.
Und immer
nachzufragen.
In 500
Hotelbetten wurden in Kasachstan Wanzen gefunden.
Gut. Was
heisst das? Wie viele gibt es überhaupt?
POLYSAN®
senkt das Aknerisiko bei über 40-Jährigen um 50%.
Gut. Was
heisst das? Liegt das bei mir nicht eh bei null?
Hermann
Schmidt erhielt 2016 einen Bonus von 450.000.-
Gut. Was
heisst das? Was ist branchenüblich? Wie hoch ist der Umsatz des Unternehmens?
Der Umsatz.
Das ist auch so eine Geschichte. 45 Millionen Franken Umsatz klingt ja auch
immer gut. Nur: Man kann mit grossem Umsatz auch Verlust schreiben, der Gewinn
ist interessant.
Wir brauchen
sämtliche Zahlen, wir brauchen Vergleichszahlen.
Und das
gerade in Zeiten, in denen uns die Politiker, die Wirtschaftsbosse, in denen
uns die Mächtigen und Potenten der Welt uns jeden Tag irgendwelche Zahlen um
den Kopf hauen.
Von der
Werbung ganz zu schweigen.
Ein uralter
Witz ging so:
Ein Mann
sitzt im Zug und beobachtet einen Mitreisenden, der Apfelkerne isst. Auf die Frage,
warum er das tue, meint der andere nur: «Die machen klug.» Als der Mann nun
auch welche will, verkauft der Mitreisende ihm 20 Kerne für drei Franken. Der
Mann beginnt zu essen, aber nach einer Weile ruft er: «Für drei Franken hätte
ich ja fünf Äpfel bekommen, und damit zig Kerne!» «Sehen Sie», sagt der andere,
«es wirkt schon.»
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