Montag, 13. März 2017

Der Edel-Fastfood



Ich habe es letztes Wochenende nun doch geschafft, nach Wuppertal zu fahren. (Nur meine ältesteingessesensten Leserinnen und Leser werden sich noch an den Post vom 5.9.2011 erinnern, in dem mir Ari von Ari’s Döner einen 11 für 10-Pass andrehte.) Ich fuhr also an die Wupper, um meinen nächsten Stempel zu holen, auf dass ich dann, sollte ich den 6 Jahre-Abstand beibehalten, 2072 meinen Gratisdöner bekäme – mit 107 Jahren.
Sie können es sich denken: Ari’s Döner gibt es gar nicht mehr. In den Räumen hat ein Lokal aufgemacht, dass zur Kette GoldFood® gehört. GoldFood® hat ein einfaches, aber erfolgreiches Konzept: Fastfood für die Ganzreichen.
Es war ja seit langem ein Problem, wo die Millionäre und Millionärinnen, wo die Milliardärinnen und Milliardäre, wo die Super- und Hyperreichen, die Hotel-, Fabrik- und Firmenerben, wo die Oberen Zehntausend, die High Societisten hingehen, wenn sie mal Lust auf einen Hamburger, einen Döner oder einen Taco haben. Zu BURGER KING®? Alles voll mit grölenden Jugendlichen, die sich die aktuellen Snapchat-Verunstaltungen zeigen, guck mal, die Suse mit Krokodilmund, guck mal, der Bert mit Schnauzbart… Zu McDonalds®? Alles voll mit greisen Alten, die an ihrem Kaffee nippen, an einer dieser schalen Apfeltaschen herummümmeln und die Snapchat-Fotos begucken, die ihre Enkel aus dem BURGER KING® schicken. Zu …?
Nein, es brauchte seit langem einen Laden, in dem die Millionäre und Millionärinnen, die Super- und Hyperreichen, in dem Milliardärinnen und Milliardäre, die Fabrik-, Hotel-, und Firmenerben, wo die Oberen Zehntausend unter sich sind. Das könnte man durch einen Türsteher, durch eine Art Mitgliedschaft oder sonst etwas bewerkstelligen, GoldFood® macht es durch den Preis.
Ich linse hinein und erhasche einen Ausschnitt der Speisekarte:
Kobe-Burger                                 150.-
Kobe-Burger XL                           200.-
Kobe-Burger mit Austern             300.-
Kobe-Burger XL mit Austern       350.-
Auf Wunsch wird ein handgerührtes Spezialketchup aus handgepflückten Biotomaten für 20.- gereicht. Zu trinken gibt es ausser Edelmineralwasser aus Spezialabfüllungen, Spät- und Ausleseweinen und handgepressten Seltenfruchtsäften noch kleine Gläschen mit Veuve Cliquot.

Wenn also Else Pohl, die Erbin der Maschinenfabrik Duttmann, ihre Freundinnen Sabrina Stratmann (Kosmetikerbin) und Lotte Boschowski (Verlagserbin) «noch geschwind zu einem Hamburger» einlädt, dann gehen da mal locker 2000.- bis 3000.- über die Theke, man will ja auch noch Pommes, und die sind aus einer Spezialzucht, wo das Kilo im Einkauf 450.- kostet, dafür kennt der Bauer jede einzelne Knolle mit Namen und hat mit jeder über Adorno diskutiert.
Und mit der Rechnung vom letzten Montag (2467.-, dann grosszügig auf 2800.- aufgerundet), kam Else noch gut weg. Im Grand Velas Los Cabos Resort in Mexiko – und das ist jetzt kein Witz – hätte sie für den teuersten Taco 25.000 Dollar bezahlt. Blattgoldflocken, Kobe, Beluga-Kaviar und eine Superspezialsauce erzeugen diesen Preis.

Mal ganz ehrlich: Es gibt irgendwie Grenzen. Gut, da sind Leute, die wissen nicht wohin mit ihrem Geld, da hat man 25.000.000 geerbt und stellt drei Finanzheinis an, die das Geld vermehren sollen, und das tun die auch, und es wird immer mehr und mehr und mehr – wozu eigentlich, man könnte selbst bei 1% locker von den Zinsen leben – und dann muss man die Kohle irgendwie verschleudern. Da kann ich noch Verständnis für ein teures Auto oder für Haute Couture aufbringen, ich kann begreifen, dass man First Class fliegt und im Urlaub die Queen-Suite nimmt, ich kann sogar verstehen, dass man in *******-Schuppen essen geht, auch wenn ich den Schnickschnack für übertrieben halte.
Aber Fastfood?
Mehrere Hundert für einen Bissen Döner?
Manchmal scheint mir, die globale Gesellschaft hat einen Punkt der Dekadenz erreicht, der einen an den Rand des Wahnsinns befördert. Ludwig II von Bayern wurde für verrückt erklärt, weil er die Staatsfinanzen für Märchenschlösser «verschleuderte», er hatte allerdings bleibende Werte geschaffen, Werte, die dem Freistaat Bayern inzwischen durch die Horden von Chinesen und Japanern Zigtausende in die Kassen spülen. Müsste man Else, Sabrina und Lotte nicht auch irgendwie psychiatrisch behandeln?

«Sie wissen nicht, wohin mit dem Geld.»
Dann müsste man es ihnen sagen.
Und ich rede jetzt gar nicht nur von Afrika. Das wir für einen Kobe-Burger XL mit Austern ein ganzes Dorf ein Jahr lang versorgen können, ist eh klar. Für einen Bissen Los Cabos-Taco könnte man aber auch der alten Frau Schmulk, die ihre todkranke Schwester in Australien noch mal sehen will, und sich den Flug nach Sidney nicht leisten kann, ein Ticket zahlen. Man könnte für die Familie Schmidt, bei der grad alles kaputtgeht, die Reparatur der Waschmaschine übernehmen. Und man könnte dem Klavierlehrer Ruperts einen Abend in der Scala spendieren, ein Herzenswunsch, den er seit Jahren hegt. Man könnte so viele Herzens- und Bauch-, so viele Lang- und Überlangwünsche, so viele Kindheitsträume und Immerschonideen erfüllen, dass einem schwindelig wird.
«Sie wissen nicht, wohin mit dem Geld.»
Dann sind sie dumm.
Anders kann man es nicht sagen.

Während ich noch in die Scheibe starre, tippt mich eine Hand von hinten an. Hinter mir steht ein Juppy und meint: «Wollen Sie was essen? Ich hab ‘nen Gutschein.» Bei einer Zeche von über 3000.- gibt es nämlich Gutscheine, das Konzept hat GoldFood® von Ali scheinbar übernommen.
Ich lehne dankend ab.
Kobe-Burger mit Austern sind mir dann doch zu dekadent.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen