Ich habe es
letztes Wochenende nun doch geschafft, nach Wuppertal zu fahren. (Nur meine
ältesteingessesensten Leserinnen und Leser werden sich noch an den Post vom
5.9.2011 erinnern, in dem mir Ari von Ari’s Döner einen 11 für 10-Pass
andrehte.) Ich fuhr also an die Wupper, um meinen nächsten Stempel zu holen,
auf dass ich dann, sollte ich den 6 Jahre-Abstand beibehalten, 2072 meinen
Gratisdöner bekäme – mit 107 Jahren.
Sie können
es sich denken: Ari’s Döner gibt es gar nicht mehr. In den Räumen hat ein Lokal
aufgemacht, dass zur Kette GoldFood® gehört. GoldFood® hat ein einfaches, aber
erfolgreiches Konzept: Fastfood für die Ganzreichen.
Es war ja
seit langem ein Problem, wo die Millionäre und Millionärinnen, wo die
Milliardärinnen und Milliardäre, wo die Super- und Hyperreichen, die Hotel-,
Fabrik- und Firmenerben, wo die Oberen Zehntausend, die High Societisten
hingehen, wenn sie mal Lust auf einen Hamburger, einen Döner oder einen Taco
haben. Zu BURGER KING®? Alles voll mit grölenden Jugendlichen, die sich die
aktuellen Snapchat-Verunstaltungen zeigen, guck mal, die Suse mit Krokodilmund,
guck mal, der Bert mit Schnauzbart… Zu McDonalds®? Alles voll mit greisen Alten,
die an ihrem Kaffee nippen, an einer dieser schalen Apfeltaschen herummümmeln
und die Snapchat-Fotos begucken, die ihre Enkel aus dem BURGER KING® schicken.
Zu …?
Nein, es
brauchte seit langem einen Laden, in dem die Millionäre und Millionärinnen, die
Super- und Hyperreichen, in dem Milliardärinnen und Milliardäre, die Fabrik-,
Hotel-, und Firmenerben, wo die Oberen Zehntausend unter sich sind. Das könnte man
durch einen Türsteher, durch eine Art Mitgliedschaft oder sonst etwas
bewerkstelligen, GoldFood® macht es durch den Preis.
Ich linse
hinein und erhasche einen Ausschnitt der Speisekarte:
Kobe-Burger 150.-
Kobe-Burger
XL 200.-
Kobe-Burger
mit Austern 300.-
Kobe-Burger
XL mit Austern 350.-
Auf Wunsch
wird ein handgerührtes Spezialketchup aus handgepflückten Biotomaten für 20.-
gereicht. Zu trinken gibt es ausser Edelmineralwasser aus Spezialabfüllungen,
Spät- und Ausleseweinen und handgepressten Seltenfruchtsäften noch kleine
Gläschen mit Veuve Cliquot.
Wenn also
Else Pohl, die Erbin der Maschinenfabrik Duttmann, ihre Freundinnen Sabrina
Stratmann (Kosmetikerbin) und Lotte Boschowski (Verlagserbin) «noch geschwind
zu einem Hamburger» einlädt, dann gehen da mal locker 2000.- bis 3000.- über
die Theke, man will ja auch noch Pommes, und die sind aus einer Spezialzucht,
wo das Kilo im Einkauf 450.- kostet, dafür kennt der Bauer jede einzelne Knolle
mit Namen und hat mit jeder über Adorno diskutiert.
Und mit der
Rechnung vom letzten Montag (2467.-, dann grosszügig auf 2800.- aufgerundet),
kam Else noch gut weg. Im Grand Velas Los Cabos Resort in Mexiko – und das ist
jetzt kein Witz – hätte sie für den teuersten Taco 25.000 Dollar bezahlt.
Blattgoldflocken, Kobe, Beluga-Kaviar und eine Superspezialsauce erzeugen
diesen Preis.
Mal ganz
ehrlich: Es gibt irgendwie Grenzen. Gut, da sind Leute, die wissen nicht wohin
mit ihrem Geld, da hat man 25.000.000 geerbt und stellt drei Finanzheinis an,
die das Geld vermehren sollen, und das tun die auch, und es wird immer mehr und
mehr und mehr – wozu eigentlich, man könnte selbst bei 1% locker von den Zinsen
leben – und dann muss man die Kohle irgendwie verschleudern. Da kann ich noch
Verständnis für ein teures Auto oder für Haute Couture aufbringen, ich kann
begreifen, dass man First Class fliegt und im Urlaub die Queen-Suite nimmt, ich
kann sogar verstehen, dass man in *******-Schuppen essen geht, auch wenn ich
den Schnickschnack für übertrieben halte.
Aber
Fastfood?
Mehrere
Hundert für einen Bissen Döner?
Manchmal
scheint mir, die globale Gesellschaft hat einen Punkt der Dekadenz erreicht,
der einen an den Rand des Wahnsinns befördert. Ludwig II von Bayern wurde für
verrückt erklärt, weil er die Staatsfinanzen für Märchenschlösser
«verschleuderte», er hatte allerdings bleibende Werte geschaffen, Werte, die
dem Freistaat Bayern inzwischen durch die Horden von Chinesen und Japanern
Zigtausende in die Kassen spülen. Müsste man Else, Sabrina und Lotte nicht auch
irgendwie psychiatrisch behandeln?
«Sie wissen
nicht, wohin mit dem Geld.»
Dann müsste
man es ihnen sagen.
Und ich rede
jetzt gar nicht nur von Afrika. Das wir für einen Kobe-Burger XL mit Austern
ein ganzes Dorf ein Jahr lang versorgen können, ist eh klar. Für einen Bissen
Los Cabos-Taco könnte man aber auch der alten Frau Schmulk, die ihre todkranke
Schwester in Australien noch mal sehen will, und sich den Flug nach Sidney
nicht leisten kann, ein Ticket zahlen. Man könnte für die Familie Schmidt, bei
der grad alles kaputtgeht, die Reparatur der Waschmaschine übernehmen. Und man
könnte dem Klavierlehrer Ruperts einen Abend in der Scala spendieren, ein
Herzenswunsch, den er seit Jahren hegt. Man könnte so viele Herzens- und
Bauch-, so viele Lang- und Überlangwünsche, so viele Kindheitsträume und
Immerschonideen erfüllen, dass einem schwindelig wird.
«Sie wissen
nicht, wohin mit dem Geld.»
Dann sind sie
dumm.
Anders kann
man es nicht sagen.
Während ich
noch in die Scheibe starre, tippt mich eine Hand von hinten an. Hinter mir
steht ein Juppy und meint: «Wollen Sie was essen? Ich hab ‘nen Gutschein.» Bei
einer Zeche von über 3000.- gibt es nämlich Gutscheine, das Konzept hat
GoldFood® von Ali scheinbar übernommen.
Ich lehne
dankend ab.
Kobe-Burger
mit Austern sind mir dann doch zu dekadent.
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