Dienstag, 21. März 2017

Über das Schreiben von Communiqués: Wo sind Gemeinsamkeiten, die nicht da sind?



Wir alle erinnern uns an Aufgaben wie diese:

Vergleichen Sie die beiden untenstehenden Texte und formulieren Sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede:

Herr Keuner traf einen Menschen, den er lange nicht gesehen hatte. «Sie haben sich ja gar nicht verändert», meinte dieser. «Oh», sagte Herr Keuner und erbleichte.
Berthold Brecht, Geschichten von Herrn K.

An Maria
Hier ist kein Raum für dich / Das Haus ist voll Gedränge.
Warum? Den, den du trägst / Dem ist die Welt zu enge.
Andreas Gryphius

Solche Aufgaben werden von menschlich und sexuell frustrierten, finsteren, bösartigen Deutsch-Gymnasialprofessoren erfunden, die sich damit an ihren Schülern, an ihren Schülerinnen, an der Umwelt und Welt und der ganzen Menschheit rächen wollen. (Wofür eigentlich?) Die armen Prüflinge sitzen nun da und verschwenden eine Stunde wertvoller Schreibzeit mit der Überlegung, was die Kalendergeschichte eines marxistischen 20. Jahrhundert-Schreibers mit dem Vierzeiler eines Barocklyrikers gemeinsam hat. Und entweder sie schreiben lapidar: Die Texte sind kurz. Die Texte sind in einer einfachen Sprache gehalten. Die Texte sind in Deutsch. Oder ihr Hirn produziert auf einmal die wildesten Assoziationen, die sie ins Nirwana der Fantasie-Interpretation schickt. Da kommt dann aus den hintersten Winkeln des Hypothalamus die Idee, ob mit Herrn Keuner, kurz Herrn K. etwa Christus gemeint sein könnte und ähnlicher Schwachsinn.

Aber solche Idiotie-Prüfungen sind eine gute Übung für die, die einmal in internationalen Zusammenhängen arbeiten wollen. Da muss man z.B. ein Communiqué nach einem Staatsmänner- oder Staatsfrauentreffen formulieren, in dem dann auch von den nicht vorhandenen Gemeinsamkeiten die Rede sein soll.
Bundeskanzlerin Merkel und President Trump waren sich in allen, aber absolut in allen Punkten völlig uneins. Die Atmosphäre war frostig, und wir danken Gott dafür, dass es nicht zu Handgreiflichkeiten kam.
Kann man nicht schreiben.
Ehrlich nicht.

Also greift man zu Tricks: Eine frostige Atmosphäre wird dann urplötzlich zur sachlichen Atmosphäre, eine einsilbige zur ruhigen, usw.
Was aber macht man mit den Gemeinsamkeiten, die es nicht gab?
Genauso wie oben, das Pendant zu
Die Texte sind kurz. Die Texte sind in einer einfachen Sprache gehalten. Die Texte sind in Deutsch.
sind nun Sätze wie
Merkel und Trump bekräftigen ihren Willen, sich für Frieden, Sicherheit und Prosperität einzusetzen.

Was für ein Schwachsinn das ist, sieht man dann, wenn man es umdreht:
Sie waren sich einig, viel Energie darauf zu verwenden, dass es auf der Welt mehr Krieg, Hunger, Zerstörung, dass es mehr Verunsicherung, Terror und Armut gibt.
Gut, viele Staaten machen das, aber das kann man so nicht schreiben.
Aber auch Differenzen in dem Bereich kämen nicht gut an:
Während Trump Krieg und Hunger (für alle Staaten ausser den Vereinigten) wollte, beharrte Merkel auf Frieden und Wohlstand.
Nein, es ist gut, dass wir mit 
Die Texte sind kurz. Die Texte sind in einer einfachen Sprache gehalten. Die Texte sind in Deutsch.
geübt haben, wenigstens ein paar schöne Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten.

Die Differenzen kamen ja dann sehr schnell, Trump bemaulte noch einmal das Unausgeglichentum der Handelsbilanzen, maulte wie ein kleines Kind, die anderen würden viel mehr bei ihm verkaufen als umgekehrt, aber nicht nur das, er bemaulte ziemlich viel, und es stellte sich heraus, dass eben ein Grossmaul auch ein grosser Mauler ist, je grösser also das Maul, desto grösser das Bemaulen. Und den verweigerten Handshake haben sowieso Millionen gesehen.
Die Liste der Uneinigkeiten war demnach eh zehnmal länger als die der Einigkeiten, schön, dass man mit
Merkel und Trump bekräftigen ihren Willen, sich für Frieden, Sicherheit und Prosperität einzusetzen.
wenigstens so eine nette Anfangsfloskel gefunden hat.

Schweiz! Werte Eidgenossenschaft! Wahlheimat! Lache nicht!
Wie es so schön heisst: Warte, warte nur ein Weilchen, dann kommt Donald auch zu dir…
Das wird ein wenig dauern, bis er gemerkt hat,
dass die Schweiz existiert
dass sie in Europa liegt
und dass sie extrem viel in die US liefert, während die US auf dem Schweizer Markt zu wenig präsent sind (Und dann: Wehe!!!!)

So sollten sich die Communiquéisten in Bern schon einmal ans Üben machen. Zum Beispiel hiermit:

Vergleichen Sie die Figuren Faust (Goethe), Katharina Blum (Böll) und Bambi (Disney) bezüglich psychologischer Disposition und Handeln. Formulieren Sie Gemeinsamkeiten und Unterschiede.






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