Der
Buschauffeur soll die Gruppe aus Luzern direkt zum Basler Münster bringen. Er
findet in einem solchen klaren Fall natürlich ein Navigationsgerät überflüssig,
was soll das da helfen, ein Münster, einen Dom, eine Kathedrale oder
Hauptkirche sieht man ja, in Basel wird ja schon noch die Kirche im Dorf sein,
also guckt er beim Eintritt in die Innenstadtzone einfach genau hin. Und
liefert die Gruppe ab – an der Elisabethenkirche, jener Kirche, die so
schrecklich gotisch aussieht, dass sie eigentlich schon gar nicht mehr gotisch
sein kann, sondern eben NEUgotisch, aus dem 19. Jahrhundert. Als der Irrtum
heraus- und die Gruppe mit einer halben Stunde Verspätung ankommt, sagt meine
Kollegin:
«Der
Klassiker.»
Die
Verdrehung Elisabethen/Münster ist nämlich schon häufiger passiert.
In Love Actually kauft der Chef einer
Werbeagentur (Alan Rickman) seiner Mitarbeiterin (Heike Makatsch) zu
Weihnachten eine teure Goldkette. Seine Frau (Emma Thompson) bekommt am Fest
eine Joni Mitchell-CD; dummerweise hat sie den Schmuck aber schon gesehen.
Nachdem sie ein paar Minuten unter den Klängen von I looked at life from both sides now geweint, sich dann
zusammengerissen, die Tränen abgewischt und sich neu geschminkt hat, geht die
Familie zum Krippenspiel – bei dem der Sohn den zweiten Hummer spielt, aber das
ist Nebensache. Nach der Aufführung stellt sie ihren Mann zur Rede, worauf der
Werbechef antwortet:
«I was a
classic fool.»
Jeder weiss,
dass man beim Ausräumen einer Spülmaschine aufpassen muss, wenn die Türen der
Hängeschränke offenstehen. Wenn man sich nämlich nach zwei Tellern bückt und
dann unbedacht wieder hochgeht, gibt es eine relativ unangenehme und
schmerzhafte Kollision von Türkante und Stirn. Sie kennen mich inzwischen gut,
und wissen sofort, dass mir solche Dinge passieren, jedenfalls, als ich mit
einer ziemlich wüsten Schramme über der Nase in die Chorprobe komme und mein
Missgeschick berichte, sagt meine Präsidentin:
«Der
Klassiker.»
Klassiker
Dazu gehört
natürlich auch die Bananenschale, auf der man so wunderbar ausgleitet, dazu
zählen die diversen Dinge, die wir in Gullis und andere Schächte rollen lassen,
dazu rechnen wir die Mails, die wir aus Versehen an die falschen Leute leiten
und die dringende SMS, die wir an Heike statt an Heiko schicken, weil wir uns
im elektronischen Telefonbuch vertippen.
Klassiker.
Es ist
interessant, dass die Wörter KLASSIK, KLASSIKER und KLASSISCH so positiv belegt
sind. Bei KLASSIK denken wir an die Klassik in der Antike, an die Weimarer
Klassik und die Wiener Klassik, wir kommen auf Klassische Musik und in der
Bildenden Kunst auf die Klassiker der Moderne. Klassisch heisst edel, gediegen,
heisst ästhetisch und geordnet, heisst wohlgeformt und vorzeigbar.
Es gibt aber
auch die Klassische Dummheit.
Die
Klassische Blödheit.
Warum machen
wir Menschen immer wieder die gleichen Fehler? Warum werden wir nicht gewarnt?
Warum lassen wir uns nicht warnen? Warum produzieren wir immer wieder die
Klassiker? Warum gibt es keine Internetseiten zu diesem Thema? Warum keine
Lexikons (auch dieser Fehler ein Klassiker...)? Warum keine Reiseführer?
Das wäre
doch eine spannende Sache. Denn jede Stadt hat ihre Klassiker.
Und da
stünde dann zum Beispiel:
Düsseldorf: In
Düsseldorf trinkt man ALTBIER. Niemals, niemals, unter keinen Umständen ein
Kölsch (siehe unter Köln) bestellen, wenn Sie nicht die Düsseldorfer
Unikliniken kennenlernen wollen.
Freiburg: Achtung!
Die Innenstadt ist voll von schlecht sichtbaren, ekligen Wasserläufen, in die
Sie wahrscheinlich hineintreten, wenn Sie nicht höllisch aufpassen. Sollte es
passieren, werden Sie von den bösartigen Eingeborenen ausgelacht – und zwar
ziemlich.
Köln: In
Köln trinkt man KÖLSCH. Niemals, niemals, unter keinen Umständen ein Altbier
(siehe unter Düsseldorf) bestellen, wenn Sie nicht die Kölner Unikliniken
kennenlernen wollen.
Stuttgart: Die
Eingeborenen laufen die 1200 Treppen («Stäffele»), auf die sie
merkwürdigerweise so stolz sind, nur aus dem Fussgelenk. Niemals versuchen das
nachzumachen! Die Schwaben haben das jahrelang trainiert. Sie fallen als
Ungeübter sofort auf die Fresse.
Und unter BASEL
stünde eben:
Die gotische Kirche in der Innenstadt mit
EINEM Turm ist nicht das Münster!
Es wäre eine
schöne Sache, wenn es einen solchen Reiseführer gäbe. Und auch ein Lexikon der
Klassiker wie B=Bananenschale, F=Fremdgehen, S=Spülmaschine, mit T=Telefonbuch
und E=E-Mail. Dann würden wir nicht jedes Mal in die gleichen Gruben fallen.
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