MACHEN SIE SCHLUSS MIT VELODIEBEN
Ich lese den Satz dreimal durch und denke dabei, dass doch irgendwas nicht stimmt. So wie es geschrieben steht, ist gemeint, dass die Angesprochenen ihre Beziehungen mit Menschen, die Zweiräder klauen, beenden sollen. Aber vielleicht ist das die neue Methode? Oder eher eine alte Methode, es erinnert ja sehr an die Lysistrata-Geschichte, in der die Athener Frauen in einen Sex-Streik traten, um ihre Männer endlich zum Friedenschluss mit Sparta zu zwingen. Gute Idee eigentlich, wenn Velodiebe keinen Partner, keine Partnerin mehr finden, dann hören sie eventuell mit der Stehlerei auf. Ich stelle mir das richtig schön vor: Hunderte von Velodieben, die sexuell frustriert und seit Wochen geil mit verbissenem Gesicht durch die Stadt laufen.
Oder ist noch etwas Anderes gemeint? «Schluss machen» im Sinne von «abknallen»? Wäre drastisch – bei uns. In Atlanta oder Tucson könnten die Bürgerinnen und Bürger das sehr wohl so verstehen: «He wanted to steal my bike – and I shot him.» Alles Roger, haben wir Verständnis dafür, Freispruch. Vor allem, wenn der Bike-Burglar dummerweise auch noch eine dunkle Hautfarbe hatte.
Aber natürlich meint das Plakat eigentlich:
MACHEN SIE SCHLUSS MIT VELODIEBSTAHL.
Plakate, Schlagzeilen, Slogans.
Es gibt hier eine Unzahl von so herrlichen Sätzen, dass man aus dem Lachen nicht herauskommt.
TAG DER OFFENEN TÜR IM TIERHEIM
wirbt eines in der Badi. Das finde ich eigentlich nicht so gut, ich hätte doch gerne, dass die Türen im Tierheim geschlossen bleiben, als Katzenallergiker wäre für mich eine Horde von Büsis, die sich in geschlossener Formation über die Stadt ergiesst, der Horror. Ebenso die Hunde, Meerschweinchen, Kaninchen und vor allem das gefährliche Tierzeug, das soll doch bitte im Heim bleiben.
Die NPD warb
vor Jahren mit dem unglaublichen Slogan
DEUTSCHLAND
GIBT GASund es war nur dem Umstand zu verdanken, dass man bei Leuten, die einen IQ zwischen 0 und 54,78 haben, nur von riesengrosser Dummheit ausging, dass die Partei nicht die grössten Probleme bekam. Der Satz wäre so etwas von gemein, zynisch und brutal, wenn man ihn auf die eine Weise versteht, dass einem die Spucke wegbleibt.
Der
bekannteste Spruch ist wohl ein Urbaner Mythos, er wird vielen
Schiesssportvereinigungen in die Feder gelegt, wirklich gesehen hat das Plakat
aber niemand:
KOMMEN SIE
IN DEN SCHÜTZENVEREIN UND TREFFEN SIE NETTE LEUTE.
Woran liegt
das, dass wir ständig solchen Unsinn als Plakate, Slogans, Schlagzeilen in die
Welt schreiben?
Die Antwort
liegt klar auf der Hand: Weil wir nicht mehr gegenlesen. Zu einem orthografischen
Korrekturlesen kommt es meist noch rudimentär, ich betone noch einmal, rudimentär,
davon zeugen die Unmassen Schreibfehler, die nun auch bisher goldene Horte der
Sprache wie Suhrkamp und Hanser erreicht haben (die NZZ schrieb neulich darüber), ein Sinn-Gegenlesen findet meist
nicht statt. Mit Sinn-Gegenlesen meine ich die simple Frage: «Wie verstehst du
diesen Satz?» oder «Kann man das missverstehen?» Für solche Dinge hat man im
Sekundentaktzeitalter natürlich keine Musse mehr.
Dabei könnte
man mit einem solchen Prozedere auch eine Menge Geld sparen. Dies zeigen die
Hunderte von Werbeflops, die die Firmen einen Haufen Kohle gekostet haben.
Hätte man VOR der Eröffnung von x Filialen in Tokio, Kyoto und Nagasaki einen
Japaner mit dem Begriff TSCHIBO konfrontiert, hätte er gewarnt: Im Land der
aufgehenden Sonne bedeutet das Wort «Tod». Und niemand geht gerne in einen
Laden, übe dem in Riesenbuchstaben das Wort
TODsteht. Ähnliches passierte den Autobauern aus dem Piemont in Finnland mit dem FIAT UNO. «Uno» heisst dort nämlich «Trottel» und wer fährt gerne mit einem Fahrzeug durch die Gegend auf dem «Trottel» steht?
Versteht man
diesen Satz?
und:Versteht man ihn so, wie ich es dachte?
Oder mit Goethe zu sagen: «Wie ist dies Zauberwort gemeint?»
Das wären doch sehr wichtige Fragen.
Aber
wahrscheinlich bin ich ein Nörgler aus vergangenen Zeiten und sollte mich damit
zufriedengeben, dass die meisten Plakate, Slogans und Schlagzeilen immerhin
noch 98% richtig geschriebene Wörter haben, möglicherweise kann man einfach nicht
mehr verlangen.
Das
Polizeiplakat schreibt übrigens weiter unten als Tipp:
REGISTRIEREN
SIE IHR VELO.Was ich natürlich sofort mache. Ich renne nach Hause und lege eine Excel-Datei an, in der ich die Nummer, die Marke und das Kaufdatum nicht nur meines Velos, sondern auch meiner anderen Haushaltsgegenstände notiere, wenn ich schon mal dabei bin. Ich frage mich allerdings, was mir das bringt?
Nichts.
Denn es müsste natürlich heissen:
LASSEN SIE IHR VELO REGISTRIEREN.
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