Dienstag, 3. Mai 2016

Das Feiertag-Lotto

Am 1. 1. 2025 ist es endlich so weit: Die erste europaweite Ziehung der Feiertage wird in sämtlichen Fernsehprogrammen des Schengen-Raumes übertragen. Natürlich nicht der Feiertage für 2025, sondern für 2028, damit man noch ein wenig planen kann. Vorausgegangen ist eine endlose, ermüdende, erschöpfende, eine teils sehr hitzig und hetzig, teils sehr emotional und atonal geführte Diskussion, welche der Festtage eigentlich noch Sinn machen und ob jeder Staat bereit wäre, seine Spezialtage zu opfern. Die Niederländer haben erbarmungslos für ihren Koninginnedag gefochten, was wenig Sinn gemacht hat, da sie die Monarchie schon 2021 abschafften. Auch der 1. August ist erst nach einer fast in einen Bürgerkrieg ausgearteten Volksabstimmung gefallen, bei der sich die Vertreter der These, dass die drei Herren nicht exakt am 1. 8.auf dem Rütli standen, durchgesetzt haben.

Die Idee einer Neuordnung der Feiertage ist seit langem im Raum gestanden. Das eine Argument war die Einheitlichkeit im europäischen Raum, das andere war die Tatsache, dass der Name und Sinn des Tages häufig verlorengegangen ist. Die dritte Sache war die, dass die Muslime immer vehementer eine Einbeziehung ihrer Feste in den Kalender verlangten.

Nun ist es am 1. 1. 2025 endlich so weit: Feiertags-Fee Lisa Tietze-Ludwig – der Name kommt Ihnen bekannt vor? Es ist tatsächlich die Enkelin der ARD-Lottotante – betritt (nach Abspielen des Charpentier-Klassikers) die Bühne und verkündet, dass der Aufsichtsbeamte sich vor der Sendung vom ordnungsgemässen Zustand des Ziehungsgeräte und der 31 Kugeln überzeugt habe. Dann geht die bekannte Melodie los (da dadadada dammmm...) und die Kugel für den Januar fällt in die Röhre: Es ist die 7 – und weiter geht es. Wiederholt werden muss ein Vorgang, wenn der Tag ein Samstag oder Sonntag ist oder er schlicht und einfach nicht existiert, wie der 31. April z.B.

Am Ende stehen die Feiertage für 2028 fest: 7. Januar, 22. Februar, 16. März, 13. April, 31. Mai, 5. Juni, 6. Juli, 1. August (die Eidgenossen brechen in Jubel aus), 27. September, 4. Oktober (Grummeln in der BRD, denn knapp vorbei ist auch daneben), 17. November und 25. Dezember (Jubel bei den Kirchen). Jeder und jede kann nun für sich oder für seine oder ihre Gruppe, für ihren Verein oder Partei festlegen, welchen Name der Tag tragen soll. Während die Schweizer – Fortuna war ihnen hold – weiterhin einen Natonalfeiertag haben, wird der 1. August von den Anglern als Fisch-Tag, von den Schwimmern als Tag des Freibades, von den Veganern als Tag des Sojas und von den Antroposophen als Eurythmie-Tag gefeiert, und weil man sich schengenweit einigte, eben in ganz Europa. Vegane Angler, die gerne synchronschwimmend ihren Namen tanzen, müssen sich halt entscheiden. (Gibt es überhaupt vegane Angler?)

Sie finden das eine Horrorvision? Oder zumindest eine Merkwürdigkeit?
Aber jetzt mal ganz ehrlich: Was feiern Sie denn am Donnerstag? Oder wie heisst der Tag im eigentlichen Sinne? Nein, das heisst nicht wirklich Vatertag, es gibt einen offiziellen Muttertag, aber die Märsche, bei denen die Männer mit Bollerwagen und viel, viel Gerstensaft durch die Lande ziehen, ist inoffiziell entstanden. Er ist auch Blödsinn, denn der Spruch “Vati soll es auch einmal schön haben” ist bösartig falsch, mit Kumpels saufen tun die Kerle das ganze Jahr, egal ob Ehemänner, Väter, Schwule (ja, auch die) oder Singles. Für die Baselbieter: Auch das Stichwort Banntag ist jünger als die wirkliche Bedeutung, das ist nämlich Christi Himmelfahrt. Darunter kann man sich noch ungefähr etwas vorstellen, aber was feiern wir denn an Pfingsten? Weiss kein Mensch. Allerdings gehen auch bei Weihnachten und Ostern die Meinungen sehr auseinander, wenn man Menschen mit dem Mikrophon bewaffnet auf der Strasse nach den Festen befragt:
“An Weihnachten kommt der Weihnachtsmann, der ist da geboren.”
“An Weihnachten feiern wir so Hirten.”
“An Weihnachten kamen die Engel zu Ochs und Esel.”
“An Ostern ist der Osterhase auferstanden.”
“Nein, da wurde er gekreuzigt.”
usw. usw.

Verlockt da nicht der Gedanke, alle religiösen, aber auch nationalen, auch alle politischen, alle Feier- und Gedenktage für jedes Jahr neu auszulosen und zur Freibelegung zur Verfügung zu stellen? Fromme Menschen könnte ja auch durchaus den 13. April Ostern, den 31. Mai Himmelfahrt und den 5. Juni Pfingsten nennen, käme ja fast hin. Die Kommunisten könnten am 31. Mai ihren Tag der Arbeit begehen und die Deutschen einen Nach-Tag der Deutschen Einheit am 4. 10.

Ein Gewinn wäre es für alle Arbeitnehmer insofern, dass es keine verlorenen Festtage mehr gäbe: Wenn der gezogenen Tag ein Sams- oder Sonntag ist, wird die Kugel ja zurückgeworfen. Und diese vielen Arbeitnehmer würden das tun, was die meisten an Himmelfahrt oder Pfingstmontag jetzt schon machen: Wandern, Ausschlafen oder Chillen, die Freibäder oder die Kinos blockieren, die Oma besuchen oder in den EUROPAPARK fahren, also Dinge, die weder religiös noch politisch noch national belegt sind.

Am 1. 1. 2025 werden die Feiertage des Jahres 2028 ausgelost worden sein. Aber bis dahin ist noch ein weiter Weg zurückgelegt zurückgelegt worden sein gekonnt sein. (In welchem Tempusdrückt man eine Sache aus, die bis zu einem Ereignis in der Zukunft reicht, dass fiktiv ist? Oder anders formuliert: Wie lautet 3. Person Singular Futur II Konjunktiv Passiv von “zurücklegen”?)






























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