Dienstag, 24. Mai 2016

Keine Politiker ohne Moderation! Keine Bestien ohne Dompteur!

Liebe Onliner, wissen Sie, was ein Moderator oder eine Moderatorin macht? Im eigentlichen Sinne? Tja, eben nicht, was Sie denken. Sie denken, der oder die ist so eine Art Unterhalter(in), eine Person, die das Gespräch am Laufen hält oder Radio- oder Fernsehansagen macht. Im eigentlichen Sinne ist ein Moderator ein Dompteur, ein Schiedsrichter, er oder sie ist ein Aufhalter, ein Schlichter, der oder die verhindert, dass Gesprächspartner mit verbalen Attacken, mit Fäusten oder Ellbogen auf einander losgehen. Moderierende verhindern, dass bei Talkrunden gespuckt, gebissen, dass getreten oder an den Frisuren gerissen wird.

Der Begriff kommt nämlich vom lateinischen «moderare» = mässigen. Wir kennen das von «moderaten Temperaturen» oder von «moderaten Preiserhöhungen», sowie vom «Allegro moderato» aus der Musik. Eine(e) Moderator(in) ist also ein(e) Mässiger(in).

Dass Machtmenschen überhaupt miteinander reden, ist eine grosse Errungenschaft des 20. Jahrhunderts, dass sie das anständig tun, ist eine grössere, dass sie das anständig vor Publikum tun, ist eine noch grössere.

In früheren Zeiten hat man nicht mit dem Feind geredet. Man hat ihm den Krieg erklärt, man hat ihn vergiften lassen, oder enthaupten oder erdolchen, aber man hat sich nicht mit ihm an einen Tisch gesetzt. Ist ihnen ein Gespräch zwischen Darius und Alexandros bekannt? Kennen Sie ein Gesprächsprotokoll eines Treffens von Hannibal und Scipio? Gab es eine Diskussion zwischen Varus und Hermann? Mitnichten, die trafen sich, wenn überhaupt zum ersten Mal im Kampf. Bei Alexander und Darius gibt es ja das wunderschöne Mosaik, wo man sieht, wie der Mazedonier, der einen Umweg genommen hat, mitten im Getümmel auf den Perser zurast. «Das ist also Alexander», dachte Darius (natürlich auf Persisch), «so sieht der also aus.» Mehr dachte er nicht mehr, dann war er nämlich tot.

Nein, geredet hat man nicht. Kommen Sie jetzt bitte nicht mit Treffen wie das von Maria Stuart und Elizabeth the First, das gibt es nur bei Fritze Schiller, das hat der sich ausgedacht, die beiden Zicken haben nie miteinander konferiert.

Aber auch niedergängigere Gespräche nahmen in alten Zeiten oft einen unguten Verlauf. Es gehörte zum allgemeinen Ton, Parlamentäre und Unterhändler irgendwo hinzuwerfen, auf einen Misthaufen, in den Fluss, man warf sie die Treppe hinunter oder aus dem Fenster, ein solcher Fenstersturz ist ja – wenn die Historiker Recht haben – der Beginn eines etwas längeren Krieges gewesen.

In der Neuzeit beginnt nun das grosse Verhandeln, man trifft sich, man schwätzt, man bildet Vertrauen aus und lernt sich kennen. Hier darf – ich erwähnte es neulich schon – die Rolle der Dolmetscher(innen) nicht unterschätzt werden, die häufig die schlimmsten Dinge einfach weglassen. Wenn man wüsste, was Sowjet- und Amiführer wirklich zu einander sagten, dann stünden einem sicher alle Haare zu Berge.

Etwas ganz Anderes sind Politikergespräche vor Publikum, eine Sache, die erst mit dem TV richtig aufkam. Hier braucht es Moderation, denn hier sind die beiden jetzt plötzlich ganz anders wie in einem 4-Augen-Gespräch. Man muss ja zeigen, wer der Chef oder die Chefin ist, man muss zeigen, wo der Bartel den Most holt, man muss den Tarif durchgeben, man muss Klartext reden, da man ja Zuschauer und Zuschauerinnen hat. Moderation muss sein, sonst würde bei solchen Talks getreten, würde gebissen und geschlagen, würde in Gesicht und Haare gefasst, würde die Arbeit von zig Maskenbildnern und Visagisten in 3 Sekunden zunichtegemacht.

 Sie glauben mir nicht? Das ORF hat es neulich probiert: Die beiden Kandidaten für das Bundespräsidialamt in einem Gespräch ohne Moderator(in). Das Ergebnis war verheerend. Nein, die beiden haben sich nicht geschlagen oder sich angespuckt, sie haben sich nicht in die Wange oder den Magen geboxt, aber sie haben sich verbal benommen wie zwei pubertierende Jungs auf dem Schulhof.
Und das, obwohl sich ja beide für ein Amt bewarben, das ein grosses Mass von Besonnenheit, Würde, von Noblesse und Haltung voraussetzen würde. Fassungslos sahen die Steirer, Tiroler, die Burgenländer und Wiener zu, wie die zwei Heinis, sich unterbrachen, sich ins Wort fielen, einander der Falschaussage, der Lüge, der Blendung ziehen, wie sie sich beleidigten und jedes Mass verloren. Beide nach der Devise: Das macht jetzt viel zu viel Spass, um noch zu Sachthemen zu kommen.

Das Experiment «Talk ohne Master» ist gescheitert. Wir haben – wie ich vorher zeigte – die grössten Fortschritte gemacht, aber den letzten Schritt, Menschen öffentlich ohne Moderation miteinander reden zu lassen, den darf man noch nicht gehen.
Der Homo politicus ist keine Unterart des Homo sapiens. Er hat sich im Darwinschen Stammbaum irgendwo zwischen Wolf und Löwe abgezweigt und ist eine gefährliche Bestie. Der Homo politicus ist hungrig, bissig und in jeder strammen Faser seines Körpers aggressiv. Er braucht einen Dompteur, der ihn mit Peitsche und Knüppel an seinen Platz weist, er braucht einen Tierpfleger, der ihn wieder in den Käfig treibt. Er braucht Menschen nicht mit politischen, sondern mit zoologischen Fähigkeiten.

Sind Sie einverstanden?
Wenn nicht, können wir gerne einmal miteinander reden.
Aber nur mit Moderation.
Ich habe nämlich schon ein paar Leute, denen meine Ausführungen nicht passten gebissen.
Und in die Haare gelangt.
Und getreten.
Ich gebe es ehrlich zu.

P.S. Nun hat ja der grüne Wolf gewonnen, herzlichen Glückwunsch! Möge er besser sein, als er sich in dem unmoderierten Talk gab.







                                                                                                                          

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