Der Begriff
kommt nämlich vom lateinischen «moderare» = mässigen. Wir kennen das von
«moderaten Temperaturen» oder von «moderaten Preiserhöhungen», sowie vom
«Allegro moderato» aus der Musik. Eine(e) Moderator(in) ist also ein(e)
Mässiger(in).
Dass
Machtmenschen überhaupt miteinander reden, ist eine grosse Errungenschaft des
20. Jahrhunderts, dass sie das anständig tun, ist eine grössere, dass sie das
anständig vor Publikum tun, ist eine noch grössere.
In früheren
Zeiten hat man nicht mit dem Feind geredet. Man hat ihm den Krieg erklärt, man
hat ihn vergiften lassen, oder enthaupten oder erdolchen, aber man hat sich
nicht mit ihm an einen Tisch gesetzt. Ist ihnen ein Gespräch zwischen Darius
und Alexandros bekannt? Kennen Sie ein Gesprächsprotokoll eines Treffens von
Hannibal und Scipio? Gab es eine Diskussion zwischen Varus und Hermann?
Mitnichten, die trafen sich, wenn überhaupt zum ersten Mal im Kampf. Bei
Alexander und Darius gibt es ja das wunderschöne Mosaik, wo man sieht, wie der
Mazedonier, der einen Umweg genommen hat, mitten im Getümmel auf den Perser
zurast. «Das ist also Alexander», dachte Darius (natürlich auf Persisch), «so
sieht der also aus.» Mehr dachte er nicht mehr, dann war er nämlich tot.
Nein,
geredet hat man nicht. Kommen Sie jetzt bitte nicht mit Treffen wie das von
Maria Stuart und Elizabeth the First, das gibt es nur bei Fritze Schiller, das
hat der sich ausgedacht, die beiden Zicken haben nie miteinander konferiert.
Aber auch
niedergängigere Gespräche nahmen in alten Zeiten oft einen unguten Verlauf. Es
gehörte zum allgemeinen Ton, Parlamentäre und Unterhändler irgendwo
hinzuwerfen, auf einen Misthaufen, in den Fluss, man warf sie die Treppe
hinunter oder aus dem Fenster, ein solcher Fenstersturz ist ja – wenn die
Historiker Recht haben – der Beginn eines etwas längeren Krieges gewesen.
In der
Neuzeit beginnt nun das grosse Verhandeln, man trifft sich, man schwätzt, man
bildet Vertrauen aus und lernt sich kennen. Hier darf – ich erwähnte es neulich
schon – die Rolle der Dolmetscher(innen) nicht unterschätzt werden, die häufig
die schlimmsten Dinge einfach weglassen. Wenn man wüsste, was Sowjet- und
Amiführer wirklich zu einander sagten, dann stünden einem sicher alle Haare zu
Berge.
Etwas ganz
Anderes sind Politikergespräche vor Publikum, eine Sache, die erst mit dem TV
richtig aufkam. Hier braucht es Moderation, denn hier sind die beiden jetzt
plötzlich ganz anders wie in einem 4-Augen-Gespräch. Man muss ja zeigen, wer
der Chef oder die Chefin ist, man muss zeigen, wo der Bartel den Most holt, man
muss den Tarif durchgeben, man muss Klartext reden, da man ja Zuschauer und
Zuschauerinnen hat. Moderation muss sein, sonst würde bei solchen Talks
getreten, würde gebissen und geschlagen, würde in Gesicht und Haare gefasst,
würde die Arbeit von zig Maskenbildnern und Visagisten in 3 Sekunden
zunichtegemacht.
Sie glauben mir nicht? Das ORF hat es neulich
probiert: Die beiden Kandidaten für das Bundespräsidialamt in einem Gespräch
ohne Moderator(in). Das Ergebnis war verheerend. Nein, die beiden haben sich
nicht geschlagen oder sich angespuckt, sie haben sich nicht in die Wange oder
den Magen geboxt, aber sie haben sich verbal benommen wie zwei pubertierende
Jungs auf dem Schulhof.
Und das,
obwohl sich ja beide für ein Amt bewarben, das ein grosses Mass von
Besonnenheit, Würde, von Noblesse und Haltung voraussetzen würde. Fassungslos
sahen die Steirer, Tiroler, die Burgenländer und Wiener zu, wie die zwei
Heinis, sich unterbrachen, sich ins Wort fielen, einander der Falschaussage,
der Lüge, der Blendung ziehen, wie sie sich beleidigten und jedes Mass
verloren. Beide nach der Devise: Das macht jetzt viel zu viel Spass, um noch zu
Sachthemen zu kommen.
Das
Experiment «Talk ohne Master» ist gescheitert. Wir haben – wie ich vorher
zeigte – die grössten Fortschritte gemacht, aber den letzten Schritt, Menschen
öffentlich ohne Moderation miteinander reden zu lassen, den darf man noch nicht
gehen.
Der Homo
politicus ist keine Unterart des Homo sapiens. Er hat sich im Darwinschen
Stammbaum irgendwo zwischen Wolf und Löwe abgezweigt und ist eine gefährliche
Bestie. Der Homo politicus ist hungrig, bissig und in jeder strammen Faser
seines Körpers aggressiv. Er braucht einen Dompteur, der ihn mit Peitsche und
Knüppel an seinen Platz weist, er braucht einen Tierpfleger, der ihn wieder in
den Käfig treibt. Er braucht Menschen nicht mit politischen, sondern mit
zoologischen Fähigkeiten. Sind Sie einverstanden?
Wenn nicht, können wir gerne einmal miteinander reden.
Aber nur mit Moderation.
Ich habe nämlich schon ein paar Leute, denen meine Ausführungen nicht passten gebissen.
Und in die Haare gelangt.
Und getreten.
Ich gebe es ehrlich zu.
P.S. Nun hat ja der grüne Wolf gewonnen, herzlichen Glückwunsch! Möge er besser sein, als er sich in dem unmoderierten Talk gab.
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