Montag, 16. Mai 2016

Es wird nie mehr Sommer - Persephone und Demeter skypen

Das waren verregnete Pfingsten, nicht? Kalt, windig, grau, neblig, voller Wolken und Trübheit. Und um es klar zu sagen: Das bleibt auch so. Es wird nie mehr Sommer. Es wird überhaupt nie mehr einen Sommer geben.
Denn:
Demeter und Persephone haben die Social Media entdeckt.

Sie haben die Sage nicht mehr parat?
Gut. Dann paraphrasiere ich noch mal:
Demeter ist im Olympischen Kabinett die Ministerin für Landwirtschaft, Fruchtbarkeit, Feldfrüchte und Wachstum. Eine patente und fähige Frau, nur ihre Tochter macht ihr Sorgen. Sie hat sich mit einem etwas zwielichtigen Typen eingelassen, ein dunkler und düsterer Kerl, der sich am Ende auch wirklich als der Chef der Unterwelt entpuppt. Die gute Tochter Persy aber fährt voll auf den Macker ab, und sie verkündet ihrer Mum, dass sie jetzt für immer bei ihm bleiben will. Frau Demeter fällt in Depressionen, was für ihren Job ziemlich dumme Auswirkungen hat. Sie vernachlässigt Landwirtschaft, Fruchtbarkeit, Feldfrüchte und Wachstum und auf der Erde spriesst nix mehr. Das geht eine Weile so, bis Regierungschef Zeus eingreift und eine Mediation anregt. Und diese Mediation hat Erfolg: Es wird ein Kompromiss geschlossen, welcher besagt, dass Persy ein halbes Jahr in Hades-Town und ein halbes Jahr im Olymp Resort verbringt. Wenn die Tochter geht, dann verfällt Demmy in Depries und bei uns welkt die Natur und fallen die Blätter, wenn Persy wieder kommt, dann wird es Frühling und alles spriesst.

Jetzt kommen die Sozialen Medien ins Spiel.
Der erste, der sie herausfand, war natürlich der Götterbote Hermes. Er schweift ja so viel bei uns Sterblichen herum, dass er schnell merkte, was elektronisch bei uns los ist. Er präsentierte dann bei einer der olympischen Vollversammlungen Tablets, Laptops und I-Phones und erklärte das Internet. "Das ist cool", so Hermes, "da können wir voll einsteigen, dann müssen wir uns um unser Image - und unser Image ist nicht mehr das beste - keine Sorgen mehr machen." Der Rat der Götter aber lehnte ab, neumodisch sei der Kram, weltlich und auch nicht zu kapieren. Der Göttervater gebot zudem Hermes streng, nicht auf die Idee zu verfallen, seine Arbeit, die Information der Sterblichen, im Homeoffice vom Berg zu machen, er müsse stets auf der Welt sein.
Der Bote aber ist klug, er mietete sich ein Appartement in NY, Nähe Central Park, Kostenpunkt 15.000, aber für Olympier spielen ja Kosten keine Rolle, und nun fliegt er, wenn er den Götterberg verlassen muss, nicht mehr wahllos auf der Erde herum, sondern gleich an den Hudson und bedient dort von seinem Büro aus seine Internetseiten, hält seinen Facebookaccount am Laufen, twittert und chattet, was das Zeug hält.

Und irgendwie hatte das Demeter spitz bekommen. Sie tauchte unangemeldet bei Hermy am Central Park auf, steppte wie Denver-Alexis in sein Büro-Appartement, goss sich einen doppelten Scotch ein, liess sich aufs Sofa fallen und säuselte: "Nun erkläre mir doch mal den Mist..."
Hermy blieb nichts übrig, als der Ministerin die modernen Techniken zu erklären. Was einige Zeit in Anspruch nahm, denn Demmy war doch mehr so der Out-Door-Typ, so die Naturverbundene, aber schliesslich hatte sie es doch gecheckt.

So, und nun fing Demmy an, sich mit den diversen Möglichkeiten des Elektronischen Zeitalters zu beschäftigen. Und sie war begeistert. Wenn man ein Töchterlein auf der anderen Seite der Welt hat, was gibt es dann Besseres als Skype?
Gibt es etwas Cooleres als Chatten? Als Facebook? Nicht zu reden von Snapchat, WhatsApp und was sonst noch so auf dem Markt ist.
Persy schickte Fotos von ihrem unterirdischen Zuhause.
Persy schickte ein Video von ihrer Hochzeit.
Persy schickte Fotos von einem Strandtag am Styx.
Persy schickte ein Video von ihrer Geburtstagsparty.
Und Demmy fand alles da unten gar nicht so übel.
Jedenfalls läuft es jetzt so: Persy kommt gar nicht mehr an die Oberfläche, sie bleibt unten, weil man Mama ja jederzeit auf irgendeinem Kanal erreichen kann.

Und so gibt es auch kein Frühjahr mehr.

Uns bleibt nur die Hoffnung.
Die Hoffnung, dass die beiden Damen irgendwann merken, dass eine persönliche,
leibhaftige Begegnung doch durch nichts zu ersetzen ist.
Und dann wird ihnen Skype, Snapchat, wird ihnen Facebook und WhatsApp nicht mehr genügen und vielleicht, vielleicht kommt dann doch die Sehnsucht nach der Tochter wieder auf.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen