Freitag, 16. Oktober 2015

Knastgespräch zwischen Winti und Blatti

Ein regnerischer Montagnachmittag im Herbst des Jahres 2017.
Die Häftlinge 3355 und 7788, die sich untereinander als „Winti“ und „Blatti“ titulieren, sitzen in der Vollzugsanstalt, rauchen und trinken Bier. Der dritte im Bunde, Luigi Mascarpone, sitzt auf seinem Bett und reinigt sich die Fingernägel, denn ein Pate schaut auch im Knast darauf, sauber und gepflegt zu sein und eine „bella figura“ zu machen.



„Weisst du, Blatti“, beginnt Winti, „wenn wir einmal rauskommen, dann…“
„Wir kommen nicht raus“, kontert Blatti, „wir kommen nicht raus, die haben uns 30 Jahre gegeben.“
„Und gute Führung?“
„Vergiss es, dafür hatten wir in Freiheit lange genug Zeit, uns gut zu führen. Rede im Konjunktiv.“
„Also gut“, beginnt Winti erneut, „wenn wir rauskommen WÜRDEN, MÜSSTEN wir alles anders machen.“
„Und was, du Schlaumeier?“, seufzt Blatti.
„Es bräuchte eine Kombination unserer beiden Systeme: Nicht nur Korruption, nicht nur Manipulation, sondern beides.“
„Und wie sollte das genau aussehen?“
„Schau mal: Du hast 10 Millionen von den Scheichs gekriegt, dass du ihnen die WM gibst. Davon hast du 5 Millionen wiederum an Funktionäre und die Mitbewerber verteilt, dir blieben 5. Aber die Fans, die Fans haben’s nicht geschluckt. Also hätte es Untersuchungen und Messungen gebraucht. Untersuchungen und Messungen, die bewiesen hätten, dass Katar ein mildes und idealfeuchtes Klima hat, auch im Sommer, dass der bauliche Untergrund ideal für Stadien ist, dass es keine logistischen Probleme gibt, usw., usw.“
„Und du hättest mehr schmieren müssen.“ Blatti trinkt sein Bier leer und greift zu einer neuen Flasche.
„Genau. Ich hätte nicht nur die Abgasmessungen fälschen dürfen, sondern alle Umweltheinis, Kontrolleure, alle Staatsanwälte und natürlich auch ca. 100 Politiker auf meine Gehaltsliste setzen müssen. Erst die Kombination von Bestechung und Betrug bringt das gewünschte Ergebnis.“



„Quatsch!“ Luigi hat seine Maniküre beendet, ist aufgestanden und hat sich zu ihnen gesetzt. Er nimmt ein Bier und zündet sich einen Stumpen an.
„Der wahrhaft grosse Kriminelle baut auf drei Säulen: Manipulation, Korruption und Exekution.“
„Wie meinst du das?“
„Porco miserico! Madonna mia! Sei stupido! Stupidissimo!”
(Luigi fällt immer ins Italienische, wenn er sich aufregt.)
„Guckt mal, ihr beiden Pagliacci. Manipulatione ist gut, machen wir auch. Wir fälschen unsere Personaldokumente, unsere Steuererklärungen, unsere DNA-Tests, unsere Rechnungen von Ristoranti und Alberghi, Corruptione ist gut, wir haben praktisch alle, die im Mezzogiorno was zu sagen haben, auf der Gehaltsliste. Aber manchmal hilft nur piombo.“
„Du meinst…“
Porco miserico! Madonna mia! BLEI! Töten! Peng, peng! E il nemico è mortuo. Es ist nämlich so:
Es gibt Leute, die sind intelligent, aber unanständig, sie kommen dir auf die Schliche, aber nicht, weil sie für das Gute kämpfen, sondern weil sie auf deine Lohnliste wollen. Einfach zu handhaben, du musst nur überlegen, wie viel sie ermittelt haben und wie viel ihr Schweigen wert ist. Die anderen sind hochanständig, absolut unbestechlich, aber viel zu blöd, dir etwas nachzuweisen, auch weil sie, eben wegen IHRER Anständigkeit auch immer Anständigkeit bei ANDEREN wittern.
Die dritte Gruppe ist gefährlich: Superschlau und total integer.“
„So Leute gibt es?“, rufen Winti und Blatti wie aus einem Munde.“
„Aber natürlich! Ihr seid beide über so Leute gestolpert. Nehmt diese Umweltheinis, nehmt die Lynch, nehmt Menschen wie Snowden, nehmt die ganzen hurenverdammten NGOs, die Liste ist verflucht lang. Und bei solchen hilft halt nur ein gezielter Schuss, oder, wenn einem das zu brutal ist, ein wenig Strychnin im Essen oder ein kleiner Autounfall, oder, wenn man es als Exempel machen will, ein bisschen Beton an den Beinen, was ja unter Wasser auch relativ unbekömmlich ist.“



Winti nimmt sich noch eine Zigi. „Wenn wir rauskommen…“
„Wir kommen nicht raus, wir kommen nicht raus“, unterbricht Blatti, „sprich im Konjunktiv.“
„OK“, fährt Winti fort, „wenn wir rauskommen WÜRDEN, WÜRDEST du uns dann das Schiessen beibringen?“
„Certo, amici, certo!“

Und so beginnt es zu dunkeln in der Zelle von 3355, 7788 und 9911 (das ist Mascarpone) und ein regnerischer Montagnachmittag beginnt sich seinem Ende zuzuneigen.
Und Ruhe kehrt ein in der Haftanstalt.
Und wir hoffen, dass die drei so schnell da nicht rauskommen.

 

Denn ein Winterkorn oder Blatter mit Knarre, das wäre nun wirklich ein Albtraum.

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