Dienstag, 27. Oktober 2015

Herbstreise II: Der Koffer und die Sicherheitsgründe



Ich habe wieder einmal eine Tollpatschigkeit fabriziert, die ihresgleichen sucht. Als ich, von Leipzig kommend, in Fulda aussteigen wollte, war mein Koffer verschwunden. Ich hatte ihn im untersten Fach jenes Metallregals abgestellt, das sich in den Eingangsbereichen von ICE 2050-Grossraumwagen befindet. Nun war das Fach leer. Jemand musste meinen Koffer absichtlich oder irrtümlich mitgenommen haben, in Erfurt oder Eisenach. Ich ging, nach zwei Beruhigungszigaretten, zum Info-Schalter im Fuldaer Bahnhof.

Auf dem Weg dorthin fiel mir allerdings ein, dass ich den Grossraumwagen am anderen Ende betreten hatte und dann eine lange Strecke durchgelaufen war, meinen Koffer aber DORT abgestellt hatte. Er befand sich also nicht in den Händen von Dieben oder schusseligen Menschen, sondern schlicht und einfach in Wagen 8 des ICE auf dem Weg nach Wiesbaden. Glück im Unglück: Spätestens in der Hessischen Landeshauptstadt würde er ausgeladen, man stelle sich vor, der Zug wäre nach München gegangen. Am Info-Schalter traf ich auf zwei sehr, sehr nette Mitarbeiterinnen, sie riefen im Zug an und erfuhren, dass der Koffer gesichtet sei, eine Ausladung in Frankfurt aber nicht mehr möglich sei, er würde in Wiesbaden am dortigen Infoschalter abgegeben. Auf meine Frage, ob man den Koffer nicht per Zug zurückschicken könnte, wurde mir gesagt, das sei aus Sicherheitsgründen nicht möglich. Ich bedankte mich bei den beiden Damen und machte mich auf den Weg nach Wiesbaden.

Warum ich nach Wiesbaden fuhr? Natürlich weil ich meinen Koffer brauchte und weil mich eine Notausstattung mit Unterwäsche, Kosmetika und einem Hemd mehr gekostet hätte als die Fahrt an den Rhein. In Wiesbaden stand mein Koffer schon direkt am Infopoint und ich konnte ihn ohne Umschweife (ohne Personenangabe oder Ausweis!) mitnehmen.

Auf der Rückfahrt in die Domstadt kam ich aber doch ins Grübeln: Warum in aller Welt kann die DB mir den Koffer nicht in den nächsten Zug Wiesbaden-Fulda setzen? Sicherheitsgründe? Wenn ich vorgehabt hätte, eine im Gepäck versteckte Bombe zu zünden, per Zeitschaltung oder per Funk, hätte ich das doch schon im ICE NACH Wiesbaden tun können, der Koffer war ja 1 ½ Stunden herrenlos. Oder ich hätte NACH 15.33 (Ankunft in der Kurstadt) die beiden netten Hessen am Infopoint, die übrigens  genauso freundlich waren wie die Damen in der Domstadt, in die Luft jagen können – und den gesamten HBF Wiesbaden mit. Dass auf der potentiellen Rückfahrt meines Gepäcks eine Bombe losginge, wäre doch kompletter Nonsens. Denn ich war ja 15 Minuten am Schalter in Fulda gestanden, ZWEI Bahnfrauen konnten ein Phantombild von mir zeichnen, wahrscheinlich gab es sogar eine Überwachungskamera. Welcher Attentäter lässt seinen Koffer weiterfahren, meldet sich dann bei der DB und lässt sich das Teil hersenden, um es dann zu zünden, NACHDEM er sich vorgestellt hat?

Sicherheitsgründe?
Oft ein Totschlagargument erster Klasse. Ich kann etwas nicht begründen, aber …
Genau
Sicherheitsgründe.

Man nimmt mir am RheinMainAiport aus Sicherheitsgründen mein Essbesteck ab, das sich aus Versehen noch in der Sporttasche befindet und schickt mich aus Sicherheitsgründen auf einen Flug, auf dem noch echtes Besteck verteilt wird.
Man nimmt mir am EuroAirport vier meiner fünf Feuerzeuge ab, weil aus Sicherheitsgründen auf Flügen nur ein Feuerzeug erlaubt ist. Das passiert aber nur einmal, den anderen Flügen scheinen diese Sicherheitsgründe egal zu sein.

Man überlegt, ob aus Sicherheitsgründen Piloten mit schweren psychischen Problemen nicht mehr fliegen sollen, egal ob diese Probleme akut, behandelt, im Griff oder passé sind. Bei Piloten mit Herzproblemen scheinen Sicherheitsgründe keine Rolle zu spielen, auch wenn der Pilot schon zwei Bypässe hat und – so neulich geschehen – während des Fluges stirbt.

Aus Sicherheitsgründen dürfen in unsere Aula nur 140 Leute hinein, da ist die Gemeinde streng, sehr streng, ab dem 141. wird weggeschickt. Dass die Aula ebenerdig ist und acht grosse Fenster hat, dass man den Raum also bei einem Brand in Sekunden verlassen kann, ist wurscht, die Gemeinde achtet auf Sicherheit. Dass dieselbe Gemeinde eine Primarschule hat, bei der die Eingangstüren nach INNEN aufgehen, steht auf einem anderen Blatt.

Ich war dann endlich um 20.00 im HOTEL AM SCHLOSS in Fulda und checkte ein. (Statt um 14.00 wie vorgesehen)
Das was jetzt kommt ist auch wahr, schwörrr:
Obwohl ja via Internetbuchung und Kreditkartenangabe alle meine Daten bekannt waren, musste ich einen vollständigen Meldezettel ausfüllen und die Rezeptionistin machte, weil ich ja Exilant bin, eine Ausweiskopie.

Warum?
Sie ahnen es:
Aus Sicherheitsgründen

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