"Werdet ihr fertig?", frage ich den Vorarbeiter. "Natürlich", entgegnet er, "wir sind immer fertig geworden. Und wenn nicht, ist auch nicht so schlimm..." Als ich frage, warum es bei einer internationalen Milliardenmesse egal ist, ob man fertig wird, sagt er ganz lapidar: "Was nicht fertig ist, erklären wir zur Kunst."
Er weist auf eine Wand, die ursprünglich einen orangen Farbton hatte, die Farbe allerdings abgeblättert, spröde, verblasst. Deshalb haben Maler damit angefangen, die Wand neu in einem hellen, aggressiven Blau zu streichen. Sollten sie vor der ART BASEL nicht fertig werden, könnte man das Ganze zum Kunstwerk machen.
"Rothko, nich?", sage ich zum Polier. "Ja", spricht er, "sollten wir das nich vollenden, ist das BLUE OVER ORANGE."
Hier könnte Mehdorn vielleicht etwas lernen: Wenn der Flughafen auch 2015 nicht vorankommt, dann muss man eine harte Entscheidung treffen. Die Eröffnung wird angesetzt, alles, was noch sehr komisch aussieht, wird zur "Kunst am Bau" erklärt. Hängende Kabel? Sind eine Installation. Fehlende Lüftungen? Sind ein Happening. Mauern ohne Putz? Sind elementare Struktur.
Der Berliner Grossflughafen wird nämlich
auch 2014 nicht fertig, aber der Chef hat für 2015 einen sicheren
Eröffnungstermin angekündigt. Das kommt einem so vor, wie wenn Papa oder Mama
dem Sprössling sagen, sie werden das Velo jetzt garantiert bis zu den Sommerferien
repariert haben, nachdem sie es garantiert bis Ostern, garantiert bis Auffahrt
und dann garantiert bis Pfingsten machen wollten. Das kommt einem so vor, wie
wenn das Amt einem zusichert, dass das Dokument jetzt spätestens bis 3.7. bei
einem sein wird, man hat die gleichen Briefe mit 3.4., 3.5. und 3.6. an der
Pinnwand.
Nein, Herr Mehdorn, setzen Sie doch nun
einfach einen Termin fest und halten den ein: Der Flughafen muss nicht fertig
gebaut sein. Wie oben gezeigt, wird die Hälfte aller Mängel zur Kunst erklärt,
und über Kunst kann man ja nicht streiten, die andere Hälfte wird mit
Spontanität, Charme und Improvisation überbrückt, so wie es jetzt die
Brasilianer machen.
Der Rasen ist nicht grün? Gar nicht grün,
sondern vertrocknet, vergilbt und bräunlich? Kein schöner Rasen also, um die
besten Fussballteams der Welt darauf spielen zu lassen. Hier hilft ein wenig
Farbe. Im Ernst, die spritzen den Boden einfach mit grasgrüner Dispersion und
alles sieht wieder schön und frisch aus. Auch das Wort Sitzplatz wird hier sehr frei und frank ausgelegt. Der normale
Mensch erwartet ja, wenn er einen Sitzplatz
bucht, vor allem einen Sitzplatz,
der ihn 500.- kostet, irgendwie etwas mit Sitzfläche, Sitzschale, etwas mit
Lehne und vielleicht sogar Polster, irgendetwas, was entfernt nach Stuhl
aussieht. Die Brasilis deuten hier einfach um: Ein Sitzplatz ist ein Platz zum
Sitzen und fertig, das kann auch eine Betontreppenstufe sein. Da der anständige
Fan sowieso die meiste Zeit steht, oder das Spiel ihn förmlich von den Sitzen
reisst, d.h. von der Treppe reisst, fällt das eh nicht auf.
Merken Sie was, Herr Mehdorn? Sie können
also ruhig im Januar aufmachen. Liebreizende Hostessen und Boys werden die
Fluggäste an die Check-ins bringen und niemand wird auffallen, dass die
Infotafeln noch nicht hängen. Statt der nicht vorhandenen Bodyscanner wird
Leibeskontrolle gemacht, und wenn die Kontrollierer genauso knackig, sportlich
und appetitlich sind wie die An-Die-Counter-Führer, wird sich auch niemand
beschweren. Spontanität und Charme übertrumpfen alles.
Die ART BASEL ist übrigens (natürlich)
fertig geworden, sogar die Wand ist inzwischen einfarbig und kein Rothko, die
herumstehenden Balken, Betonpfeiler und Eisenträger sind definitiv Kunst (sie
erscheinen im Katalog).
Auf den Flughafen Berlin-Brandenburg darf man
weiterhin gespannt sein
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