Donnerstag, 6. März 2014

Geräte nicht duzen!

In Holland gibt es im ÖV keine Fahrscheine mehr, sondern das Fahrgeld wird von einer Chipkarte abgebucht. Dabei zieht man das Kärtchen beim Einsteigen an einem Leser vorbei und der Automat nimmt einen Maximalbetrag, beim Aussteigen bzw. Auschecken wir der Rest wieder draufgebucht, und zwar zahlt man genau die Kilometer, die man gefahren ist. Der Vorgang hat den Sinn, dass man das Auschecken nicht vergisst. Insofern war ich an der Haltestelle Badhuiskade etwas nervös, als der Apparat nicht sofort ansprang. "Wat is er? Wat makt u? Waarom werkt u niet?"schrie ich ihn an. Alsobald funktionierte das Gerät und zeigte mir an, dass ich 1,34 Euro verfahren und noch 56,78 Euro Guthaben hätte. Prima, dachte ich die Maschinen im Königreich der Niederlande sind besser als bei uns. Dann bemerkte ich aber die Wortwahl: Ich hatte "u" gesagt, die Niederländische Höflichkeitsform, die Entsprechung zum deutschen "Sie". Apparate wollen scheinbar nicht geduzt, sie wollen gesiezt werden.
Sie finden das pervers, zu Maschinen zu sprechen?
Ach, kommen Sie, Sie reden auch ständig zu ihrem Auto, ihrem Laptop, ihrem Drucker, ihrem Kühlschrank, ihrer Mikrowelle. Und sie duzen sie.
Welche Gründe kann man haben, einen Apparat mit "du" anzusprechen? Gründe für das Duzen wären:
Sie sind unsere Sklaven.
Sie sind Kinder.
Sie sind unsere Freunde.

Alles trifft nicht zu.
Die Apparate sind nicht unsere Sklaven, sie sind unsere Herren. So wie Coronius zum Medicus rennen muss, wenn sein Dominus Flavius Fieber hat, aber Flavius umgekehrt den Medicus erst holt, wenn Coronius kurz vor dem Exitus steht, schliesslich hat der Sklave Geld gekostet, so tragen wir unseren Computer zum Reparieren, selbst mit 39° Fieber, aber unserem Laptop ist es sehr egal, ob wir krank sind. Wer bestimmt, was wir wann machen? Unser Computer und unser Handy sagen es uns. Wer bestimmt, wann wir ins Bett gehen? Unser Fernseher, selbst wenn er kaputt ist, Loriot hat es vorgemacht. ("Ich gehe nach den Spätnachrichten ins Bett") Wer bestimmt, was es zum und wann es Essen gibt? Kühlschrank und Mikrowelle. Nein, unsere Geräte sind nicht unsere Diener und sollten deshalb nicht geduzt werden.
Unsere Maschinen sind keine Kinder. Gut, sie haben oft Kinderkrankheiten, sie stecken manchmal in den Kinderschuhen, aber das trifft für Bügeleisen und Kühlschrank nicht zu. Wenn Geräte Kinder wären, würden sie spielen, spielen für sich und ganz in aller Ruhe vertieft. Haben Sie jemals erlebt, dass das Bügeleisen rauf und runter heizt und sich am Geblinke freut? Na also. Haben Sie jemals erlebt, dass der Eiskasten sich selber abtaut und das Wasser dann staut und Rinnsale fliessen lässt? Na bitte.
Und zu guter Letzt: Unsere Laptops, PCs, CD-Player und Drucker sind nicht unsere Freunde. Freunde, ich meine echte Freunde, gehen überall mit hin. Gut, meine Geräte tun das auch, aber sie streiken, wenn es keinen Strom gibt. Oder wenn es ein Funkloch hat. Wahre Freunde - so heisst es im entzückenden, wirklich tollen Kinderbuch Freunde von Helme Heine - träumen von einander. Hat mein Handy je von mir geträumt? Und wenn meine Geräte mit mir reden, siezen sie mich. Würden Freunde mich nicht duzen, "Bitte gib dein Passwort ein."? oder "Bitte lege einen Datenträger in Laufwerk D ein"?
Ich werde also in Zukunft zu meinen Apparaten auf eine professionelle Distanz gehen. Kein Duzen mehr, sondern wenn mein Drucker streikt, werden sie mich sagen hören: "Entschuldigung, das ist wohl ein Papierstau, ich muss kurz Ihr Hinterteil öffnen."

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