Freitag, 14. März 2014

Die ganze und die halbe Wahrheit oder 3 oder 27, Herr Hoeness?


„Mama, ich muss dir was beichten. Fräulein Wurmholz wird dich nachher anrufen…“, Kevin schluchzt und wischt sich mit dem Ärmel Rotz und Tränen aus dem Gesicht, „ich war frech.“ Die Mama blickt ihren Filius streng an und fragt, was er denn Böses gesagt habe. „Ich…“, erneuter Tränenschub, erneutes Ärmelwischen, „ich habe gesagt, Sie soll den Mund halten.“ Die Mutter streicht Kevin übers Haar und meint, so etwas dürfe man wirklich nicht sagen, aber es könne einem ja mal rausrutschen und sie werde das mit Fräulein Wurmholz klären. Etwas erstaunt vernimmt dann die Mama von der Klassenlehrerin die komplette Version: Wörtlich hat der Bub „Halt’s Maul, du dumme Fotze“ geschrien und zur Unterstreichung seiner Worte einen Stuhl  nach ihr geworfen, einen Stuhl, der sie doch empfindlich an der Schulter getroffen habe.
Der Zorn der Mutter ist episch, sogar epischer als er ohne Geständnis gewesen wäre. Schuldanzeigen sollten eben vollständig sein.
„Schatz, ich muss dir was beichten“, spricht zitternd die junge Ehefrau Bea und beichtet unter Tränen, dass sie nach der letzten Betriebsfeier vor einem halben Jahr, sie hätten alle schon viel zu viel getrunken gehabt und nicht mehr genau gewusst, wo oben und unten gewesen sei, sich mit dem Kollegen Rudi in den Park verzogen hätte, und dort…auch Tränen über Tränen, Bea benutzt allerdings im Gegensatz zu Kevin Papiertaschentücher, dort hätten sie miteinander geschlafen. Robi, der junge Ehemann verzeiht grossmütig und wird vom gleichen epischen Zorn wie die Mama oben gepackt, als er von anderen erfährt, dass Bea und Kollege Max sich nach der Parkgeschichte noch ca. dreissigmal getroffen und auch im nüchternen Zustand den Freuden der Venus hingegeben haben, davon viermal in Max und Beas Ehebett – und Robi dachte noch, es riecht nach einem komischen Aftershave!
Schuldanzeigen sollten vollständig sein.
„Das Auto hat einen kleinen Kratzer.“ Er ist ca. 4 qm gross, ausserdem hat der Unterboden einen Riss und der Auspuff fehlt.
„Der Bericht wird nicht ganz vollständig sein.“ Er wird ausser Inhalt, Einleitung, Schlusswort gar nix enthalten, weil alle Unterlagen verschludert sind.
Wenn schon sagen, dann alles sagen, dann keine Teilbeichten.
Hunderte von Politikern sind mit solchen schon auf die Fresse gefallen.

Und so hat ein Münchner Gericht eben auch die Selbstanzeige über 3 Millionen nicht als schuldmindernd anerkannt, weil es halt nun eben 27 Millionen waren. Man kann sagen, hier wird um Kleinigkeiten gestritten, ob 3 oder 13 oder 27 oder 100, spielt das eine Rolle, wichtig ist doch die Ehrlichkeit, aber siehe oben, die 24 fehlenden Milliönchen sind wie die „Fotze“, wie der geworfene Stuhl, wie der Sex ohne Betriebsfeieralkohol im Ehebett, sind wie der fehlende Auspuff, es macht es fast schlimmer, dass man scheinheilig den Grossteil verschweigt.
„Eine ungültige  Selbstanzeige ist ungültig.“ So der Staatsanwalt – er scheint seine Gertrude Stein gelesen zu haben.

Wenn man aber gestern Radio gehört hat, konnte man einige „Stimmen von der Strasse“ vernehmen, die blankes Entsetzen ausdrückten (neben anderen, die meinten „recht so“). Das könne man nicht machen, so eine Frau, das sei furchtbar, eine andere, ein Mann fast tränenerstickt, der arme Uli täte ihm so leid. Jeder ist natürlich damit einverstanden, dass Selbstanzeigen vollständig sein sollten und Steuerhinterziehung strafbar ist – aber Gefängnis? Für einen Gott, einen Fussballgott, für jemand, der so viel Gutes getan hat? Für eine Ikone, deren Heiligsprechung kurz bevorstand? Für Hoeness, den Allmächtigen, Gnädigen, Weisen? Hoeness, der irgendwo zwischen Zoroaster, Gandhi und Karl dem Grossen zu suchen ist? Für Uli den Ersten, König von Bayern München und Fürst von eigenen Gnaden?
Vor dem Gesetz sind alle gleich, aber erst seit gestern wissen wir, dass das auch für Sportfunktionäre gilt.
„Er hat es doch zugegeben!“ Nein, gute Frau, nein, hat er eben nicht.
Kevin erhält übrigens zwei Wochen Taschengeldentzug und drei Tage Hausarrest. Er wird aber, wenn Papa heimkommt, sich diesem sofort weinend an die Brust werfen, Rotz und Wasser produzieren kann er ja, und Papa wird vielleicht, ganz vielleicht das Urteil aufheben, oder mildern…

Zum Glück gibt es ja die Zweitinstanz.

Und hier entpuppt sich nun Uli als heldenhaft, im Gegensatz  zur Memme Kevin. Er geht in den Knast. Dazu am Dienstag mehr.

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