Montag, 13. Januar 2014

Inning oder Gibt es heterosexuelle Kleiderverkäufer?


30sek:              Herr Stämpfli, Sie sind Gründer und Leiter der Selbsthilfe-Vereinigung „Heteromänner                           in schwulen Berufen“. Braucht es eine solche Arbeit?

Stämpfli:          Absolut. Heteros in sind in gewissen Umfeldern noch immer grossen Belastungen ausgesetzt. Ein Inning…

30sek:              Was ist ein Inning?

Stämpfli:          Das Gegenteil von Outing: Jemand gibt zu, dass er Hetero ist. Ein Inning also kostet  sehr viel Courage.

30sek:              Von welchen Berufen reden wir?

Stämpfli:          Coiffeur, Kosmetik, Spa und Wellness, Parfümerie, Modebranche und Kleider-Detailhandel, aber auch Innenarchitektur, Möbel- und Antiquitätenhandel, und natürlich das gesamte Feld Theater-Film-Kunst-Musik.

30sek:              Werbung?

Stämpfli:          Ja, natürlich, vor allem, wenn die Kunden aus den oben genannten Bereichen kommen.

30sek:              Der Schwule also als Garant für Schönheit, Eleganz und Stil?

Stämpfli:          Das ist dieses saublöde Klischee!!! Warum soll ein Mann, der auf Frauen steht, nicht einen Duft kreieren können? Warum soll er keine Frisur gestalten können? Warum soll ein Hetero nicht wissen, wo er ein Sofa hinstellen soll? Wenn Schwule jetzt auch Fussball spielen, dann können doch wir auch Gesichter schminken!!!

30sek:              Man merkt, Sie sind emotional dabei.

Stämpfli:          Absolut. Ich habe selber jahrelang still gelitten, bis ich mich traute, der Öffentlichkeit meine Partnerin vorzustellen.

30sek:              Sie sind Visagist…

Stämpfli:          Ja, heute mit eigenem Laden in der Zürcher Bahnhofstrasse, aber damals…

30sek:              Wann war das?

Stämpfli:          2002, da war ich noch angestellt.

30sek:              Wie hat ihr Chef reagiert?

Stämpfli:          Er hat mich rausgeschmissen, er meinte, die Kundinnen liessen sich doch nicht von einem normalen Macho übers Gesicht fahren, die wollten die Sicherheit, dass die Finger, die da über ihre Backen fahren, kein heterosexuelles Begehren ausloten. Und zu mir haben ja auch Kundinnen gesagt: „Ihr Schwulen habt so zarte Finger.“

30sek:              Wie sieht es in der Modebranche aus?

Stämpfli:          Wenn ein Hetero einer Kundin sagt, ihr stehe Grün, dann kauft sie ein rotes und ein gelbes Shirt, die ihr natürlich nicht stehen, und sagt dann, sie sei schlecht beraten worden. Wenn man ihr mit nasaler, affektierter Stimme sagt: „Schätzchen, in Grün siehst du phäänomenaal auss!“, dann kauft sie gleich drei grüne Blusen.

30sek:              Herr Stämpfli, wird das Outing von Fussballstars und Soldaten Ihnen nützen?

Stämpfli:          Absolut. Jede Art von Klischee, die beseitigt wird, ist gut. Und wenn man weiss, dass auch Schwule kampfbetonten Sport machen können, dann wird man bald checken, dass auch Heteros Stil und Geschmack haben können.

30sek:              Ihre Wünsche für die Zukunft?

Stämpfli:          Ich wünsche mir. Dass folgende Sätze bald der Vergangenheit angehören:
                          „Wenn du nicht schwul wärst, hättest du das Tor getroffen.“ Und:
                          „Ich habe mir jetzt eine Gruixtend gekauft, du weisst das nicht,                 
                           aber das ist eine Handtasche."

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