Montag, 6. Januar 2014

Das Spucken ist neu

Schon Sokrates klagte über die Schlechtigkeit und die üblen Manieren der Jugend. Sie habe keine Achtung mehr vor dem Alter, lärme auf der Strasse, grüsse nicht mehr beim Betreten des Raumes und habe miese Tischmanieren. Gut und schön.

Aber das Spucken ist neu.

Auch wir waren keine Engel, sind im Tram nicht aufgestanden, haben unsere Lehrer geärgert, haben zu viel getrunken und randaliert und waren politisch aufmüpfig. Auch wir haben unseren Eltern und Erziehern keine Freude gemacht.

Aber das Spucken ist neu.

Alles, was man bei der Jugend beklagen kann, ist nicht neu erfunden, alles war mehr oder weniger in der letzten Generation auch schon da.

Aber das Spucken ist neu.
Die Jugendlichen spucken auf den Boden.

Was bespucken sie da? Der Boden kann es ja nicht sein, bespucken sie die Gesellschaft, die Älteren, die Situation, den Staat, den anderen? Wen bespucken sie? Wen bespeien sie? Ist ihnen so spuckübel, so speiübel von all dem Müll, den sie anschauen und fressen müssen? Oder ist das Spucken vielleicht eher ein Spuken, spukt ihnen so viel im Kopfe herum, dem Kopf, den sie längst verloren haben, ob all dem Flimmern und Blinken und Gamen, ist das Ausspucken eher ein Ausspuken, wollen sie dem Spuk ein Ende machen?
Oder ist ihr Speicher einfach so voll, dass der Speichel herausrinnt, ist ihre Speicherkapazität bei 10000 Gigabite nun doch erschöpft, ist ihre Speicherkapazität, ihre Speichelkapazität am Ende, so dass nur noch das Spucken bleibt? Ist da das Facebook zum Facespuk geworden, dass man dem einfach ins Face spucken muss, ins Face, dass nur noch ein Fake bei 200 Megabite ist, das ist dann auch wirklich zum Speien.
Warum spucken sie? Wen bespucken sie? Der Boden kann es nicht sein, der Boden hat ihnen nichts getan, sie haben ihn vielleicht unter den Füssen verloren, aber das können sie dem Boden nicht vorwerfen, übrigens haben wir alle ein wenig den Boden unter den Füssen, den Beinen verloren, wir stehen nicht mehr gerade, wir schwanken und wanken von Twitter zu Google und  von Google zu Youtube, wir schwanken und werden schief, und dann kann der Speichel, die Spucke eben nicht mehr abfliessen, dann tropft sie auf den Boden und macht hässliche Flecke. Der Boden ist aber nun auch schon längst nicht mehr unbefleckt, was haben wir ihm alles zugemutet, wie viele Stiefel und Tritte, wie viel Spuk ist über ihn gepoltert, vielleicht kommt es da auf ein bisschen Spucke nicht mehr an.
Vor wem spuckt die Jugend aus? Vielleicht doch vor uns, den Alten, den Gesetzten, die die Gesetze erlassen und sich zur Ruhe gesetzt haben, die den Boden ruiniert und dem Spuk keine Grenzen gesetzt haben. Die, die ihnen den Boden unter den Füssen weggezogen haben und ihnen dann vorwerfen, dass er dort nicht mehr ist.
Und so steht Vorwurf gegen Auswurf. Wir werfen vor und die Jugend wirft aus. Sie wirft Speichel aus statt die DVDs und CDs und Games und Datenträger auszuwerfen. Und wir werfen vor, werfen Knüppel zwischen die Beine und Bemerkungen in die Runde.

Die Jugend spuckt auf den Boden. Vielleicht sollten wir sie lassen. Oder mitspucken.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen