Bei einer Opernpremiere kam ich mit einem Kommunalpolitiker
ins Gespräch. Wir standen mit Blubberalkohol
an der Bar im Foyer, ich im Sakko, er im Armani und er lauschte meinen
Ausführungen über die Vorgeschichte der „Elektra“.
Nach einer Weile fiel
mir auf, dass der gute Mann mir nicht seine ganze Aufmerksamkeit widmete: Immer
wieder blitzten seine Augen und er drehte sich nach diesem oder jenen um, da
waren Hände zu winken oder zu schütteln, ein Kopfnicken, ein kurzer Gruss.
Bedauernd meinte ich, dass es schon ganz schön stressig sei, auch beim
Privatleben so beschäftigt zu sein. Ach was, entgegnete er, das sei wichtig. Er
müsse ja gesehen werden, hier gehe es um wichtige Leute, um Wähler, aber auch
Lobbyisten, und schliesslich sei es auch wichtig, dass man ihn bei einer kulturellen Veranstaltung sehe, er
bleibe damit als kulturell interessierter
Mensch im Gedächtnis haften, und kulturell
interessierte würden eher gewählt. Im Grunde, so der Politiker, sei nichts,
was er tue, privat, er sei eben ein öffentlicher Mensch, und er sei es gerne. Der gleiche Politiker, nennen wir ihn mal Heinz Schmidt und nennen wir die Stadt Bobenhausen, wurde zwei Wochen später bei einer SM-Party fotografiert. Dummerweise gerieten die Fotos in Umlauf. Sie waren nicht schlimm, aber nicht gerade das, was man auf der Kinderseite zeigen würde: Schmidt in Tanga und Handschellen, Schmidts Begleiterin mit Reitgerte und ähnliche Bilder. Schmidt wetterte daraufhin bei einem Interview mit dem Bobenhausener Anzeiger los, dass es eine Frechheit sei, in seiner Privatsphäre zu schnüffeln, niemand gehe es etwas an, was er in seiner Freizeit tue. Er könne – solange er sich an die gültigen Gesetze halte – anziehen, was er wolle, er könne auch ausziehen, was und WEN er wolle, er sei irgendwelchen Moralaposteln in seinem Schlafzimmer keine Rechenschaft schuldig. (Komische Aussage, die Party fand ja nicht in seinem Schlafzimmer, sondern in der BIZARRBAR statt). Sein Körper sei sein Privateigentum und nicht das des Bobenhausener Rathauses.
Merken Sie was? Die Öffentlichkeit, die die Politicks so sehr brauchen, die sie hätscheln und pflegen, die sie füttern mit Bayreuth-Besuchen, Sportereignissen und Gottesdiensten, an denen man teilgenommen hat, ist auf einmal widerlich, wenn sie Dinge an den Tag zerrt, die man lieber nicht zeigen will. Und es ist eben dann NICHT privat, wenn ein Freysinger eine Reichskriegsflagge in seinem Zimmer hängen hat. Er muss sich dann halt der Sache stellen und erklären, was es damit auf sich hat. Auf das „Private“ kann sich die Politik nicht mehr zurückziehen, dazu turnt sie zu viel in der Öffentlichkeit herum.
Machen Sie einmal den Versuch und begrüssen die Zuhörer eines Konzertes ihres Kinderchores mit folgenden Worten: „Ich begrüsse die Eltern und die Jugendmusikschulleitung, ich begrüsse keine Kommunal- oder Kreispolitiker, sie sind privat hier, weil ihre Kinder mitsingen.“ Da werden ein paar beleidigt sein, und gerade vor Wahlen wimmelt es von denen. Wenn dann aber einer anruft und die Immer-im-Dienst-Masche fährt, schiessen Sie zurück: Oh, dann darf man auch wissen, dass Sie neulich im Nebenzimmer des Hirschen das Horst-Wessel-Lied angestimmt haben? Oh, dann dürfen unsere Leser sicher auch erfahren, dass bei Ihnen im Wohnzimmer eine Karte mit den Marinestützpunkten von 1916 hängt? Nein, DAS ist dann wieder privat.
Also, liebe National-, Bundes-, Gross-, Landräte, entscheidet euch: Seid ihr ausserhalb des Sitzungsgebäudes Privatmenschen oder nicht? Aber dann komplett.
Wirklich den Vogel hatte ja damals Helmut Kohl abgeschossen, als er bei der Beisetzung Friedrich des Zweiten in Potsdam war. Wir erinnern uns: Der Preussenkönig war endlich heim in die Gruft seiner Residenzstadt gekommen. Man wollte eigentlich keine politische Aktion daraus machen, daher nahm Kohl ALS PRIVATMANN teil.
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