Freitag, 27. Juli 2012

Ein Schelm, der Arges?


Mädels, macht’s euch selber! Die Reklame für einen neuen Fernsehsender mit Frauenfilmen (was das auch immer sein mag!?) leuchtet von der Haltestelle in die Strassenbahn und die Schulklasse vor mir kommt aus dem Kreischen nicht heraus. „Seid doch mal still!“, herrscht die Lehrerin sie an und schüttelt dann den Kopf über ihre Jungs und Mädchen, die so pubertär denken.
Die Erdbeere danach lese ich bei BURGER KING (Nachtischwerbung) und mein Gehirn fängt an zu rattern: Erdbeere danach, das klingt ja wie Zigarette danach, dabei ist die Erdbeere ja ein Aphrodisiakum, auch wegen ihrer Form, die Schwaben nennen sie Breschdleng (Brüstling), müsste es nicht die Erdbeere davor… Und auch ich schüttele den Kopf über mich selber.
Sind wir alle versaut? Nein, die Werbung lenkt ja unsere Gedanken in bestimmte Richtungen. Man gibt uns mögliche Assoziationen auf dem Silbertablett und mokiert sich dann über alle Massen, dass wir zugreifen. Ein Schelm, wer Arges dabei denkt  hiess es früher, wobei auch dieser Spruch ja erst erwähnte, dass es eine weitere, nicht ganz stubenreine Lesart gibt.
Wer Zweideutigkeit vermeiden möchte, soll sich eindeutig ausdrücken. Wer Zweideutigkeit intendiert, soll mich nicht schief angucken.
Ein Blick in die Hirnforschung belegt das: Unser so genanntes mentales Lexikon speichert nicht nur Wörter, sondern auch Phrasen, also alle möglichen Kombinationen von Vokabeln. Wenn man also mit einem Knabenchor ein Spiritual über das Paradies singt, dessen Refrain I wanna meet my mother lautet, muss man sich nicht wundern, wenn die hinteren Reihen anfangen zu grölen.
Es geht aber noch weiter: Beim Lesen von jedem Wort werden Wörter mit dem gleichen Anfang zunächst mit aufgerufen und bleiben aktiviert („geprimt“). Wenn Sie also  Peter schrubbt penibel und pedantisch seinen Wagen lesen und ihnen ein bestimmter Körperteil in den Sinn gekommen ist, sind sie weder versaut, noch pubertär, noch pervers, Sie sind schlicht und einfach normal. 
Es müsste also heissen: Ein Schelm, der Arges dabei denkt (also jeder), ein Hirnkranker, der nichts Arges dabei denkt. Übrigens macht die Werbung sich genau das zunutze, und die Publikationen der Hirnforschung werden nirgendwo so eifrig studiert wie in den Werbeagenturen dieser Welt.
Man erinnere sich auch an das Experiment, bei dem Kinozuschauern unbewusst Einzelbilder von einem Erfrischungsgetränk gezeigt wurden und sie in der Pause genau zu diesen Flaschen griffen.
Die Schulklasse ist immer noch am Kreischen, und nun beginnt es mich auch zu stören. Aber das ist vielleicht der Unterschied zwischen reif und unreif: Der Erwachsene sieht die Zweideutigkeit und übergeht sie, der Jugendliche muss sie um jeden Preis ausschlachten. Allerdings gibt es manchmal auch für mich nichts Schöneres als eine halbe Stunde lang über irgendeinen Spruch abzugrölen, nur vielleicht über witzigere als Mädels, macht’s euch selber!




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