Montag, 23. Juli 2012

Beethoven und das Grundeinkommen


Erinnern Sie sich eigentlich noch an Jens Bode? Ja, genau der mit Fontane und dem Kühlschrank. Jens entspricht genau dem Klischee des sich aus den Niederungen emporkämpfenden Boheme-Künstlers. Er arbeitet acht Stunden in dem Café, in dem ich ihn traf, dann schläft er zwei Stunden, schreibt die ganze Nacht, schläft noch einmal kurz und stellt morgens wieder Croissants auf die Tische. In zwanzig Jahren wird er berühmt sein, Geld haben und sich mit Vergnügen und Wehmut an seine wilde Zeit zurückerinnern. Das ist natürlich Quatsch. In zwanzig Jahren hat Jens das Schreiben aufgegeben, weil er mit vierzig einfach mehr Ruhe braucht, oder er lebt gar nicht mehr: Schlafmangel, Stress, Überarbeitung, 60 Tassen Espresso und zwei Päckchen Gauloise werden ihren Tribut gefordert haben. Jens bräuchte eine Geldquelle, die ihm das literarische Arbeiten ermöglicht, zumal dies ja nicht nur Schreiben bedeutet, sondern auch Korrespondenz, Recherche und die Lesereisen, für die bislang sein gesamter Urlaub draufgeht.
Die meisten Künstler hatten übrigens so eine Geldquelle, ganz gegen das Klischee. Nein, ich glaube nicht, dass es Jens lähmen würde. Kommen Sie jetzt bitte nicht mit der Sibelius-Keule! Der gute Jean bekam nämlich vom Staat ein Haus am See geschenkt und eine lebenslängliche Rente, daraufhin setzte er sich ans Wasser, schrieb keinen Ton mehr und soff nur noch. Das zeigt aber doch nicht, dass Staatsrenten die Produktivität lähmen, es zeigt, dass Staatsrenten nichts für schwerste Alkoholiker sind. In den meisten Fällen machten gesicherte Verhältnisse erst Kunst möglich.
Die einen hatten Gönner, Mäzene, Fürsten, Könige und Fanclubs, die sie unterstützten, Tchaikowski seine Frau von Meck, und Beethoven hatte jahrelang so sehr über Wien gemeckert, dass man ihm eine jährliche Summe nur fürs Dableiben zahlte. (Man stelle sich vor, wie viel manche Schweizer für das Weggehen von Frisch und Dürrenmatt gezahlt hätten.)
Andere waren einfach reich. Mit der Finanzkraft eines Pharmariesen im Rücken könnte so manch einer melodisch herumsüsseln wie der gute (Rhone-)Poulenc.
Manch einer hatte auch einfach einen Job, bei dem man nicht so genau hinsah. Wenn in Cleversulzbach im Pfarrhaus nachts noch spät das Licht brannte, sagten die Dörfler: „Bfarrer Meerige schreybt a seyner Brädigt.“ Dabei schrieb der gute Eduard Gedichte!
Hatten sie nicht alle, jetzt müssen wir das hässliche Wort doch in den Mund nehmen, ein bedingungsloses Grundeinkommen?... 
 Na, das geht aber doch zu weit! Das kann man doch nicht vergleichen! Das würde ja bedeuten, dass alle Menschen begabt sind, alle ein kreatives Potential haben, alle Ideen hätten, alle irgendetwas können. Nein, es gibt Menschen, die einfach nichts sind und können, die sollen weiterhin Hartz IV bekommen, und es gibt künstlerische Menschen, die kriegen ein Stipendium.
Und Jens? Der wäre eigentlich ein Fall für das Grundeinkommen, er hat sich auch schon für Stipendien interessiert, nur liegen die 80seitigen Anträge immer noch auf seinem Schreibtisch, er kommt schlicht und einfach nicht dazu.  

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