Der Gute ist jeden Tag im Hallenbad, mal am Morgen, mal am Mittag und mal (leider) zur Stosszeit um 17.00.
Er ist ca. 75 Jahre alt und klapperdürr mit langen Armen und Beinen (daher auch der Name «Spinnenmann»).
Das Besondere an ihm ist, dass er mit voller Wucht schwimmt, aber kaum einen Meter vorankommt. Er stösst seine Arme mit Kraft, und er bewegt seine Beine mit Kraft, mit viel Kraft, mit äusserster Kraft, mit extremer Kraft, aber alle seine Bewegungen gegen nach unten, vertikal, sodass der Zugewinn an Strecke praktisch gleich null ist. Er braucht für die Länge von 25 Metern – ungelogen! – 5 Minuten.
Jeder in B. kennt ihn: Den Hallenbad-Spinnenmann. Den schwimmenden Nichtschwimmer. Den Stehschwimmer. Den Tiefgraber. Den meistverhassten Besucher des Hallenbades in B.
Es gibt laufend Beschwerden über ihn, denn er ist wirklich im Weg. Vor allem natürlich zu Zeiten, an denen das Bad voll ist – wie eben zwischen 17.00 und 18.00, wenn alle Bürogummis und Sachbearbeiter, wenn alle Versicherungsangestellten und alle Sekretäre aus den Offices strömen, um ihren Feierabend mit einem erholsamen Schwimmen einzuläuten.
Aber was kann man ihm sagen? Kann man ihm Hausverbot erteilen? Ihm bestimmte Zeiten zuteilen? Was soll der Bademeister sagen und machen? Die Schwierigkeit ist, dass der Spinnenmann seiner Meinung nach das tut, was man in einem Schwimmbad tun darf: Schwimmen. Nach der Meinung der anderen tut er eben das nicht. Natürlich darf man langsam schwimmen, aber wie langsam ist es noch «Schwimmen» und wann ist es «Stehen im Wasser»?
(Wikipedia, sonst so hilfreich, drückt sich um eine klare Definition…)
Jeder in B. kennt ihn: Den Hallenbad-Spinnenmann. Den schwimmenden Nichtschwimmer. Den Stehschwimmer. Den Tiefgraber. Den meistverhassten Besucher des Hallenbades in B. Das klapperdürre Männlein.
Vielleicht aber tun wir dem Manne unrecht.
Vielleicht ist das, was er macht, gar kein Sport, sondern eine Performance.
Seine sinnlose und ineffektive Kraftanstrengung symbolisiert ja in einer unglaublichen Weise viele Aspekte aus Gesellschaft und Politik:
Vielleicht will er die deutsche Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft darstellen, die sich abstrampelt und abmüht, die Geld in die Hand nimmt und Reformen beschliesst, die ackert und sich streitet und nochmal ackert und sich nochmal streitet und einfach nicht vom Fleck kommt.
Vielleicht will er die Klimakonferenzen darstellen, die in regelmässigen Abständen stattfinden und einen immensen Aufwand betreiben, nur um dann wieder festzustellen, dass man nicht vom Fleck gekommen ist.
Vielleicht will er die Kriegsgegner in der Welt symbolisieren, die Kriegsgegner, die nach 3 Jahren Kampf sich endlich an einen Verhandlungstisch setzen, um dann in 8 Wochen einen Waffenstillstand auszuhandeln, einen Waffenstillstand, der dann nach 24 Stunden schon wieder gebrochen wird.
Vielleicht…
Vielleicht…
Vielleicht…
Auf jeden Fall könnte der Mann ein Performer sein, ein Mensch in der Nachfolge Abramovics, Yoko Onos oder Nam June Paiks.
Jeder in B. kennt ihn: Den Hallenbad-Spinnenmann. Den schwimmenden Nichtschwimmer. Den Stehschwimmer. Den Tiefgraber.
Es gibt laufend Beschwerden über ihn, denn er ist wirklich im Weg.
Aber lasst ihn in Ruhe!
Der Mann ist Künstler.
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