Freitag, 21. November 2025

Klima-Idee: Kein Reisen ohne Heimatkenntnis


Ich war neulich in Sankt Urban. St. Urban ist eine wundervolle barocke Klosteranlage mit einem weltkulturerbeverdächtigen Chorgestühl. Es war einer der letzten Abende des goldenen Oktobers, wir spazierten in der untergehenden Sonne, die das Gebäude in den herrlichsten Farben erstrahlen liess. Einfach klasse.
Ich war noch nie in St. Urban gewesen.

Dabei liegt St. Urban zwar im Kanton Luzern, aber ganz, ganz, ganz im Norden und ist mit einem Bähnlein in 10 Minuten von Langenthal zu erreichen. Langenthal wiederum ist praktisch neben Olten und Olten ist keine halbe Stunde von Basel entfernt. Also in einem Satz: Das ist nicht weit.

Meine Patentante Pauline («Päule») – Gott habe sie selig – hätte dafür kein Verständnis gehabt. Sie war praktisch nie aus ihrem Dorf in der Zollernalb herausgekommen, ein paar Mal Stuttgart bei uns und einmal Paris mit dem Kirchenchor ausgenommen («Was soll ich woanders? Hier ist es am schönsten!»), aber die Dinge der Umgebung kannte sie.

Sie war nie in den Barockkirchen in Oberösterreich oder in Rom, aber die Wallfahrtskirche St. Anna in Haigerloch, immerhin doch auch eines der schönsten deutschen Barockmonumente, die kannte sie in- und auswendig.
Sie war nie in Potsdam und kannte Sanssouci nicht, wohl aber die Stammburg der Hohenzollern, schliesslich gibt die imposante Anlage dem Kreis um Balingen ja den Namen.
Sie hat nie den Schäfern auf Kreta oder in den Highlands, nie den Schafhütern in Syrien oder Palästina zugeschaut oder sie beobachtet, warum auch, Schäfer bevölkerten früher auch die Schwäbische Alb. (Und gaben ihr ihr typisches Aussehen, denn die Schafe verschmähten den ultralangsamwachsenden Wacholder, frassen aber das Gras drum herum…)

Warum reisen wir immer in Ferne? In die Ferne, um dann dort das toll zu finden, was wir daheim vor der Nase haben?
Meine Jungs sind auf jeder Tournee hin und weg von Tropfsteinhöhlen, von den Stalagmiten und Stalaktiten, sie staunen und staunen, aber KEINER von ihnen war je in der Erdmannshöhle – und die liegt in Schopfheim, also nur einen Katzensprung von Basel entfernt (wenn auch im Ausland).

Warum in die Ferne schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.

So schreibt der Geheimrat – nein, schreibt er nicht, bei Goethe heisst es in Wirklichkeit:

Willst Du immer weiter schweifen?
Sieh, das Gute liegt so nah.
Lerne nur das Glück ergreifen,
Denn das Glück ist immer da.

Aber macht nix. Stimmen tut es doch.
Denn nur, wenn man das Nahe kennt, dann merkt man den Unterschied, natürlich gibt es Berge und Schluchten in Übersee und Flüsse und Vulkane, gibt es dort Wüsten und Steppen, die wirklich einmalig sind, aber diese Einmaligkeit sieht man ja nur, wenn man es mit dem daheim vergleichen kann.

Daraus entwickle ich nun eine Forderung, eine Forderung, die alle Klimaprobleme beendet und allen CO2-Ausstoss gegen Null wandern lässt:

KEIN MENSCH DARF MEHR REISEN, DER SEINE NÄCHSTE UMGEBUNG NICHT EINGEHEND BESUCHT UND ERKUNDET HAT. DIESE KENNTNIS WIRD BEI JEDEM TICKETKAUF ÜBERPRÜFT.

Sie wollen ins Disneyland, stammen aber aus Karlsruhe? Dann zeigen Sie bitte, dass Sie den Europa-Park mindestens 10x besucht haben, dann bekommen Sie einen Flug.
Sie wollen ins MoMa, um dort Warhol und Lichtenstein und Pollock und Rothko anzugucken? Weisen Sie nach, dass Sie alle Post-war-Bilder im Umkreis von 100 Kilometern gesehen haben (die meisten Museen haben ein Bild dieser Meister).
Sie wollen einen Canyon in Thailand? Erst einmal in die Wutachschlucht. Oder in die Via Mala, oder an die Teufelsbrücke.

Ich war neulich in Sankt Urban. St. Urban ist eine wundervolle barocke Klosteranlage mit einem weltkulturerbeverdächtigen Chorgestühl. Es war einer der letzten Abende des goldenen Oktobers, wir spazierten in der untergehenden Sonne, die das Gebäude in den herrlichsten Farben erstrahlen liess. Einfach klasse.

Und es gibt noch viel, viel, viel, viel in der Nähe zu sehen.



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen