Man kann gar nicht sagen, was man gegen sie hatte, sie waren nicht fies oder gemein oder hässlich, sie stanken nicht oder waren zerlumpt, sie hatten keine ansteckende Krankheit und keinen Makel, sie waren einfach «uncool». Sie blieben auch uncool, wenn sie sich um «Coolness» bemühten, ja dann war es fast umso schlimmer, denn ihre Jeans waren dann eben genau nicht die richtigen, ihre Deos rochen falsch und sie hörten genau die falschen Lieder: Hatten Sie gehört, dass Reggae cool ist, dann kamen sie mit «Sunshine Reggae», einem Song, der jedem echten Marley-Fan den Zorn ins Gesicht trieb…
Aber dann gab es Zeiten, da wurden aus den Mauerblümchen, aus den uncoolen Typen, da wurden aus den Opfern und Klassenärschen die Stars.
Die Helden.
Die Grössten.
Die Supermen und Superwomen.
Die Ritter der Galaxis.
Das war, wenn sie irgendetwas hatten, was alle wollten. Dann konnten sie sich vor Freundinnen und Freunden kaum retten.
Olav zum Beispiel wurde zum beliebtesten Schüler, wenn Herbstmesse war, denn dann kam der Cousin seines Patenonkels, der eine Bahn betrieb, die «Hollabullabolla», so ein wildes Fahrteil, wo man ECHT herumgeschleudert wurde. Und Olav bekam immer ca. 50 Freichips.
Marions Vater arbeitete immer wieder in Paris und brachte von dort Schminksachen mit – und zwar Schminksachen, die man im heimischen Warenhaus einfach nicht bekam (und Internet gab es ja noch nicht). Und immer, wenn Marion mit Rouge, Eyeliner, Mascara, Lipgloss und Puder in die Schule kam, dann war sie umringt von Girls, die angeblich alle ihre beste Freundin waren.
Und Peter wurde zum Disco-Helden, zum Travolta der Kleinstadt, er wurde zum Partyhengst, er wurde zum Coolsten, als das «Zibo» aufmachte und Mani, sein Nachbar als Türsteher anfing. Nun brauchte man Peter, denn er konnte Mani überzeugen, bei den Ausweisen nicht so genau hinzugucken…
Schauen Sie, und in der Weltpolitik ist es genauso.
Frudu der Erste, selbsternannter Kaiser von Timborien, einem abgespaltenen Teil der «Südaustischen Republik», müsste eigentlich Probleme haben. Seit seinem Putsch im Jahre 2015 kämpft er um Anerkennung in der Weltgemeinschaft. Bislang umsonst, vergebens, niemand erkennt Timborien an, niemand hat dort eine Vertretung, niemand lässt eine timborische Botschaft ins Land, ja, es wird mit Frudu nicht einmal geredet. Die einzigen Organisationen, die Timborien ihre Aufmerksamkeit widmen, sind NGOs, und zwar solche, die sich mit Menschenrechten auseinandersetzen. Amnesty International zum Beispiel bereist immer wieder das Land, denn die Gefängnisse sind voll – wie gesagt, Frudu der Erste («der Grosse», wie er sich nennt) kam durch einen Putsch an die Macht.
Nun aber…
Nun aber…
Nun aber…
Nun aber haben timborische Ingenieure Eberhardium gefunden, ein Metall, das zu den seltenen Erden gehört und beim Bau des Quantencomputers (Nobelpreis 2025! Sie erinnern sich?) eine grosse Rolle spielen wird. Und zwar Eberhardium in einer relativ grossen Menge.
Und nun geht es Frudu, wie es Olav ging, ihm passiert das, was Marion passierte und sein Schicksal erinnert an Peters Schicksal:
Für den Januar 2026 hat sich eine Delegation aus Deutschland angekündigt, mit Macron hat er telefoniert und mit Trump tauscht er Nachrichten aus. Putin hat eine Mail geschrieben und die Inder, die Chinesen und Japaner werden schon in diesem Jahr zu Gast sein. Es gibt Baugesuche für 30 Botschaften und die Anerkennung Timboriens ist nur noch Formsache.
Dass die Gefängnisse immer noch voll sind, und dass gefoltert wird – wer will das so eng sehen.
So, nun muss ich enden für heute. Ich muss meinem Nachbar noch einen Blumenstrauss zum Geburtstag vorbeibringen.
Ein saublöder Typ.
Aber er sitzt in der Steuerverwaltung – ich werde nicht der einzige Gast sein.
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