Dienstag, 18. November 2025

Gedanken über Fussabtreter - der St. Martins-Fake


Wir haben uns einen neuen Fussabtreter zugelegt. Der alte war am Rand ausgerissen und zerfleddert, er besass nämlich einen Lederrand, der sich zerlegte, wenn man den Gegenstand horizontalen Spannungen aussetzte. Zum Beispiel, wenn man sich mit den Füssen darauf rieb. Und genau das ist es ja, wofür ein Fussabtreter gemacht wird. Also wieder genauso ein Fall, wo die Hersteller nix nachdenken, aber ich will nicht abschweifen.

Der neue Fussabtreter sollte nach unseren Wünschen in den Farben Blau, Schwarz oder Anthrazit gehalten sein, auf keinen Fall in Kackbraun wie der alte. Und auf keinen Fall sollten auf ihm Worte wie
WILLKOMMEN
WELCOME
TRAUTES HEIM GLÜCK ALLEIN
HOME SWEET HOME
stehen, eine solche Fussmatte steht in der gleichen Reihe wie ein Katzenbaum, eine Macramé-Eule, wie ein Holzlättlein-Windspiel und zehn kleine Blumentöpfe mit Usambaraveilchen, nun können ein Katzenbaum, eine Macramé-Eule, wie ein Holzlättlein-Windspiel und zehn kleine Blumentöpfe mit Usambaraveilchen eine gewisse Nostalgie und ein gewisses Kindheitsgefühl auslösen, man würde aber doch darauf verzichten wollen…

Wir schauten nun in MANIFESTUM®, den Katalog für links-intellektuelle Menschen mit hohem Monatseinkommen, also Rundfunkmitarbeiter, Zeitungsredakteure, Museumskuratoren und Dramaturgen, MANIFESTUM® hatte tatsächlich einen Fussabtreter im Angebot, ein wunderschönes Ding in Schwarzgrau, handgewebt aus der Wolle von nordiberischen Ur-Schafen, bio, vegan und unbehandelt, aber den stolzen Preis von 599,99 konnten wir im Moment nicht aufbringen.

Also erstanden wir ein dunkelblaues Exemplar im MUJOB® – für 6 Franken, auch sehr schön und sehr gediegen.

Wir hatten uns nun einen neuen Fussabtreter zugelegt. Der alte war, wie Sie wissen, am Rand ausgerissen und zerfleddert, er besass nämlich einen Lederrand, der sich zerlegte, wenn man sich mit den Füsslein darauf rieb. (Und genau das ist es ja, wofür ein Fussabtreter gemacht wird.)

Es ging nun darum, die alte Fussmatte möglichst elegant und sauber zu entsorgen. Nicht lag näher, als sie zu zerschneiden und die kleinen Einzelteile in den Mülleimer zu tun. Ich schnappte mir nun ein Japanmesser und ging an die Arbeit.

Der schwierigste Schnitt ist in diesem Fall der erste. Nein, der schwierigste Schnitt ist immer der erste – und der tiefste, sang ja schon Cat:

The first cut is the deepest
Baby, I know the first cut is the deepest

Aber nicht abschweifen, der erste Schnitt muss so gesetzt werden, dass er die Unterlage (hier meinen Balkontisch) nicht zerkratzt. Ab der zweiten Zerteilung kann man nämlich die Hälfte der Matte auf der anderen schneiden. Ich hob also den Fussabtreter ein bisschen in die Luft und schnitt so mit Japanmesser hinein.

Und während ich so kämpfte, kamen mir Gedanken. Ich dachte daran, dass wir ja Mitte November haben, und ich dachte daran, dass es wahrscheinlich unmöglich wäre, die Matte zu zerteilen, wenn man sie komplett in der Luft hält, und ich dachte daran, dass es ganz schwer wäre, wenn das Textil leichter und das Messer grösser wäre.

Sie ahnen, worauf ich hinauswill?
Der gute Heilige kann unmöglich diesen Mantel mit dem Schwert so zerteilt haben, wie es auf den Abbildungen dargestellt wird. Wahrscheinlich hat er ihn an der Naht zerteilt, denn normalerweise waren die Mäntel zusammengenäht. Ja, natürlich, da ist die «Lasst-uns-diesen-nicht-zerteilen-Geschichte», aber es ist ja so, dass der Mantel Jesu eine AUSNAHME war…
Die Martinsgeschichte ist also ein Fake, aber das macht nix, sie war auf jeden Fall ein gutes PR.

So.
Jetzt muss ich los, ich brauche immer ein wenig länger.
Weil ich immer noch 10 Minuten vor der Wohnungstüre stehenbleibe und mich über meinen neuen Fussabtreter freue.

























 

 

 

 

 

 

 

 

   

 

 

 

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