Freitag, 24. Januar 2025

Kleinbasler Zeitung "auch fürs Grossbasel"?

«Du hast doch so viele Ideen, schreibe doch öfters», rät mir mein Kumpel Piet, als wir im Café Georg bei einem Tee und einem Mohnkrapfen zusammensitzen, «schreibe doch mehr, du könntest doch auch drei- oder viermal in der Woche etwas schreiben.» «Und wie soll das gehen?», frage ich, während ich einen grossen Schluck nehme, «das Ding heisst ja nun einmal Dienstag-Freitag-Glosse und das impliziert nun doch, dass es ZWEIMAL in der Woche erscheint.» «Na», schmunzelt Piet und er hat auch schon eine Lösung:
DIENSTAG-FREITAG-GLOSSE – JETZT AUCH AM MITTWOCH UND AM SONNTAG.
Ich verschlucke mich an meinem Mohnkrapfen und Piet muss den Heimlich-Griff anwenden, damit ich nicht im Café Georg mein Leben beende und dann weder am Dienstag, noch am Mittwoch, weder am Freitag noch am Sonntag mehr schreibe.
(Kleine Randbemerkung: Der Heimlich-Griff heisst nicht so, weil er heimlich angewendet wird, sondern weil ihn der amerikanische Arzt Henry J. Heimlich 1974 beschrieben hat.)

Auf dem Heimweg denke ich an «Millionär», das zweite Buch von Tommy Jaud – ja, ich lese auch solche Sachen, wie jeder Mensch, ich gebe es aber (im Gegensatz zu den meisten) zu – in dem der Protagonist, arbeits- und freundlos wie er ist, sich jeden Morgen in ein Internetcafé begibt, um dort Hotlines und Callcenter anzurufen und sich über die Produkte zu beschweren. So sind die Salzstangen nicht salzig genug und die Chips kommen nicht aus der Packung und das Waschpulver ist zu gelb und die Zahnpasta zu weiss. Eines seiner liebsten Das-regt-mich-so-auf-Themen ist eine Saucenmischung speziell für Blumenkohl, auf der «jetzt auch für Broccoli» gedruckt steht. Er diskutiert eine geschlagene halbe Stunde mit der Mitarbeiterin, wie das sein kann.

Aber wie kann das eigentlich sein? Teilweise ist ja – wie bei der Glosse – die Einteilung schon im Namen, wird gross verkündet. Wenn dann der Zusatz «auch» kommt, wird es sehr, sehr schwachsinnig.
Werden die Apotheken irgendwann Zecken-Impfungen anbieten, die «auch gegen Arthrose, Diabetes, Demenz und Husten» helfen?
Werden wir Hämmer kaufen, die «auch als Zange, Schraubenzieher und Löffel» einsetzbar sind?
Wird der Berlin-Museumspass auch in Köln und die Munich-Card auch in Kaiserslautern einsetzbar sein?
Ich hoffe nicht.

Als ich aus dem Café Georg heimkomme, liegt in meinem Briefkasten eine Gratiszeitung:

KLEINBASLER ANZEIGER
Jetzt auch im Grossbasel
DR VOGEL GRYFF DANZT AM 27. 1.

Hier muss man nun kurz etwas erklären; ich habe vor meinem Umzug ins Kleinbasel vor fast genau 11 Jahren (10. 2. 2014) geschrieben:
Worte wie "drüben", "die andere Seite", "das andere Ufer", "jenseits" bezeichneten in der Menschheitsgeschichte schon die verschiedensten Dinge. Waren in der Antike und im Mittelalter die Sphäre gemeint, die ein Verstorbener - von Charon ans andere Ufer gebracht - erreichte, meinte man im 19. Jahrhundert Amerika, in das so viele auswanderten. Im 20. Jahrhundert kippte die Konnotation zugunsten von des Deutschlandteiles jenseits der Mauer, "Geh doch nach drüben!", dieser Satz klingt vielen Altlinken immer noch im Ohr. Das andere Ufer, von dem so mancher Mann und so manche Frau kommt, muss ich wohl nicht erwähnen. ICH WUSSTE NICHTS VON DEINENNNN UFFERRRRNNNN! so Nina Hagen in "Der Spinner".
Eine weitere Bedeutung kursiert in allen Städten, die eine richtige und eine falsche Seite ihres Flusses haben. Die richtige ist dabei eben die richtige und wird nicht extra genannt, die andere bekommt eine Bezeichnung. "Jenseits Kochens" sagen die Schwäbisch Haller, so als ob der Kocher ein Ort wäre. "Wenigenjena" heisst es an der Saale und "Trastevere" am Tiber. Im Rheinland nennt man alles, was auf der Ostseite liegt «Scheel Sick». In Basel heisst die falsche Seite Kleinbasel, exakter Glaibasel, und dorthin werde ich am 19.2. umziehen, ich werde ans andere Ufer gehen, nach drüben, ins Jenseits, in eine neue Welt.

Der Kleinbasler Anzeiger jetzt auch für uns auf der richtigen Seite?
Die Krone wird dem ganzen ja noch mit dem Hinweis auf den Vogel Gryff aufgesetzt. Denn dieser Anlass ist DER Anlass der anderen Rheinseite, bewusst und ganz dezidiert. Die drei «Ehrenzeichen» wandern durch die Gassen und tanzen, der «Wild Maa» und der «Leu» und eben der «Vogel Gryff», aber eben nur auf dem Claraplatz, in der Rosentalanlage, in der Rheingasse und auf dem Messeplatz. Der Wilde Mann kommt am Morgen über den Rhein, wobei er konsequent und beharrlich und bewusst und dezidiert dem Grossbasler Ufer seine hintere Seite entgegenstreckt.
Nein, ein «auch» ist hier Quatsch.

Ich beschliesse, das Wort AUCH in bestimmten Situationen aus meinem Wortschatz zu streichen.
Die Dienstag-Freitag-Glosse wird weiterhin an genau diesen Tagen erscheinen.
Die Blumenkohlsauce wird für Blumenkohl verwendet.
Und gegen Zecken nehme ich eine spezielle Impfung.
Und die Kleinbasler Zeitung soll da verteilt werden, wo sie hingehört: Im Glaibasel.

In diesem Sinne, bis am…

…Dienstag.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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