Dienstag, 21. Januar 2025
10 Kubikmeter Papiermüll
Als ich am Dienstag, den 14. Januar meinen Papiermüll rausstellte, hatte ich fast ein wenig ein schlechtes Gewissen.
Es hatte sich über die Weihnachts- und Neujahrstage doch einiges angesammelt, an Papier und Verpackung, ausserdem hatten wir ja neue Klolektüre bekommen – ich schrieb darüber – und die 50 alten Heftchen der Marken «Glückspost», «Schweizer Illustrierte» und «Gala» mussten weichen. Zu allem Überfluss hatten wir auch noch unsere Kaffeemaschine ausgetauscht, und obwohl das Maschinchen nur die Grösse eines Handmixers hat, war die Verpackung so dimensioniert, dass auch ein Sofa hineingepasst hätte.
Ich hatte also ein schlechtes Gewissen, als ich das am 14. hinaustat, schliesslich gibt es arme Menschen, die den ganzen Krempel in einen Müllwagen stopfen müssen. Gut, sie werden dafür bezahlt, das ist wenigstens ein Trost.
Am Mittwochmorgen dann staunte ich nicht schlecht: Der Haufen hatte sich in der Nacht verfünffacht. Meine Nachbarn, meine Mietmieter hatten noch einmal die vierfache Menge dazugestellt. Grob überschätzt ergab sich hier ein Volumen von 10 m3.
10 m3.
In Worten: Zehn Kubikmeter.
Für solch ein Volumen gibt es unter www.my-mulde.ch, www.your-mulde.de und www.our-mulde.at schon ganz respektable Metallmulden für Bauschutt und Altwaren zu mieten, also die Dinger, die man vor ein Abbruchhaus stellt und dann im fünften Stockwerk Sachen in so ein Rohr schmeisst.
Als ich vor ein paar Jahren vom Leonhardsberg in die Hammerstrasse zog, hatte mein Hausrat ein Ausmass von 25 Kubikmeter. Nur so als Vergleich.
Als ich dann um 14.00 heimkam, war der ganze Haufen tatsächlich weg. Am Platz, an dem der ganze Papp- und Papier- und Kartonkrempel gewesen war, glaubte ich einen strengen Geruch wahrzunehmen. Und tatsächlich:
Es roch nach Blut.
Es roch nach Schweiss.
Es roch nach Tränen.
Mein schlechtes Gewissen bezüglich der Abfuhrmenschen war also nicht ganz unbegründet gewesen.
Um 14.30 wollten wir zu unserem Coiffeur, dem Herrn Arush, einem reizenden Inder, der für unglaublich wenig Geld uns unglaublich schön wieder hinbekommt.
Arush befindet sich in Gundeldingen, jenem Quartier, das nicht weit von unserem, aber getrennt durch die Eisenbahnausfahrt des Bahnhofs von unserem liegt. Gundeldingen (oder das «Gundeli», wie die Basler sagen) hat eine andere PLZ, aber die gleiche Abfuhrzone. Nein, halt, das ist jetzt falsch, wir sind E und die sind F, die beiden Zonen haben aber die gleichen Termine. Wieso? Also, Sie fragen aber genau, gut: Immer am Mittwoch wird Papier abgeholt, Basel hat 8 Zonen, aber es gibt nicht 8 Mittwöche (sic!) im Monat.
Jetzt sind wir aber abgeschweift. Diesmal IHRE Schuld.
Wir waren also auf dem Weg ins Gundeli, über den Eisensteg, der vom Peter-Merian über die Gleise führt, zum Tellplatz, da sahen wir es schon: Das Trottoir war voll mit Pappe, Papier und Karton. Wir liefen also auf der Strasse, aber auch dort stellten sich uns wahre Barrikaden entgegen. Hätten wir einen Friedrich Hecker bei uns gehabt, oder einen Bakunin, oder auch ein Mitglied der Pariser Commune, er hätte sich sofort mit einer Flinte bewaffnet an eine solche Barrikade gesellt und scharf geschossen.
Wir brauchten also circa 60 Minuten Zeit, um zu unserem Friseur zu gelangen, für einen Weg, für den wir sonst 15 Minuten brauchen.
Bei Arush angekommen, fanden wir den gesamten Laden, inklusive Schaufenster und Türe, unter einem Berg von Pappe, Karton und Papier, unter einer Mauer von Verpackung und Vermüllung begraben. Ich rief Arush an, und er stammelte, er sei so dankbar, dass ich anriefe, er könne die Tür nicht mehr öffnen, alles sei verrammelt, die Tür ginge nur nach aussen auf, und…
Wir brauchten nur 20 Minuten, um unseren armen Coiffeur aus seiner misslichen Lage zu befreien.
Unsere Haarschnitte, sowie die Nassrasur meines Mannes bekamen wir gratis.
In all dem Papiermüll waren mir immer wieder die gleichen Namen aufgefallen, deren Assonanzen allerdings ich noch nie bemerkt hatte:
Amazon
Galaxus
Zalando
Haben Sie das schon bemerkt, wie viel «A» hier drin ist? Alle Versandhäuser haben zwei «A».
Amazon
Galaxus
Zalando
Wahrscheinlich ist das so, weil wir den Laut «Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaa» mit etwas Positivem, Schönem, mit etwas Herrlichem, Tollem verbinden. Von allen Vokalem regt scheinbar «A» am meisten zum Kaufen an.
Und hier kommt die Lösung für unser Müllproblem – denn dass wir ein Verpackungsproblem haben, dass es ein Problem ist, dass mausgrosse Dinge in elefantengrossen Verpackungen versandt werden, dass es ein Problem ist, dass wir auch alles gratis zurückschicken können, dass es ein Problem ist, wenn ein einzelner Haushalt 10 Kubikmeter produziert, dass es ein Problem ist, wenn man durch ein Quartier gar nicht mehr laufen kann, das sollte doch jetzt klar geworden sein – hier kommt die Lösung:
Wir verbieten Versandhaus-Namen mit «A» und erlauben nur noch «I» und «E», weil wir «Iiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiiii» und «Eeeeeeeeeeeeeeeeee» mit Ekel verbinden.
Nächstes Jahr sollte dann der Berg am 15. Januar auf ein Minimum geschrumpft sein.
Natürlich: Der 14. Januar.
Es bleibt ja ein Mittwoch.
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