Dienstag, 2. Januar 2024

Willkommen im Jahr der Tuba

EIN FROHES UND GESUNDES 2024!

Sind Sie gut ins Neue Jahr gekommen?
Wie haben Sie Sylvester gefeiert?
Es gibt ja die verschiedensten Bräuche, von der wildesten Tanzparty bis zum Fackelzug in den Winterwald, vom gemütlichen Essen mit Freunden bis zum Konzertbesuch und dann ins Nobelrestaurant… Allen gemeinsam ist, dass der Ausklang des Jahres Punkt 24.00 begangen wird, mit Anstossen und für viele auch mit Feuerwerk. Die Angelsachsen haben hier ein ganz eigenes Ritual: Sie singen um 0.00 des neuen Jahres «ihr» Lied, wir kennen das alle von vielen wunderbar kitschigen Hollywood-Filmen:

Should auld acquaintance be forgot
And never brought to mind?
Should auld acquaintance be forgot
And the days of auld lang syne?
For auld lang syne, my dear
For auld lang syne
We'll drink a cup of kindness yet
For the sake of auld lang syne

Mehr deutsch orientierte Menschen kennen diesen Song übrigens mit dem etwas altmodischen und schrecklich ungenderischen Text «Nehmt Abschied, Brüder».
Nichts desto trotzdem – wir haben den Jahresanfang genau mit dieser Melodie gefeiert, gespielt von einer Tuba.

Jetzt fragen Sie sich natürlich, wie ich auf die verrückte Idee kam, hier eine Tuba zu engagieren. Die Antwort ist klar und simpel: Die Tuba ist das Instrument des Jahres 2024.
Ach, Sie kennen die Tradition gar nicht? Es ist gar keine so alte; 2008 proklamierte der Landesmusikrat Schleswig-Holstein ein solches Instrument, und inzwischen folgen dieser Ansage viele Institutionen im deutschsprachigen Raum.
Begann man 2008 mit der Klarinette, ging es über Trompete, Kontrabass, Posaune, Fagott, Gitarre, Bratsche, Horn, Harfe, Oboe, Cello, Saxophon, Geige und Orgel bis zum Drumset im Jahre 2022 und der Mandoline 2023. Interessant ist, dass «mein» Instrument, das Klavier, bislang noch leer ausging.

Nun also die Tuba.

Was verbinden Sie mit ihr? Kinofans verbinden damit sicher eine wunderbare Szene aus «Das Jüngste Gewitter» des herrlich skurrilen schwedischen Filmemachers Roy Anderson (nicht zu verwechseln mit Wes Anderson, dem Regisseur von «Grand Budapest Hotel»!). In dieser Szene jedenfalls sitzt ein Mann in einer spärlich-hässlichen 60er-Jahre-Wohnung (schwedischer Plattenbau) und spielt auf der Tuba.
Dum-dam-dum-dam-dum-dam-dum-damdamdam…
Nach einer Weile erscheint eine (seine?) Frau im Nachthemd, hält sich die Ohren zu und schreit. Aber er spielt weiter.
Dum-dam-dum-dam-dum-dam-dum-damdamdam…
Sie läuft weg und schlägt die Tür, was ein Bild an der Wand veranlasst, von selbiger zu fallen und in ein Aquarium zu stürzen. Auch das bemerkt der Tubaspieler nicht.
Dum-dam-dum-dam-dum-dam-dum-damdamdam…

Diese Melodiefolge ist natürlich das, was man sich unter Tuba vorstellt. In C-Dur würde sie so aussehen:
c – G – c – G – c – G – c – GAH – c – G – c – G – c – G – c – GAH …
Aber dieses wunderbare Instrument kann so viel mehr. Sagt man. Wenn man allerdings an ein bekanntes Solo denkt, dann fällt einem zunächst «Bilder einer Ausstellung» ein. Und dann «Bydlo». Und dann Mussorgsky, und dann Ravel. Und dann merkt man, dass das alles ja die gleichen Dinge sind, und dass man aus der ganzen sinfonischen Musik eben nur dieses eine Solo kennt, «Bydlo» (polnischer Ochsenkarren) aus «Bilder einer Ausstellung» von Modest Mussorgsky, das in der Instrumentation von Maurice Ravel von einer Solotuba gespielt wird.
Sucht man nach weiteren Solokompositionen für das tiefe Blechding, dann gibt es zwar eine ganze Liste – die grossen Namen fehlen. Gut, es gibt Werke von Vaughan Williams, von Tscherepnin, von Bernstein und Hindemith, es gibt solche von Penderecki und Lachenmann, von Morton Feldmann und John Williams, aber es bleibt eben doch ein Nischenprodukt.

Das Wichtige an der Tuba ist: Sie ist Basis, Grundlage, sie bildet die Grundlage, das Fundament. Wenn eben das Dum-dam-dum-dam-dum-dam-dum-damdamdam, wenn das c – G – c – G – c – G – c – GAH – c – G – c – G – c – G – c – GAH nicht rund läuft und schleppt oder treibt, dann ist der ganze Marsch, die ganze Polka im Eimer. So ist das.

Es ist nun wahrscheinlich kein Zufall, dass in Zeiten, in denen wir gerade jede Basis, jede Grundlage verlieren, in denen die Fundamente wackeln und alles stürzt, wir ein solches Basis-Instrument ehren. Nicht als Sopran, sondern als Bass.

Und in diesem Sinne wollen wir noch einmal unsere Melodie von der Insel ertönen lassen:

Duu duu dut duu duu duu dut duu dudu duu dut duu duu duu
Daa daa dat daa daa daa dat daa dada daa dat daa daa daa
Buu buu but buu buu buu but buu – buu buu but buu buu buu
Baa baa bat baa baa baa bat baa – baba baa bat baa baa baa









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