Freitag, 26. Januar 2024

Der Grossvater-Trick

Ein Freund von mir hat immer Geld, er hat stets das neueste Auto, das neueste Handy und immer eine schicke grosse Wohnung. Da er aber gleichzeitig wenig arbeitet und einen vernünftigen Job kategorisch ablehnt, ist klar, dass er sein Einkommen auch mit sehr, sehr, sehr, sehr obskuren Methoden bestreitet.
Sagen wir es offen: Er ist kriminell.
Und immer, wenn er ein ganz tolles neues Ding hat, dann frage ich nach, wie er dazu gekommen ist.

Als er neulich eine neue Rolex am Handgelenk hatte, fragte ich nach und bekam zur Antwort: «Ich mache den Grossvater-Trick.» «Den Grossvater-Trick?» «Yes.»
Und mein Kumpel erklärte: Er habe das Modell des Enkeltricks schlicht und einfach umgedreht, er rufe junge Leute an, behaupte, er sei der Grossonkel oder Urgrossonkel mütterlicherseits oder väterlicherseits, er sei in Not geraten und brauche Geld, konkret sei er am Bahnhof und benötige 1000 Franken. Und es funktioniere immer, besser als der Enkeltrick, die Youngsters kämen und brächten ihm die Kohle.

Erstaunlich, erstaunlich.
Aber als ich anfing nachzudenken, da kam ich auf vier Gründe, weshalb diese Methode so gut klappt:

Erster Grund

Junge Menschen haben keine Ahnung, wie ihre Familie aussieht. Das ist natürlich auch ein wenig logisch, denn die Verzweigungen der folgenden Generationen bekommt man mit, die Verzweigungen der vorigen Generationen hat man nicht mitbekommen. So kann man wissen, wie viele Grossnichten man hat, aber wie viel Grosstanten hat man? Das muss man erzählt bekommen.
Dazu kommt die Patchwork-Situation: Max lebt mit seiner Mutter und seinem Stiefvater, der Marco mitgebracht hat, es gibt also Max` leibliche Grosseltern, dazu die Eltern seines Stiefvaters und die Eltern von Marcos Mutter, der Junge hat also quasi vier Grossväter und vier Grossmütter, da kann man auch schon ein bisschen den Überblick verlieren…

Zweiter Grund

Man traut der älteren Generation keine wirkliche kriminelle Energie zu. Dies wird natürlich schon seit Jahren als Trick verwendet, aber komischerweise funktioniert das immer noch. Wer würde bei einem 90jährigen Opi das Gepäck nach Haschisch, Koks oder Heroin durchsuchen? Niemand. Aber – so erzählte mir einst ein Zollbeamter in einer Diskussion zum Thema «Sehen Schmuggler wie Schmuggler aus oder sehen Schmuggler nicht wie Schmuggler aus?» – es wurden eben schon 90jährige Opis mit Hasch, LSD, Ecstasy, Koks oder Heroin erwischt. «Je oller, je doller» oder «Alter schützt vor Torheit nicht» sind nur zwei Weisheiten, die klar sagen: Auch Menschen mit grauen Haaren und Krückstock sind zu jeder Schandtat fähig. Ich habe selber vor, in vorgerücktem Alter (so ab 80) noch sämtliche Betrugs-, Diebstahls-, Gewalt- und Raubdelikte nachzuholen, die ich in meinem Leben versäumt habe, mit 100 was klauen, das macht doch dann richtig Spass – und ins Gefängnis muss man ab 85 eh nicht mehr…

Dritter Grund

Junge Leute sind manchmal so im Handy-Stress, dass sie irgendwie den Überblick verlieren, da hat man in 15 WhatsApp-Gruppen 150 neue Nachrichten, da ist auf Instagram und Twitter wieder die Hölle los, da muss man noch 20 Videos auf YouTube anschauen, da sind noch x Mails und y SMS gekommen, ja und dann ruft noch der Urgrossonkel an. Wie soll man da bei der Reizüberflutung noch wissen, ob es diesen Urgrossonkel überhaupt gibt? Und wenn man zwischen dem neuen Video auf TikTok und den Fotos auf Snapchat dann den Anruf annimmt, dann geht man einfach davon aus, dass das schon stimmen wird…

Vierter Grund

Die Generationen Y und Z haben zu viel Geld.
In meiner Jugend zog man so schnell wie möglich von zuhause aus. Und wenn man doch noch daheim wohnte und eine Lehre machte, dann musste man Geld abgeben.
Die Youngsters heute haben gerade das zweite Startup gegründet und haben ein Haufen Geld in Kryptowährungen angelegt, und dann ist man ja auch noch Influencer und YouTuber, aber natürlich wohnt man bis 28 im Hotel Mama – und man käme niemals auf die Idee, der Mama für all das Kochen und Putzen und Wäschewaschen ein bisschen Kryptogewinne abzugeben…

Ein Freund von mir hat immer Geld, er hat stets das neueste Auto, das neueste Handy und immer eine schicke grosse Wohnung. Der Grund: Er ist kriminell.
Und immer, wenn er ganz tolle neue, wertvolle und glänzende Dinge hat, dann frage ich nach, wie er dazu gekommen ist.
Und so erklärte er mir den Grossvater-Trick, eine absolut sichere Betrugsmasche.

Ja, und auch ich werde mich darauf verlegen. Also, ihr Typen zwischen 18 und 28, studiert mal besser eure Stammbäume: Hatte Opa Geschwister? Wie viele Brüder hatte der Urgrossvater? Geistert da noch ein Urgrossonkel in Deutschland umeinander? Wie hiess der Uropa? Und wie sein Schwager? 
Wenn ihr nicht alles im Kopf habt, kriege ich euch.



 

 

   

 

 

 

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