Freitag, 12. Januar 2024

Gebt uns das "Th" wieder!

 
Ich habe neulich «Mathemathik» geschrieben.
Das sieht ja auch wirklich schön aus, obwohl es totaler Quatsch ist. Macht aber nichts, es macht auch Spass. Es macht so viel Spass, dass ich mich frage, ob man nicht generell hinter die Rechtschreibreform zurück sollte…

Nein, nein, nein!
Ich meine doch nicht die letzte, die war ja sowieso Panne, da sind sich alle Deutschlehrer einig. (Und die müsste man ja fragen, nicht die Linguisten, denn die (wir) Deutschlehrer kämpfen ja ganz vorne im Dschungel der Aufsätze.
Nein, ich meine die von 1901.

Ich habe neulich einen Text zum Neuen Jahr entworfen, der folgendermassen beginnt:

Wir sollten die Finsternis nicht präsentieren, sondern dem Licht und der Erkenntnis Tür und Tor öffnen; wir sollten nicht die Bedrängnis zementieren, sondern daran laborieren, aus dem Tal der Tränen zu kommen, wir sollten mit Kenntnis die Wirrnis exmittieren und ihr nicht Untertan sein.

Und nun entdecke ich, dass er sich wunderbar zum Rückwärtsgang eignet:

Wir sollten die Finsternis nicht präsentieren, sondern dem Licht und der Erkenntnis Thür und Thor öffnen; wir sollten nicht die Bedrängnis zementieren, sondern daran laborieren, aus dem Thal der Thränen zu kommen, wir sollten mit Kenntnis die Wirrnis exmittieren und ihr nicht Unterthan sein.

Das ist doch schon viel herrlicher, nun aber auch noch weg mit dem blöden «ie» bei den Verben

Wir sollten die Finsternis nicht präsentiren, sondern dem Licht und der Erkenntnis Thür und Thor öffnen; wir sollten nicht die Bedrängnis zementiren, sondern daran laboriren, aus dem Thal der Thränen zu kommen, wir sollten mit Kenntnis die Wirrnis exmittiren und ihr nicht Unterthan sein.

Wunderbar, wunderbar, wunderbar. Nun aber auch noch zurück zum Schluss mit scharfem S.

Wir sollten die Finsterniß nicht präsentiren, sondern dem Licht und der Erkenntniß Thür und Thor öffnen; wir sollten nicht die Bedrängniß zementiren, sondern daran laboriren, aus dem Thal der Thränen zu kommen, wir sollten mit Kenntniß die Wirrniß exmittiren und ihr nicht Unterthan sein.

Das ist doch alles sehr, sehr schön.

Nun werden Sie einwenden, dass ich hier einen alten Deutschlehrertrick angewendet habe, nämlich den, einen Satz speziell zu konstruieren. Wir alle kennen die Geschichte:

Der Funker setzt beim Telegramm das Komma falsch, statt «Hängen nicht, begnadigen.» schreibt er «Hängen, nicht begnadigen».

Damit wird den Kindern gezeigt, dass, wenn sie die Zeichen falsch setzen, Menschen sterben. Was für ein Unsinn, das ist völlig konstruiert, in 99.99% der Fälle dienen Kommata als Gliederungshilfe und ändern den Sinn nicht, abgesehen davon, dass man im Falle der Begnadigung das «nicht» an den Anfang des Satzes setzen würde.
Genauso die Spielchen mit der Gross- und Kleinschreibung. Auch hier muss man nette Sätzchen sich mühevoll ausdenken, in denen es einen Unterschied gibt:

Ich habe in Moskau liebe Genossen.
Ich habe in Moskau Liebe genossen.
Helft den armen Vögeln!
Helft den Armen vögeln!

In 99,99% ist die Grossschreibung nicht sinnstiftend. Es wäre auch schrecklich, denn sonst wären alle Autoren, die sich ihr verweigern – wie Stefan George oder Ernst Jandl, um hier mal ganz witzig zwei total verschiedene Köpfe in einem Schnauf zu nennen – ja nicht lesbar.

Ich habe also das obige Beispiel konstruiert – ich bekenne mich schuldig. Ich habe es so konstruiert, dass die «alte» Rechtschreibung toll aussehen würde.
Und hier komme ich auf eine wunderbare Idee: Lasst uns doch je nach Sinn und Gehalt eines Textes die entsprechende Orthographie wählen!
Für pathetische, schwerfällige, bodenständige Texte die Orthographie vor 1901
Für moderne, woke, gendernde, diverse Texte die Orthographie nach 1996
Für alles dazwischen die Orthographie zwischen 1901 und 1996

Ich werde also «Mathematik» schreiben, wenn ich von einem normalen Schulfach rede oder von der Wissenschaft. Ich werde «Mathemathik» schreiben, wenn ich den Urwald von Sinussen und Kosinussen, von Integralen und Ableitungen, wenn ich den Dschungel von A Quadrat und B Quadrat und C Quadrat und die Wildnis von Vektoren und Dimensionen meine, in der so viele arme Hirne verlorengingen…

















Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen