Dienstag, 5. September 2023

Ach, es gibt auch noch Kotor!

Der letzte Post hatte ein keines Nachspiel:

«In Kotor warst du aber noch nie?» schreibt mir mein Erzengel via WhatsApp. (Ja, Erzengel arbeiten heute auch elektronisch, ich glaube das haben wir doch schon diskutiert, sicher würde die Verkündigung Mariens heutzutage per Zoom stattfinden…)
«Nein», antworte ich und schicke ein tränenlachendes Emoji dazu.
Mein Erzengel antwortet mit einem Ich-schäme-mich-Affe-Emoji.

Ich übergehe das zunächst und halte es für einen kleinen Witz. Wieso Kotor? Das heisst doch Katar? Und natürlich war ich nicht bei der WM, die habe ich boykottiert, was mir allerdings als Nicht-Fussballfan auch nicht schwerfiel. Oder meint er Kontor? Aber warum soll ein Kontor – so nannte man zu Buddenbrooks Zeiten das Büro – ein Reiseziel sein?

Am Nachmittag treffe ich meinen Erzengel persönlich und ich kann die Sprache auf die Sache bringen, nun klärt er mich auf: Kotor, Städtchen auf dem Balkan, sei eine der vier Städte gewesen. Ich weiss aber nur von dreien.

Später auf WhatsApp:
«Ostuni, Kotor, Ronda, Dordrecht» und der Link zum Artikel «4 Kleinstädte in Europa, die du besucht haben musst» in der Online-Ausgabe der Wurfzeitung.
«Die Printausgabe hatte nur drei», schreibe ich, «das ist ja schon wieder einen Post wert.» Und ich füge fünf (!) Tränenlacher hinzu.
Mein Erzengel antwortet: «Unbedingt! Und bitte mich erwähnen!»

In diesem Post befinden wir uns gerade.

Mein Post hätte natürlich ganz anders ausgesehen, wenn ich den Internettext gekannt hätte. Er ist lang, ausführlich und jede der vier Städte hat hier einen ausgiebigen Auftritt mit grosser Überschrift und vielen Worten. In der Printausgabe musste das ganze Zeug unten quer auf eine Seite passen. Spannend ist nun aber, dass gerade Kotor fehlte, denn der Gag meines Posts war ja, dass ich alle drei Gemeinden schon besucht habe.

Kotor ist übrigens eine befestigte Stadt an der Adriaküste Montenegros. Sie liegt in einer Bucht in der Nähe des Gebirgsmassivs Lovćen und seiner Kalksteinklippen. Die mittelalterliche Altstadt zeichnet sich durch ihre verwinkelten Straßen und Plätze aus und beherbergt mehrere romanische Kirchen, wie etwa die Sankt-Tryphon-Kathedrale. (so Wikipedia).
Dort war ich nun wirklich noch nie, ich war überhaupt noch nie in Montenegro und der ganze Balkan ist ein ziemlich weisser Fleck auf meiner Europakarte.

Schaut man sich nun die Europakarte an, sieht man, dass Ostuni und Kotor – global gesehen – fast gegenüber im Adriatischen Meer liegen, während Ronda und Dordrecht in ganz anderen Ecken zu finden sind. Eigentlich müsste, wenn man vier Städte in einem Quadrat Ostuni/Kotor, Ronda, Dordrecht und ? sucht, die Empfehlung für eine südwestbelarussische oder eine nordwestukrainische Stadt ausgesprochen werden, dann wäre der Beitrag perfekt. Nun setzt sich gerade niemand in die Nesseln und empfiehlt eine Stadt aus dem Reiche Lukaschenkos als Must-See, eine Reiseempfehlung in die Ukraine ist dann natürlich ganz zynisch, so können also Ostuni UND Kotor genannt werden.
Wenn man hier drei auszuwählen hat, dann ist es völlig klar, dass entweder Ostuni oder Kotor wegfällt und aus dem Quadrat ein schönes Dreieck Adria – Spanische Südküste – Nordsee wird.

Die zwei ganz grundsätzlichen Fragen aber lauten:
Sind Printausgaben nur noch das Amuse Bouche für die Onlineausgabe?
Und was lässt man bei den Printausgaben weg?

Die erste Frage muss bei den Wurfzeitungen sicher bejaht werden, sie sind ja als solche eh nur noch ein erweiterter Werbezettel, bei seriösen Zeitungen ist das anders: Hier gibt es umgekehrt ein Online-Amuse Bouche und dann will man Geld, entweder kaufe (!) ich mir die gedruckte Ausgabe oder ich zahle (!) für ein Online-Abo. Das haben wir ja neulich im Post «Der Kreuzwort-Kreuzweg» am 28. Juli durchdekliniert.

Die zweite Frage ist spannender:
Wenn in den Printausgaben immer etwas geopfert werden muss, wer entscheidet dann, was in den engen Spalten der Zeitung über die Klinge springt? Und: Teilt man den Print-Leserinnen und Print-Lesern diese Weglassung überhaupt mit?
So könnte es sein, dass diejenigen, die am 22. 12. 2023 den Beitrag «So schreiben die Evangelisten über Weihnachten» lesen, das Folgende erfahren:
Lukas schreibt von Hirten und Krippe.
Matthäus schreibt von den Drei Sterndeutern.
Johannes schreibt vom Wort, das Fleisch wird.
Für die Tatsache, dass es noch einen vierten Evangelisten gibt, der nichts von der Geburt schreibt, muss man dann die Online-Ausgabe haben.

So viel für heute. Jetzt muss ich ins Schwimmbad. Trainieren.
Denn das ist der Plan: als begeisterter Schwimmer und Apulien-Fan werde ich von dort nach Kotor schwimmen.



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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