Dienstag, 1. August 2023

Impressionen einer Julireise (1): Von Tickets, Schrauben und Salz

Das Deutschland-Ticket

Vom 20. Juli bis 30. Juli waren wir im Süden Deutschlands unterwegs. Von Basel über Karlsruhe und Heilbronn nach Schwäbisch Hall, dann von Hall über die Ostalb nach Ulm, dann von Ulm durch das Filstal nach Stuttgart, von dort via Karlsruhe nach Hause.
Da viele Strecken nur von Bummlern befahren werden und wir auch in den Städten den ÖV benutzten, war das Deutschland-Ticket unser ständiger, zuverlässiger und wunderbarer Begleiter. Ein wenig mulmig war mir am Anfang, denn theoretisch müssten alle die Busfahrer, Schaffner und Kontrolleure zusätzlich zum Ticket einen Ausweis verlangen, und durch die unmögliche Homepage stimmten bei uns beiden die PLZ nicht (40520 Basel statt 4052) und bei mir das Geburtsdatum. Und immer erinnerte ich mich an jene (fingierte) Polizeikontrolle, bei der folgender Dialog entstand: «Geburtsdatum?» «5. Juni 1943, äh, 5. Juli.» «So sicher sind Sie da aber nicht? Steigen Sie mal aus.» Das war die Verhaftung Baaders 1970.
Fakt war nun, dass die meisten Busfahrer schon beim Zücken des Deutschlandtickets uns durchwinkten, manchmal genügte ein Satz «Wir haben das Deutschlandticket…»
Dies zeigt wieder einmal, wie weit die Politik in Berlin vom wirklichen Geschehen in der Landschaft entfernt ist: In den eh schon verspäteten Bus steigen 20 Leute ein, davon haben 8 das DT, nun müsste der Chauffeur, der sowieso schon auf Kohlen sitzt, nicht nur die Fahrkarten, sondern auch die Personalausweise kontrollieren. Keine Chance.
Warum hat man nicht eine durchziehbare Chipkarte – mit Foto! – gemacht? Wissen die Götter.

Würth, der Kunstsammler

Die Kunstsammlung des Schraubenhändlers ist gross. Sehr gross. Und schön ist, dass er diese an mehreren Orten kostenlos dem Publikum zeigt: In den beiden Museen in Künzelsau, in der Johanniterkirche in Hall und in der Schwäbisch Haller Kunsthalle.
Beim näheren Hinsehen erstaunt dann aber doch, dass viele Werke nicht die erste Qualität haben und viele sogar fragwürdig sind. Gut, bei 20000 Objekten können auch gut ein paar faule Eier dabei sein, aber es sind viele. Grund ist einfach die Menge, Würth kauft zu viel.
Warum ist das so?
Ein Blick ins Internet belehrt uns: Er hat schlicht und einfach zu viel Geld, das ist wie bei einer Hotelerbin, die mit 20 Kreditkarten je 30000 Dollar shoppen geht, das gibt dann auch viel Fummel, der gleich in die Kleidersammlung wandert. Würth kommt auf ein Vermögen von 31 Milliarden Euro, da kann er natürlich allein von den Zinsen eine Menge ausgeben. Eine Graphik im Wert von 15000? Eine Skulptur für 130000? Alles Portokasse.
31 Milliarden.
In Worten: Einunddreissig Milliarden.
Wir dachten immer, wir hätten in Basel reiche Leute. Wir machen den folgenden Witz: Wenn Herr Würth und Frau Oeri sich treffen, denn sie ist ja auch Kunstsammlerin und die zwei kennen sich sicher, dann muss der Hohenloher die Baslerin immer einladen, denn mit nur 8 Milliarden auf der Bank gehört sie beim ihm zur «armen Bekanntschaft»…

Die Premiere auf der Treppe

In Hall wird auf den Kirchenstufen Freilichttheater gespielt. Ein Ereignis, das sich lohnt. Bei der Premiere von «Maria Stuart» am 20. 7. haben wir allerdings noch ein spezielles Spektakel: In den ersten Reihen springen vier Männer mit verkabelten Ohren umher, es muss also irgendein prominentes Wesen im Publikum sein. Mein Partner neben mir behauptet, er habe die weisse Stoppelfrisur des Landesvaters gesehen. Ich bezweifle das, aber ob der Security muss ja ein Zu-Bewachender da sein. Bei der Begrüssung wird es dann aufgeklärt, es ist in der Tat, tatsächlich und wirklich Winfried Kretschmann. Als Schirmherr der Freilichtspiele Schwäbisch Hall ist er zur Schiller-Premiere mit Gattin erschienen.
Was mich allerdings so erfreut, ist, dass der Ministerpräsident von B.-W. eben nur vier Männlein zu seiner Bewachung braucht. Das war in Deutschland nicht immer so, eben ein Jahr nach jenem Tag im Jahr 1970 wäre eine so unbedenkliche Teilnahme unmöglich gewesen. Allein alle die Fachwerkhäuser rings um den Markt böten ja eine wunderbare Schusslinie…

Hall und das Salz

Schwäbisch Hall ist eine der schönsten Städte der Welt. Kann ich nicht anders sagen. Die wunderbaren Gassen, Häuser, Brücken verdankte die Gemeinde einem kleinen Brunnen am Fluss Kocher aus dem Wasser quoll, aber nicht H2O allein, sondern satt getränkt mit einem Stoff, den man braucht und der damals sehr teuer war: Salz.
Hall wäre also vergleichbar mit einer heutigen Stadt, die ein Lithium-Vorkommen hat. Oder seltene Erden. Oder Mangan.
Aber:
Wenn Salz heute so billig ist und überall zu haben, warum verwendet man dann in der Chip-Industrie nicht einfach NaCl statt Mangan? Oder statt Lithium? Oder statt seltener Erden?
Aber wahrscheinlich bin ich da zu doof…

Am Freitag geht es über die Ostalb weiter nach Ulm.





 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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