Ich übe seit
einem Jahr Baskisch mit einer Smartphone-App, Lingo-Dingo®. Das Tolle an
Lingo-Dingo® ist nicht nur, dass man von einem reizenden virtuellen Dingo
namens Jack the Black durch die Übungen geleitet wird, sondern auch, dass
keinerlei grammatikalische Regeln erläutert werden, sondern durch ständiges Üben
und Wiederholen und Wiederholen und Üben sich die Regeln im Kopf bilden. Jack
the Black ermutigt einen auch immer mit ganz lieben Worten:
DU MACHST
DAS SUPER – WEITER SO!
DU HAST VIEL
ERREICHT UND BIST ÜBERHAUPT EIN GANZ TOLLER MENSCH.
In
Lingo-Dingo tritt man gegen andere Spieler auf der ganzen Welt an, die nicht
unbedingt Baskisch lernen, sondern vielleicht Navajo, Hawaiianisch oder Rumantsch,
aber mit Navajo, Hawaiianisch oder Rumantsch eben auch ihre Punkte sammeln. Es
gibt sechs Ligen: Die Veilchen-Liga, die Krokus-Liga, die Tulpen-Liga, die
Rosen-Liga, die Orchideen-Liga und die Lilien-Liga. Die zehn Besten steigen
jeweils auf, die fünf Schlechtesten steigen wieder ab. (Noch mal: Es geht rein
um die Zeit, die man an der App verbringt, jede Übung bringt Punkte.)
Nachdem ich
mich beständig emporgearbeitet habe, bin ich irgendwann in der Lilien-Liga angekommen
und nun geht es nicht mehr weiter; gewinnen ist unmöglich, da machen Menschen
mit, die zwei Stunden pro Tag mit Baskisch, Navajo, Hawaiianisch oder Rumantsch
verbringen, ich könnte mich nur halten, und das ist irgendwie blöd. Meine ganze
Motivation, mein ganzer Kampfgeist ist weg.
Nun habe ich
beschlossen: Um wieder den Spirit zu bekommen, an einem Tag bis zu 400 Punkte
zu machen, lasse ich mich wieder zurückfallen, von den Lilien zu den Orchideen,
von den Orchideen zu den Rosen, dann zu den Tulpen und über die Krokanten (oder
Kroküsse? Krokera? Ich habe da vor Jahren drüber geschrieben…) zu den Veilchen.
Gesagt, getan:
Jede Woche
am Montag erscheint nun der Dingo Jack the Black auf meinem Bildschirm und
verkündet:
SCHADE! DU
HAST DIE …-LIGA AUF PLATZ 50 BEENDET UND BIST IN DIE …-LIGA ZURÜCKGEFALLEN.
STRENGE DICH EIN WENIG MEHR AN, DANN SCHAFFST DU ES ZURÜCK.
Was Jack
nicht weiss: Ich will ja ganz nach unten.
Ich habe nun
in dieser ganzen Phase das Folgende gelernt: Abwärts geht es leicht. Es ist so
viel entspannter, sich nach unten zu bewegen als noch oben.
Und das ist
überall so:
Sie möchten
in den DAX? Da müssen Sie einiges dafür machen, erst einmal müssen Sie ein
Unternehmen gründen, dafür brauchen Sie Startkapital, eine Idee, viel Kraft und
viel Fleiss, und wenn Sie mit Kapital, Idee, Fleiss und Kraft gewirtschaftet
haben, dann kommen Sie nach ein paar Jahren eventuell an die Börse, und nun
braucht es noch einmal viel Mühe, bis Ihre Aktie steigt und steigt und Sie
vielleicht irgendwann im DAX ankommen, der ist nämlich die Lilien-Liga der
Börse.
Die andere
Richtung geht ganz leicht:
Irgendeine
Unstimmigkeit, eine Ungeschicklichkeit führt dazu, dass viele Anleger die Anteile
Ihrer Firma loswerden wollen, und dann geht der Kurs in den freien Fall, da
kann man in 2 Stunden von 245,67 auf 1,23, ohne Mühe, ganz entspannt, ganz
easy.
Abwärts geht
es leicht.
Sie möchten
eine bessere Stelle?
Müssen Sie
etwas dafür tun, Arbeiten, Arbeiten, Fortbildungen, Arbeiten, noch mehr
Fortbildungen, Netzwerken, Überstunden, Kollegen mobben, Ellenböglen, Arbeiten,
Schleimen, Arbeiten, usw. Und nicht einmal dann ist Ihre Karriere sicher.
Sie möchten
Ihren Job verlieren?
Das ist
ganz, ganz einfach. «Ich habe doch gar nichts getan!», ruft der Mitarbeiter dem
Chef zu. «Ja, eben», antwortet dieser ganz lapidar. Bleiben Sie also am
nächsten Montag einfach zuhause, stellen Sie den Wecker ab, drehen Sie sich um,
schlafen Sie weiter und warten Sie was passiert. Es wird ganz einfach sein.
Abwärts geht
es leicht, und das ist das ganz Unfaire an unserem Leben.
Und wenn Sie
mir immer noch nicht glauben: Gehen Sie doch einmal im Rhein (oder im Neckar,
in der Mosel, im Main, oder in der Limmat oder der Reuss) schwimmen. Arbeiten
Sie sich eine Minute lang mit kräftigen Brustzügen flussaufwärts, Sie werden,
wenn Sie eine gute Schwimmerin oder ein super Schwimmer sind, vielleicht 10
Meter weit kommen. Stoppen Sie dann und halten Sie kurz inne: Nach 15 Sekunden
sind Sie wieder an Ihrem Ausgangspunkt, ratzfatz, ruckizucki, ohne Mühe und ohne
Anstrengung.
So, nun muss
ich ein wenig Baskisch machen.
Es gibt
nämlich auch immer Streicheleinheiten für x Tage ohne Pause, und die will ich
mir nicht entgehen lassen.
Und wenn Sie
sich fragen, warum die Lilie edler als die Orchidee ist: Bourbonen, die Lilie
ist die «fleur du Roi».
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