Freitag, 21. August 2020

Es gibt die modischen Masken ja schon!

Die Wirklichkeit ist manchmal skurriler und blöder, als sich ein Glossist vorstellen kann. Ich habe neulich über den modischen Aspekt von Schutzmasken geschrieben, aber den haben die Wäsche- und Kleiderhersteller längst entdeckt.
Hier ein paar Zitate:

Das Thema rund um die Schutzmasken wird uns in Zukunft intensiv beschäftigen. Wir möchten daher in diesem Zusammenhang, mit einer einfachen Atem- und Mundschutzmaske, auf das Thema sensibilisieren. Neben dem Schutz, ist unter anderem unser wichtigster Aspekt, dass die Atem- und Mundschutzmaske sich den individuellen modischen Eigenschaften anpasst.

Modischen Mundschutz kaufen: xxxxxx. Falls Sie auch traurig sind, dass das Oktoberfest in diesem Jahr ausfallen muss, sind diese Behelfsmasken genau das richtige für Sie! Der Trachtenhersteller xxxxxx verwendet seine hübschen Dirndl-Stoffe, um daraus hübsche Schutzmasken herzustellen.

Modischen Mundschutz kaufen: yyyyyy Elegant und feminin sind die Gesichtsmasken von yyyyyy. Diese werden nämlich aus feinster Spitze gefertigt, die normalerweise für Dessous, Strümpfe und Oberbekleidung verwendet wird.

Jetzt individuellen Style und Persönlichkeit in diesem Must-Have des Jahres entdecken.

(Alle Firmennamen sind der Redaktion bekannt.)

Das alles ist sehr, sehr reizend.

Sie können nicht aufs Oktoberfest? Dann tragen Sie Dirndlmaske. Ist das lächerlich oder sehr, sehr clever? Man könnte für alle ausgefallenen Festivals und Festspiele ja die entsprechenden Ausgefallener-Event-Ersatz-Masken entwerfen, z.B. eine Germanen-Bärenfell-Maske für die Wagnerianer, die dieses Jahr nicht nach Bayreuth durften.
Oder die Basler Fastnächtler könnten einfach JETZT ihre Larven (bitte nie «Masken» sagen!) im ÖV tragen.
Oder?

Ob die Dessous-Stoffe, die zart gewebt und fein gesponnen eigentlich ja mehr zeigen als verhüllen sollen, die ja luftig und duftig und dabei eben auch luft-durchlässig und duft-durchlässig sein sollten, wirklich als medizinisch wirksamer Mund-Nasen-Schutz verwendet werden können, entzieht sich meinen Kenntnissen. Ich habe da aber meine starken Zweifel, ob diese seidigen Dinger ihrem eigentlichen Zweck dienen werden.

Ganz reizend ist das «Must-Have» beim letzten Eintrag. «Must-Have» bedeutet ja normalerweise, dass man eine Sache «einfach haben muss» im Sinne von: Das hat jeder, du bist nicht in, nicht dabei, wenn du xy nicht trägst, es gehört einfach dazu, zum Outfit, zum Style, zum Life-Style, es ist nicht vorgeschrieben, aber für einen Szenemenschen fast zwingend notwendig. Die Schutzmaske allerdings ist ein «Must-Have» im Sinne von: Man muss, man kommt nicht drum herum, man ist gezwungen und wird notfalls gebüsst. Hier wird ein netter Marketingbegriff ganz reizend umgedeutet.

Was mir aber am meisten Sorgen macht ist dies:
Wenn wir nun anfangen, Mund-Nasen-Schütze (sic) aus modischen Gründen, bei wichtigen Labels und für viel Geld zu kaufen, was tun wir dann nach Corona? Tragen wir die Dinger weiter, wird die Maske zum Alltag, einfach weil es chic ist? Wird man dann folgende Sätze zu hören bekommen:
«Also, ich gehe mit Maske zur Vernissage – ich habe immer noch ein wenig Angst und das Ding ist schliesslich von Versace und hat 179.-- gekostet?»
«Wie, die Maskenpflicht ist aufgehoben? Und was soll ich jetzt mit den Mundschützen von Gucci und Yves Saint Laurent machen? Die haben mich schliesslich ein Vermögen gekostet!»
«Am nächsten Apéro trage ich sicher nochmal den Schutz, denken Sie mal, ich habe einen gefunden, der farblich absolut, und ich meine ABSOLUT zu meinem Jil Sanders-Veston passt…»
«Du gehst jetzt immer ohne Mund-Nasen-Schutz? Und deinen Schutz aus New York für 1749.-- schmeisst du einfach in den Kasten? Na, ja, du hast es ja; wenn man so viel Geld hat…»

Das macht mir ein wenig Sorgen.
Ein wenig.

Die Wirklichkeit ist manchmal skurriler und blöder, als sich ein Glossist vorstellen kann. Ich habe neulich über den modischen Aspekt von Schutzmasken geschrieben, aber den haben die Wäsche- und Kleiderhersteller längst entdeckt.

Und zum Schluss noch ein Tipp für Ehemänner: Lassen Sie Ihre Frau nie eine teure Maske kaufen, bevor klar ist, dass es ein Kleid gibt, das dazu passt. Sonst löst jeder kleine Erwerb eines Mund-Nasen-Schutzes eine Shoppingtour aus.

 

 

 

 

 

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