Dienstag, 25. August 2020

Die halben Zitate

Wollen Sie, liebe Leserin, lieber Leser, einmal hören, was andere Leserinnen und Leser über meinen Blog sagen? Vielleicht wollen Sie die Kommentare ja auch weiterverbreiten, das wäre eine gute Werbung:

Ich lese immer die Dienstag-Freitag-Glosse…
Holger, 41, Hamburg
Sprachlicher Witz, geschliffene Pointen und grosse Sachkenntnisse…
Maria, 23, Bad Ragaz
Ein amüsanter und gekonnt schreibender Autor…
Gunter, 71, Graz
Es ist der beste Beginn dieser genannten Tage…
Lola, 38, Vaduz

Sie stutzen? Sie glauben mir nicht? Sie wollen den Faktenchecker? Ok, ich bin zu Ihnen jetzt mal ganz ehrlich, Sie müssen mir aber versprechen, dass Sie obige Liste weiterverbreiten, ja? Ok. Dann zeige ich Ihnen jetzt die Originale:

Ich lese immer die Dienstag-Freitag-Glosse, wenn ich absolut nichts anderes zu tun habe, mir zum Bersten langweilig ist und ich irgendwie nichts Vernünftiges hinbekomme.
Holger, 41, Hamburg
Sprachlicher Witz, geschliffene Pointen und grosse Sachkenntnisse findet man in diesem Blog nicht, sondern die unendlichen blöden Machwerke eines Hobbyautors, der sich für einen zweiten Kishon oder einen Heinz Ehrhard hält.
Maria, 23, Bad Ragaz
Ein amüsanter und gekonnt schreibender Autor würde aus den abstrusen und uninteressanten Themen vielleicht noch etwas machen können, wenn aber wie hier Themenwirrwarr und stilloses Schreiben zusammenkommen, dann ist es die Katastrophe.
Gunter, 71, Graz
Es ist der beste Beginn dieser genannten Tage, wenn der Blog gerade einmal Pause macht. – Was leider viel zu wenig vorkommt.
Lola, 38, Vaduz

Jetzt sind Sie baff, gell? Ich habe nichts falsch zitiert, ich habe nur ein wenig weggelassen. Und das ist beim Zitieren gang und gäbe, sonst würden ja alle Zitate zu lang. Aber, sagen Sie, durch das Weglassen wird ja alles verändert?
Geschenkt.
Machen alle, macht man ständig, ist Usus und Normalität.

Ja, aber…
was ist dann zum Beispiel mit den Werbekommentaren auf Buchrücken? Oder mit Kritiken bei Sängerbiografien? Oder…? Oder…?

Nehmen wir doch ein ganz zufälliges Beispiel: Ich lese gerade Outline von Rachel Cusk. (Faktenchecker, ich schwöre, ich beeide und versichere, dass das wirklich so stimmt, das Buch existiert – damit du es einfacher hast: ISBN 978-3-518-42528-2 – und ich lese es auch wirklich gerade.) Wo waren wir? Ach so, ja, beim Buch, auf dem hinteren Buchrücken befinden sich folgende Zitate:

Einer der sonderbarsten, originellsten und aufregendsten Romane seit langem.
The Guardian
Absolut hypnotisierend.
The New Yorker

Sehr kurz. Wie könnte der vollständige Text ausgesehen haben? Vielleicht so:

Für jemand, der sich zwischen Wahn und Banalität bewegt, für jemand, der beim Lesen kifft und auch sonst nicht alle Tassen im Schrank hat, für alle heruntergekommenen Freaks ist dies einer der sonderbarsten, originellsten und aufregendsten Romane seit langem.
The Guardian
Absolut hypnotisierend ist dieses Buch nur dann, wenn man bei der Hypnose nicht an den Zustand der Verzauberung und Beeinflussung denkt, sondern an den Aspekt, der die Hypnose startet: Das Einschlafen. Das erfolgt nämlich spätestens auf Seite 20.
The New Yorker

Glauben Sie also nie solchen kurzen Statements. Dazu hier noch vier weitere Tipps:
Erstens: Lesen Sie solche Zwei-bis-drei-Wort-Kritiken gar nicht. Sie sind aus dem Zusammenhang gerissen und völlig nutzlos. Deshalb verschärft: SCHAUEN SIE NIE AUF DEN HINTEREN BUCHRÜCKEN!
Zweitens: Wenn Sie es aus Versehen doch tun, beachten Sie wer lobt. Wenn der Roman von FAZ, Süddeutscher UND der ZEIT gelobt wird, ist etwas oberfaul – die waren sich noch nie einig.
Drittens: Es gibt genügend Medien und Plattformen, Buchsendungen und Feuilletons, in denen Sie sich gut informieren können.
Viertens: Wie wäre es mit selber querlesen? Nach meiner Methode: Vorne, in der Mitte und hinten je 30 Zeilen?

So, geschafft für heute.
Ein Kumpel schaut mir über die Schulter: «Du bist ein wirklich begnadeter Schreiber, aber heute hast du nur kompletten Mist geschrieben.»
Ich weiss schon, wo die … stehen werden.

Sie auch?

P.S.: Bücher, die auf dem hinteren Buchrücken von Brigitte, Frau mit Herz, von Freundin oder Cosmopolitan gelobt werden, sollte man natürlich nicht einmal in die Hand nehmen.















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