Vertrauen
ist gut, Kontrolle ist besser.
Dieser
Spruch wird dem russischen Politiker Lenin zugeschrieben.
Und ich habe
ihn nie kapiert.
Anders
gesagt: Ich habe das Prinzip Kontrolle nie verstanden.
Warum muss
man eine Fleischfabrik kontrollieren, warum muss eine Behörde vorbei, warum
muss man Fotos machen und Unterlagen anschauen, wenn der Inhaber doch
versprochen hat, die Zustände zu verbessern, schmerzlosere Schlachtung der
Tiere, mehr Hygiene und bessere Arbeitsbedingungen für die Mitarbeiter? Er hat
vor 10 Jahren doch gesagt, dass jetzt alles besser wird, und da muss man ihm
doch glauben, oder?
Warum muss
es eine Finanzaufsicht geben, wenn die Chefs von Finanzdienstleister- und
Finanztransferfirmen doch klar sagen, dass alles in Ordnung ist? Sie sagen
doch, dass da Milliarden Rücklagen sind, auf Konten in Shanghai und Tokio, in
Hongkong und auf Hawaii. Warum muss hier eine Behörde die Bücher durchsehen,
die Dateien durchforsten, getrieben, gepuscht, gestossen und gehetzt von einem
Misstrauen, einem Misstrauen, das besagt, die Milliarden könnten irgendwo
verschwunden sein oder hätten nie existiert? Das ist doch blöde, oder?
Warum muss
Amnesty International Gefängnisse kontrollieren, wenn die Diktatoren
Badudistans doch Videos schicken, in denen man sieht, dass die Gefängnisse in
Badudistan eigentlich Hotels sind, Einzelzimmer, mit WC und Dusche, mit
Fernseher und W-Lan, und wenn die Gefangenen überhaupt etwas tun, dann singen
und tanzen. Da muss doch keine Kommission von AI dorthin und schauen, ob es
nicht etwa – nennen wir das schreckliche Wort – Folter gibt. Oder?
Ich verstehe
das Prinzip Kontrolle nicht.
Jetzt können
Sie sagen, ich sei ein wenig naiv, ein wenig kindlich, ein wenig auf dem Stand
eines 14jährigen. Sie werden sagen, ich sei doch zu gutgläubig, zu nett und
menschenfreundlich, zu sehr Gutmensch oder einfach blöde.
Wie in dem
Gedicht von Erich Kästner:
Hier liegt ein Mensch,
der an
die Menschheit glaubte.
Er war
dümmer,
als die
Polizei erlaubte.
Stimmt aber
so alles nicht. Ich bin selbst so gestrickt, dass man sich auf mich verlassen
kann. Können, glaube ich, meine Kollegen und Freunde bestätigen. Wenn
ich befürchte, einen Text bis Montag nicht zu schaffen, dann sage ich am Samstag,
dass ich eine Deadline bis Mittwoch brauche, und die wird dann auch
eingehalten. (Meistens – Smiley – kommt der Text dann Sonntag Nachmittag.)
Wenn ich
sage, ich bringen einen Kuchen mit, bringe ich einen Kuchen mit.
Wenn ich
sage, ich kaufe zwei Flaschen Wein, dann kaufe ich zwei Flaschen Wein.
Wenn ich
sage, ich ändere die Datei, dann…
Na?
Sie ahnen
es: Ich ändere die Datei.
Wenn ich…
Wenn ich…
Es gehört zu
den schmerzlichen Erfahrungen meines Lebens, dass so viele Leute eben Kontrolle
brauchen.
Der
Fleischfürst wird nichts, gar nichts, zero, nada, rien, 0% ändern, wenn er
nicht weiss, dass er in einem halben Jahr einer scharfen Kontrolle unterzogen
wird. Einer Kontrolle, die so scharf ist, dass seine besten Schlachtermesser
dagegen so stumpf wie Kochlöffel sind.
Der
Finanzheini wird mauscheln und mogeln, wenn er nicht weiss, dass die
Finanzkontrolle ihm bei jeder Buchung und bei jedem Klick auf die Finger
schauen wird. Und schauen, dass die Finger sauber bleiben und nicht an ein
Sartre-Drama erinnern, und auch, dass sie nicht lang werden.
Und
Badudistan wird seine Lügenvideos erst zurückziehen, wenn Amnesty diese Videos
eben als Lügen entlarvt hat.
Nun gibt und
gab es ja Kontrollen, und die haben im Fall von – jetzt müssen wir doch Namen
nennen – Tönnies und Wirecard so vollständig versagt wie die Trojaner bei der
Verteidigung ihrer Stadt und der Schneider von Ulm beim Fluge, absolut versagt
wie Samson bei der Einhaltung seines Gelübdes und Florence Foster Jenkins beim
sauberen Treffen der Königin-Koloraturen.
Es stellt
sich also noch eine Frage:
Wer
kontrolliert die Kontrolleure?
Vielleicht
brauchen wir Kontrollbehörden-Überwacher.
Wer
beaufsichtigt dann aber die Kontrollbehörden-Überwacher?
Brauchen wir
eine Kontrollbehörden-Überwacher-Aufsicht?
Und dann eine Kontrollbehörden-Überwacher-Aufsicht-Kontrolle?
Und dann eine Kontrollbehörden-Überwacher-Aufsicht-Kontrolle?
Die Reihe
lässt sich ins Unendliche fortsetzen. Am Ende steht dann eine über allen
Zweifel erhabene, ehrliche und unkorrupte Person.
Also zum Beispiel ich.
Oder besser: Der Dalai-Lama. Oder vielleicht der Papst. Oder warum nicht gleich: Der Allmächtige selbst.
Also zum Beispiel ich.
Oder besser: Der Dalai-Lama. Oder vielleicht der Papst. Oder warum nicht gleich: Der Allmächtige selbst.
Vertrauen
ist gut, Kontrolle ist besser.
Dieser
Spruch wird dem russischen Politiker Lenin zugeschrieben.
Und ich habe
ihn nie kapiert.
Anders
gesagt: Ich habe das Prinzip Kontrolle nie verstanden.
Aber es ist
unabdingbar.
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