Freitag, 5. Juni 2020

Habe ich am Dienstag beim Blackout Tuesday mitgemacht?


Oh – mein Post vom Dienstag hat ja noch eine ganz andere Bedeutung bekommen. Zum Glück habe ich darübergeschrieben, was meine Idee war.

Ich habe einem der grössten Künstler des 20. Jahrhunderts drei Gedichte gewidmet. Und weil Christo stets die Vergänglichkeit seiner Projekte betonte, vergänglich und zeitlich befristet seien sie, so wie das Leben selbst, handelten alle drei von Vergänglichkeit und Vergehen, von Tod, Herbst und Nacht. Wenn Sie sich nicht erkannt haben, hier noch einmal die Anfänge:

Über allen Gipfeln
Ist Ruh

Es war, als hätt der Himmel
Die Erde still geküsst

Die Blätter fallen, wie von weit
Als welkten in den Himmeln ferne Gärten

Und wenn Sie jetzt denken, was ein Kumpel von mir dachte, nämlich dass ich da einfach so schwarze Balken in der Gedichtform gemacht hätte… Weit gefehlt! Das wäre Christo nicht würdig gewesen. Ich habe wirklich verhüllt. Ich habe die Texte gecopypasted, habe sie dann schwarz unterlegt und die Textfarbe schwarz gemacht. Das können Sie nur sehen, wenn Sie die Balken markieren.
So wie Sie 1998 in der Fondation Beyeler auch einfach hingehen konnten und die Bäume angucken, wenn die Securitas Sie nicht vorher erwischte. 

So weit, so gut.

Nun habe ich gemerkt, dass meine Schwärzung noch eine ganz andere Bedeutung hatte. Am Dienstag publizierten viele Menschen, darunter auch viele Prominente, schwarze Beiträge im Internet. Und wenn ich «schwarz» schreibe, dann meine ich auch schwarz. Da wurden schwarze Fotos auf Instagram gepostet und schwarze Videos auf YouTube. Da war der Bildschirm einfach schwarz.
Diese Bedeutung hatte ich keineswegs geplant, aber wenn man das so mitlesen möchte, dann ist das OK.
Zum Glück.

Das ist ja so eine Sache, manchmal bekommen Dinge auf einmal ganz andere Deutungen. Da können wir gerade das Gedicht oben nehmen: Als der alte Goethe es wieder las, waren die letzten Zeilen nicht mehr auf die Nacht, sondern auf den Tod bezogen – das hatte der junge Johann Wolfgang gar nicht gemeint:
Warte nur, balde
Ruhest du auch

Auch Bea Miller hätte wahrscheinlich nicht gedacht, dass man einen ihrer Songs sehr missverstehen könnte:
Somebody get me a hammer
Wanna break all the clocks and the mirrors…
Der Song heisst übrigens «I can`t breathe». Aber es geht nicht um George Floyd, definitiv nicht, denn Bea hat das Lied 2017 veröffentlicht und da war von Floyd noch keine Rede. Aber merkwürdig ist es schon.

Und was ist mit allen den Priestern, die an den nächsten Sonntagen hinknien werden? Wird das nicht auch als Geste der Solidarität verstanden werden? Oder wird man begreifen, dass sie nur etwas machen, was sie immer tun? Und was wird der Pontifex Maximus, der Bischof von Rom, was wird der Nachfolger auf dem Stuhle Petri und der Stellvertreter Gottes, der gute Franzi dazu sagen? Wird er selber knien und wie wird man das verstehen?
Ich meine, diese Ich-halte-meine-Bibel-hoch-und-lasse-dafür-die-Strasse-räumen-Aktion wäre eigentlich ein Wort wert gewesen, nicht nur seitens amerikanischer Bischöfe. Da hätte der Pontifex Maximus, der Bischof von Rom, der Nachfolger auf dem Stuhle Petri und der Stellvertreter Gottes, der gute Franzi schon ein klares Statement abgeben können:
Don`t hold the Bible!
Read it!
Diese Bibelsache wäre ja eigentlich so lustig gewesen, dass man vor Lachen nicht mehr hätte atmen können, wenn sie nicht zum Weinen wäre.

Ich habe also am Dienstag mein Scherflein zum Blackout Tuesday beigetragen. Völlig unfreiwillig, aber im Nachhinein gerne. Ich hätte die Gedichte nämlich aus silbergrau oder rot einfärben können. Aber ich habe Schwarz genommen, obwohl Christo diese Farbe nie verwendete.

 






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