Die Filmindustrie darbt. Auch hier hat
Corona voll zugeschlagen. Besonders betroffen ist hier natürlich ein Zweig,
der, auch wenn es wieder Drehgenehmigungen für Produktion gibt, sich an die
Regeln, die Distanzregeln, die Abstandsregeln nicht wird halten können: Die
Pornobranche. Hier ist an Abstand, an Distanz einfach nicht zu denken. Logisch.
Der Gay-Porno-Produzent Jock Schippers aus
Hamburg hatte im März nun aber eine Idee: Wenn alle seine Jungs zuhause
rumhocken und Däumchen drehen, dann könnte ja man was quasi im Homeoffice
machen. Und so entstand die Idee von 15 Solos. Er forderte seine Boys
auf, sich bei der Selbstbefriedigung zu filmen, dabei aber witzig und kreativ
zu sein, also nicht den „regieangeleiteten Mainstream-Mist“ (so Jock) zu
betreiben, sondern irgendwas Schräges.
Und es war erstaunlich, auf was für Ideen
seine Jungs kamen, es war noch erstaunlicher, dass einige mit Zitaten aus der
Filmgeschichte arbeiteten.
Jochen, der es mit sich unter der Dusche
trieb, hielt die Kamera eine Zeitlang direkt unter den Duschstrahl – Psycho
liess grüssen.
Marc tat das wirklich und ausgiebig, was
in American Pie eben nicht getan werden konnte (der Film hat FSK 12):
Sex mit dem Apfelkuchen.
Clemens filmte nur sein Gesicht bei dem,
was er tat – klare Hommage an Blow Job von Andy Warhol.
Auch Jack, der mit dem Cumshot begann und
sich dann 8 Minuten beim Schlaf danach filmte, orientierte sich an der Pop
Art-Grösse, an dessen Werk Sleep, das allerdings vier Stunden lang einen
schlafenden Mann zeigte.
Georg und Frederic hatten mehr die Malerei
im Sinn. Georg, der sich von hinten aufnahm, wie er irgendetwas zu stossen
schien, wirkte mit roter Seide um die Schultern und mit seinem blossen
(allerdings phänomenalen) Hinterteil wie eine Figur eines Phaeton-Sturzes oder
einer Ares-Apotheose aus der Barockzeit. Und Eric nahm mit seiner Pool-Szene
David-Hockney auf, er lag mit knappen weisser Badehose auf dem Liegestuhl und
liess diesen Badeslip auch an, er rieb nur darüber bis zur bitteren Neige.
Die restlichen schwankten zwischen „freier
Improvisation“ und „traditionellem Porno“.
Die Produktion, die Idee floppte. Sie floppte
in einem Ausmass, das sich Jock Schippers nicht hätte träumen lassen. Seine
Kundschaft wollte so etwas einfach nicht sehen. Sie wollte keine Gesichter
angucken, keine Duschstrahlen, sie wollte keine Badehosen und keine Schlafenden
sehn, sie wollte – man muss das ganz primitiv ausdrücken – Penisse.
Und da Jock allen seinen Boys ein Honorar
versprochen hatte, sass er nun auf einem grösseren Schuldenberg, als er durch
die Coronakrise eh gehabt hätte.
Hier kam das Angebot von Dr. Karin
Bodlowski, Geschäftsführerin der Papyrus & Flokati Filmproduktionen GmbH
Hamburg wie eine Erlösung. Sie bot Jock Schippers 10 000.-- für alle Rechte. Er
willigte sofort ein.
Papyrus & Flokati konnten 15 Solos
in mehreren Filmtagen platzieren, Filmtage, die natürlich alle online
stattfanden: Und das Werk schlug ein wie eine Bombe. An die hunderttausend
Zuschauer guckten den Streifen bei der letzten Vorführung und die Feuilletons
beeilten sich, ihre Kommentare zu liefern.
Die waren meistens ergreifend positiv:
Ein Meisterwerk in der Nachfolge der Pop
Art – witzig, frech, provokant. Hier gibt es erfrischend neues, sehr
jugendliches und hoch brisantes Kino. Autorenfilm at its best.
Zacharias Blaumer, FAZ
Der Regisseur betätigt sich hier als
Voyeur. Und zwar in einer solchen Eindeutigkeit, dass an seinem Voyeurismus
keine Zweifel aufkommen. Aber waren und sind sie nicht alle Voyeure? Die Allens
und Chabrols und Pasolinis dieser Welt? Ist Kino ohne den voyeuristischen Blick
der Kamera überhaupt möglich? Dieser Streifen gibt eine klare Antwort auf diese
Fragen.
Urs Bitterli, NZZ
Die Anspielungen und Zitate zeigen ausser
ihrem witzigen Auftreten auch eine starke Hoffnungslosigkeit: Sich selbst (alle
haben ja nur mit sich selbst zu tun) und die Vergangenheit, mehr scheinen diese
Männer nicht zu haben – und so ist ihre Selbst-Befriedigung ein Auflehnen gegen
die Isolation und gegen die Vergangenheit.
Nike von Bodron, SWR2 Kultur am Abend
Allerdings hielten Süddeutsche Zeitung und
ZEIT in frecher Weise dagegen:
Ein interessanter, aufgeweckter, aber
nicht notwendiger Film. Ja, und irgendwann auch ein etwas ermüdender. Trotz
aller Bemühungen um Farbigkeit und aller Zitate hat man schliesslich genug von
all den schönen Kerlen, die sich im Lendenbereich bearbeiten. Man möchte es
nicht mehr schauen…
schrieb Droste Daller in der ZEIT
Rudi Rott liess sich dann in der
Süddeutschen zu einem versuchten und misslungenen Vernichtungsschlag
hinreissen:
Das ist keine Kunst und keine Kultur, das
ist Schmuddelware, Schmuddelkram von der übelsten Sorte. Man hat das Gefühl,
dieses Werk sei in keinem Art-Atelier, sondern in den Hinterzimmern einer
Porno-Firma gemacht worden.
Ein Sturm der Entrüstung brach darauf los
und Rott konnte sich kaum seiner Haut retten. Die Liste der Vorwürfe ist lang:
Prüderie
Verklemmtheit
Bigotterie
Banausentum
Unkenntnis der Kunstgeschichte
Moralapostel
Mensch, der lange keinen Sex hatte
usw.
usw.
usw.
Prüderie
Verklemmtheit
Bigotterie
Banausentum
Unkenntnis der Kunstgeschichte
Moralapostel
Mensch, der lange keinen Sex hatte
usw.
usw.
usw.
Wie nah Rott der Wirklichkeit gekommen
war, hat er nie erfahren.
Und wird er nie erfahren.
Schippers und Bodlowski schweigen wie
Gräber.
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