Dienstag, 24. März 2020

Katzenstreu gegen das Virus?


Ich habe schon ein paar Male über jenen Menschen geschrieben, den ich als meinen Erzengel bezeichne. Damit ist ja schon klar, dass er Raphael (mit allen Varianten), Gabriel (mit allen Varianten) oder Michael (mit allen Varianten) heissen muss, oder? Oder heisst er doch Uriel? Gibt es nicht, sagen Sie? Oh, da gibt es schon ein paar:
Uriel Seibert, EVP-Grossrat im Aargau
Uriel David Sarasin, Unternehmer und Velo-Youtuber
Uriel Orlow, Künstler
Uriel M., der an der Freien Schule Winterthur die Mittelschulprüfung geschafft hat. Herzlichen Glückwunsch, mein Junge!
Aber wir waren bei meinem Erzengel, er ist mein Freund und einer meiner Hauptleser und mein schärfster Lektor – wir hatten es schon ein paar Mal davon. Und vielleicht ist er auch mein Chef, da streiten wir uns immer ein bisschen.

Mein Erzengel nun bittet mich, einen Post über Kettenbriefe zu schreiben. Anlass ist eines dieser absolut bescheuerten Mails, die nun gerade kursieren, immer mit dem Hinweis
BITTE WEITERLEITEN.
Aber kann man das als Kettenbrief bezeichnen? Mein Erzengel ist ein Digital Native, er weiss nicht mehr, was Kettenbriefe waren. Kettenbriefe gab es in meiner Jugend, sie gab es in verschiedenen Varianten, immer gleich war, dass man sie abschreiben musste und mehreren Leuten weiterleiten. Die Variationen ergaben sich aus den Möglichkeiten mit oder ohne Geld und mit oder ohne Drohung. (Wir warnen Sie, die Kette zu unterbrechen, letzte Woche hat ein Mann in Stuttgart die Kette unterbrochen und ist aus dem Fenster gefallen, in Hamburg hat eine Frau die Briefe nicht weitergeschickt und bekam hohes Fieber und in München hat sich ein Jugendlicher geweigert und ist an einer Infektion gestorben…) Die meisten Arten sind inzwischen verboten.

Was sich ein Digital Native nicht vorstellen kann: Wir mussten die Briefe abschreiben, kuvertieren, frankieren und einwerfen. Und durch die Länge des Vorgangs kam man irgendwann darauf, dass es ein totaler Schwachsinn ist. Dann kamen die Xerox-Kopiergeräte und machten die Kettenbriefsache schon einfacher, das Abschreiben fiel weg, es blieb Kuvert, Porto, Adresse und das Einwerfen, aber auch hier kam irgendwann der Gedanke: Was tue ich hier eigentlich?

Heute ist das Weiterleiten ein Klick. Und wir denken vielleicht nicht mehr nach, was wir da tun. Es kursieren so viele Corona-Tipps im Netz, dass man sehr, sehr aufpassen muss. Man könnte die Ratschläge eigentlich in drei Gruppen einteilen: a) nicht speziell gegen Corona, aber nicht schlecht b) gar nicht gegen Corona, aber auch nicht schlimm c) richtig gefährlich
zu a)
Viel Wasser trinken (stärkt das Immunsystem, ist aber ein Allgemeinplatz)
Vitamin C (stärkt das Immunsystem, ist aber ein Allgemeinplatz)
Viel Schlafen (stärkt das Immunsystem, ist aber ein Allgemeinplatz)
Gesund essen (stärkt das Immunsystem, ist aber ein Allgemeinplatz)
zu b)
3 x am Tag Masturbieren (bringt nix gegen Corona, aber vielleicht ein bisschen Spass bei der Quarantänelangeweile)
Bibel lesen (immer gut, es ist immerhin „sprachlich das Beste, was wir in der deutschen Sprache haben“ – das Zitat stammt vom Kommunisten Bert Brecht)
Disney-Filme schauen (sicher lustig, vor allem „Dschungelbuch“ und „Bambi“ sind unbedingt zu empfehlen)
und nun kommt c)
Giorgio Sciolta, ein italienischer Arzt, wo am Krankenhaus in Wuhan arbeiten tut, hat herausgefunden, dass das Kronen-Virus gestoppt werden kann, wenn man jeden Tag am Morgen zwei EL Katzenstreu in Vollmilch auflösen tut und damit gurgelt. Es funktioniert nur mit Vollmilch, es muss aber nicht Bio sein! Dann verschmilzt das Virus mit dem kitty litter, tropft in die Luftröhre und gelangt in den Magen, wo es normal verdaut wird.
Das habe ich jetzt nicht erfunden!

Es ist schlimm, was da an Tipps gegeben wird, Einnahme von giftigen, ätzenden, beissenden Substanzen, Rosskuren und Nicht-Heil-Kuren ohne Ende, Sachen, die den Körper massiv schädigen. Und jetzt stellen Sie sich einmal vor, was passiert, wenn Sie in diesen Zeiten ins Spital wollen, um sich den Magen auspumpen zu lassen. Sie werden dort ob 3000 Corona-Patienten einfach links liegen gelassen.
Also gibt es nur eine Weisung in diesen Zeiten:

BITTE NICHT WEITERLEITEN
BITTE UNTER KEINEN UMSTÄNDEN WEITERLEITEN

So, nun hat mein Erzengel seinen Willen bekommen.
Übrigens: Vielleicht foppe ich Sie auch und es ist in Wirklichkeit eine Frau, Raffaela (mit allen Varianten), Gaby (mit allen Varianten) oder Michelle (mit allen Varianten).

Uriella ist es nicht.
Die lebt leider nicht mehr.
Und sie war keine Corona-Tote, bevor Sie das als Fakenews verbreiten. 



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