Freitag, 20. Dezember 2019

Special Kleine Dinge (3): Haben Sie etwas zum Schreiben?


Und als der HERR Adam in den Garten Eden gesetzt hatte, da sagte er zu ihm: «Schau mal, alles darfst du essen, nur von dem Baum da, das ist der Baum der Erkenntnis, von dem darfst du nicht essen.» Und Adam nickte und er wollte das unbedingt nicht vergessen, wollte sich das aufschreiben, fand aber in seinen Taschen weder Stift noch Papier, was vor allem daran lag, dass er keine Taschen hatte, schliesslich war er ja nackt, und so fragte er den HERRN: «Hast du etwas zum Schreiben?» Aber der HERR hatte nichts zum Schreiben, denn er war ja der Schöpfer von allem, er kannte jedes Molekül im Universum, was hätte er sich notieren müssen? So nahm Adam eine Beere und presste sie und träufelte ihren Saft auf ein grosses Blatt und notierte sich so das Verbot, aber Saft auf Blatt, das ist eben keine gute Art und Weise des Schreibens, und als dann viel, viel später die Schlange kam, da war der Saft verwischt und Adam starrte auf das Blatt und wusste, es hätte ihn an irgendetwas erinnern sollen, aber er wusste nicht mehr, was. Ja, und das Ende kennen wir.

Und als Mose auf den Berg Sinai gerufen wurde, da sprach der HERR zu ihm: «Komm auf den Berg, komm allein und bringe etwas zum Schreiben mit.» Und Mose ging und vergass aber das Schreibwerkzeug, denn ihm waren wieder so viele Dinge im Kopf herumgegangen, das murrende Volk, sein schwieriger Bruder und seine schwierige Schwester, und noch manches sonst, und als Mose den Gipfel des Sinai erreichte, da sprach der HERR zu ihm: «Ich werde dir jetzt 10 wichtige Spielregeln diktieren» und  Mose sagte: «HERR, ich habe das Schreibzeug vergessen, hast DU nichts zum Schreiben dabei?» Und der HERR lachte, und erwähnte kurz dass er ja der Schöpfer von allem sei und er jedes Molekül im Universum kenne, und was er sich je notieren müsse? Und der HERR befahl Mose, in seinen Taschen nachzuschauen und Mose fand darin einen Hammer und einen Meissel und so sprach der HERR: «Gut, dann musst du wohl zwei Steinplatten aus dem Fels hauen und die Regeln draufmeisseln, denn diese 10 Regeln sind wichtig und ohne lasse ich dich nicht vom Berg.» Und Mose machte sich an die Arbeit, und deshalb hatten die Israeliten in der Bundeslade zwei schwere Steintafeln.

Und als Heinrich IV. sich mit dem Papst verkracht hatte, und wusste, der Heilige Vater befindet sich auf Canossa Castle in Oberitalien, da setzte er sich hin um einen demütigen und reuigen Brief zu schreiben. Einen Brief, in dem er Busse und Zerknirschung an den Tag legen würde und der ihn wieder in-kommunizieren würde. Als er aber seine Feder in das Tintenfass tauchen wollte, da war keine darin. Er rief seinen Kammerherrn: «Johannes, Tinte! Ich brauche Tinte, ich muss an den Papst Gregor schreiben und ihn um Vergebung bitten, sonst komme ich aus dem Bann nicht heraus!» «Majestät, es ist keine Tinte mehr da, ihr habt zu viel geschrieben.» «Auf der ganzen Pfalz nicht?» «Auf der ganzen Pfalz nicht.» «Und was soll ich es, geschätzter Kammerherr Johannes, tun?» «Euch bleibt nichts anderes übrig als nach Canossa zu laufen und euch dem Heiligen Vater vor die Füsse zu werfen.» Und so kam es zu dem sprichwörtlich gewordenen Canossa-Gang.

Und dann war da noch jener Zettel, auf dem hätte stehen sollen, dass Reisen in die BRD nun erlaubt seien, und zwar ab dem Folgetag und auch, dass das Gesetz noch nicht alle Hürden passiert habe. Aber dummerweise war auch hier, so wie bei Adam und bei Moses und bei Kaiser Heinrich wieder einmal nichts zum Schreiben da. Jetzt werden Sie natürlich einwenden, dass die Hälfte ja auf jenem Zettel stand, und nun muss ich ein wenig weiter ausholen: Durch die planwirtschaftsbedingte Knappheit gab es im ZK nur einen einzigen Kugelschreiber und der gab im entscheidenden Moment den Geist auf, ja, und dann schickte man den armen Teufel mit einem halbinformativen Zettel in die berühmte Pressekonferenz, und als die Frage kam, ab wann diese Regelungen gälten, kam die berühmte Antwort, sie würden ab sofort gelten… Der Rest ist legendär. Die DDR war Geschichte.

Im entscheidenden Moment muss man eben etwas zum Schreiben haben.
Einen Kugelschreiber.
Einen Füller.
Einen Filzstift.
Oder wenigstens einen Bleistift.

Und sagen Sie jetzt bitte nicht, seit der Geburt des Handys hätten sich Kugelschreiber und Füller, hätten sich Filzstift und Bleistift erübrigt, denn ganz so stimmt das nicht.
Natürlich muss man heutzutage nicht mehr die Abfahrtszeiten des Rückfahrtbusses aufschreiben, man fotografiert einfach den Fahrplan oder hat sowieso die App des örtlichen Tarifverbundes, die DB-App und die SBB-App (Ich habe sie alle…).
Natürlich muss man keine Telefonnummern mehr aufschreiben, denn entweder tippt man sie gleich ins Gerät ein, oder man bekommt den ganzen Kontakt geschickt.
Aber immer wieder gibt es Situationen, in denen man Infos bekommt, die man notieren sollte und natürlich kann man das Handy auf laut stellen und dann eine Datei aufmachen, aber dann bekommen halt auch alle alles mit.

Nein. Ich habe immer noch einen Kugelschreiber bei mir.
Falsch.
Sogar vier, denn die geben ja ständig den Geist auf. Und ich will nicht mit Beerensaft auf Blatt schreiben, nicht in Stein meisseln, ich will auch nicht zum anderen meilenweit hinlaufen, und ich will auch keine halben Notizen haben und damit Staaten zum Einsturz bringen.



  

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