Freitag, 13. Dezember 2019

Special Kleine Dinge (1): Editorial


Liebe Leserin, lieber Leser

In diesem Special wollen wir uns einmal mit ganz simplen, einfachen, kleinen Dingen beschäftigen. Freuen Sie sich auf…. ja, auf was? Die meisten denken jetzt wahrscheinlich in die falsche Richtung. Sie denken an Sachen, die Paul Heyse so schön beschreibt und die Hugo Wolf im Italienischen Liederbuch so schön vertonte:

Auch kleine Dinge können uns entzücken,
Auch kleine Dinge können teuer sein.
Bedenkt, wie gern wir uns mit Perlen schmücken;
Sie werden schwer bezahlt und sind nur klein.
Bedenkt, wie klein ist die Olivenfrucht,
Und wird um ihre Güte doch gesucht.
Denkt an die Rose nur, wie klein sie ist
Und duftet doch so lieblich, wie ihr wisst.

Nein, um diese schönen und anmutigen Sachen wird es nicht gehen. Sondern um praktische.
«Oooooooooooooooooch», höre ich Sie seufzen.
Aber warum denn? Es ist doch erstaunlich, wie wenig wir den praktischen Nutzen einer Sache, eines Gegenstandes, eines Dings, aber auch einer Pflanze oder eines Tieres schätzen – und wie wenig Ahnung wir von der Notwendigkeit von Dingen haben.

Als mir einmal auf dem Flug nach Den Haag (das ist 15 Jahre her, Greta, bitte nicht hauen, ich bin die letzten 8 Jahre immer mit dem Zug gefahren…) mein Gepäck nicht mitgenommen wurde, erhielt ich von der KLM ein Not-Set mit ihrer Meinung nach wichtigen Dingen. Es enthielt
·         1 weisses T-Shirt Grösse L
·         1 Tube Hautcreme einer Standardmarke mit einem Standardduft
·         1 Einwegrasierer mit extrascharfer Klinge
·         1 kleine Sprühflasche mit Rasierschaum, Standardmarke und Standardduft
·         1 Reise-Näh-Set
Ich war einigermassen verblüfft. Entweder, so dachte ich, bin ich völlig verdreht und pervers, völlig abstrus und daneben, oder die Person, die diese Not-Sets entworfen hat. Für mich wäre z.B. ein Slip, Boxershorts, Pants oder irgendeine andere Art von Unterhosen viel notwendiger als ein T-Shirt, ich kann zwei Tage das gleiche tragen, aber meine Unterhosen wechsle ich jeden Tag. Ich dusche auch jeden Tag, und manchmal creme ich mich dann auch ein. Oder meistens, weil ich trockene Haut habe, aber ich empfände eine Seife wichtiger als eine Hautcreme. Und Rasieren? Das könnte man auch einmal weglassen, und was ein Näh-Set da drin zu suchen hat, das weiss wirklich niemand.

Wir unterschätzen also den Wert der kleinen Dinge, wahrscheinlich auch, weil sie immer um uns sind, und deshalb wollen wir uns in den nächsten Wochen mit eben diesen kleinen Sachen beschäftigen, mit Klopapierhaltern und Sprays, mit Klebstreifen und Schreibgeräten, mit all diesen Sachen, die die Welt nicht besser, aber einfacher machen.

Nun fragen Sie: «Ist das weihnachtlich?»

Ich möchte zwei Antworten geben:
Erstens:
Nein. Aber warum um alles in der Welt muss für Sie die nächsten drei Wochen alles auf Weihnachten getrimmt sein? Sie können doch keinen Schritt in die Stadt machen, ohne dass Sie von Lametta erwürgt, von Tannenbäumen erschlagen oder von Santa Clausen angepöbelt werden, die ganze City stinkt nach Lebkuchen und Glühwein, und man möchte jedem Strassenmusiker, der einem «Laaaaaaaaaaaaast Christmas, I gaaaaaaaaaaaaaaaaave you my heart…» entgegenplärrt, ganz unadventlich seine Gitarre auf den Kopf hauen. Geniessen Sie also die unweihnachtliche, unadventliche Dienstag-Freitag-Glosse, und nehmen Sie sie als Oase der Ruhe in einer Zeit, die im Christmasstress versinkt.
Zweitens:
Ja. Denn diese Dinge wären – Betonung auf dem Konjunktiv! – ja die idealen Weihnachtsgeschenke. Warum bekommt man nie einen hübschen Korb mit Reissnägeln, Klopapier und Zahnpasta? Warum gibt es keine Luxusbox mit Büroklammern und Kugelschreibern? Warum bringt der Nikolaus keine Putztücher und Abspülmittel? Man hat doch immer das Problem, dass der andere das Geschenk a) schon hat oder b) nicht braucht. Hier wären a) und b) gelöst. Schenken wir doch einmal viel mehr Reissnägel, Klopapier und Zahnpasta, überreichen wir Büroklammern und Kugelschreiber, geben wir Putztücher und Spülmittel…

Auch kleine Dinge können uns entzücken,
Nicht teuer, aber nötig sein.
Bedenkt, wie gern wir uns mit Perlen schmücken;
Sie werden schwer bezahlt und sind nur klein.
Bedenkt, wie klein ist doch die Büroklammer,
Und fehlt sie – was für ein Gejammer!
Denkt an die Zwecke nur, wie klein sie ist
Und haftet doch so heftig, wie ihr wisst.




 

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