Über die
Bedeutung des Klopapiers muss wohl nicht diskutiert werden. Eine jede und ein
jeder kennt den Schrecken, wenn man feststellt, dass in der WC-Kabine eben
dieses wichtige Kulturgut nicht vorhanden ist, meistens bemerkt man es ja erst
nach Verrichtung des grossen Geschäftes… Nicht umsonst dreht sich einer der
wichtigsten Witze der ehemaligen DDR um eben jene weissen Rollen:
SED-Funktionär:
Die Partei hat im vergangenen Jahr das Bruttosozialprodukt um 1,5% gesteigert.
Zwischenrufer:
Aber wir haben immer noch kein Klopapier!
SED-Funktionär:
Die Partei hat im vergangenen Jahr die Energiegewinnung um 1,6% gesteigert.
Zwischenrufer:
Aber wir haben immer noch kein Klopapier!
SED-Funktionär:
Die Partei hat im vergangenen Jahr die Arbeitsleistung um 1,7% gesteigert.
Zwischenrufer:
Aber wir haben immer noch kein Klopapier!
SED-Funktionär:
Wissen Sie was, Sie Querulant? Sie können mich mal am A…
Zwischenrufer:
Das wäre nur eine Übergangslösung!
Und auch in
einem der wichtigsten Romane der Deutschen Demokratischen Republik spielt das
Nichtvorhandensein des Toilettenpapiers eine bedeutende Rolle; Edgar Wibeau hat
in dem Häuschen bei seiner Gartenlaube eben keines, und so wischt er sich den
Allerwertesten mit Seiten eines Buches ab, und zwar mit Goethes Werther,
allerdings nicht ohne es vorher zu lesen, sich mit dem Helden zu identifizieren
und seinem Freund Willy Stellen daraus auf Band zu sprechen, so entstehen Die
Neuen Leiden des jungen W.
Das
WC-Papier ist also so fundamental wichtig, so bedeutsam, so elementar, dass
über dieses Thema nicht geschrieben werden muss. Nein, wir widmen uns heute
sozusagen dem «Drumherum»:
Immer wenn
ich auf dem Häuschen sitze, betrachte ich fasziniert die Systeme, in denen mir
das ach so teure Tissue angeboten wird. Da gibt es die Kästlein, aus denen man
durch ein Loch eine spiralförmige Papierschlange herauszieht, die man bei
erreichen der korrekten Länge nach Gutdünken abreissen kann, da gibt es die
Wir-schenken-dir-Blatt-für-Blatt-Vorrichtungen und da gibt es die grossen
Gehäuse, in denen drei Rollen übereinanderliegen, die nächste Rolle sollte
(!!!) dann stets herabkommen, wenn man die Papphülse der untersten leeren
herausgepfriemelt hat.
Was mich an
diesen Systemen, Papierschlangenziehen, Wir-schenken-dir-Blatt-für-Blatt-Vorrichtungen,
Dreirollenstapel und noch viele mehr, so beeindruckt, ist, dass sich in diesen
Systemen mir die ganze Miesheit und Schlechtigkeit der Welt, die ganze üble
Gesinnung unseres Planeten offenbart. Denn alle diese Apparate haben nur einen
Sinn, Sie wollen verhindern, dass ich zu viel Papier, erst recht nicht eine
ganze Rolle in die Hand bekomme. Aber warum nicht? Nein, es geht nicht darum,
dass ich sie stehlen könnte, es geht darum, dass ich entweder nassmachen und an
die Wand klatschen oder ganz trickreich ins WC stopfen könnte. Die ganzen
komplizierten Techniken, auf die es wahrscheinlich 1000 Patente gibt, wollen
also nur etwas verhindern, was ein normaler Mensch sowieso nicht macht. (Und es
sind nicht nur Jugendliche, die hier mit Klopapier Schindluder treiben, ein Freund
von mir hat gesehen, wie bei der Versicherung, bei er arbeitete, Mitarbeiter
nasse Klorollen an die Wand schossen.)
Die
Klorollensysteme zeigen uns die Schlechtheit der Welt. Wie auch verschiedenste
andere kleine und grosse technische Dinge:
* Warum
brauchen wir Schlüssel und Schlösser? Eben, weil wir nicht einfach eine Türe
oder eine Klappe zumachen können und damit zeigen, dass sie nicht aufgemacht
gehören. Und dabei rede ich gar nicht nur von Diebstahl, sondern auch schlicht
und einfach von Neugier. Ich erlebe das an jedem Mittwoch im Kreuzgang des
Münsters, wenn ich mit meinen Kleinen in der Katharinenkapelle probe. Ständig
latschen uns Touristen in den Raum, nach dem Motto «da ist auch noch eine Tür,
die wir nicht aufgemacht haben…» Wenn ich nicht absperre, kann ich
konzentriertes Arbeiten vergessen.
* Warum brauchen wir Fahrkarten und
Fahrkartenautomaten? Man könnte doch – wenn die Menschen besser und anständiger
und edler wären! – einfach ein Kässchen aufstellen, in das die Fahrgäste so
viel einzahlen, wie ihnen die Fahrt wert ist. Wobei das zurzeit pro Fahrgast
nur ein paar Münzen wären, und zwar bei der Deutschen Bahn UND bei ihrer Schweizer
Schwester…
* Warum
brauchen wir Zäune und Mauern?
* Warum brauchen wir Handschellen?
* Warum brauchen wir Pfefferspray?
Papierschlangenziehen,
Wir-schenken-dir-Blatt-für-Blatt-Vorrichtungen und Dreirollenstapel zeigen mir
bei jedem WC-Gang wie mies und schlecht die Menschheit ist. Es ist eine
Absurdität, dass man Dinge verhindern muss, die nur einem Amöbengehirn
entspringen können.
In der jetzt
schon zweimal erwähnten DDR hatte man da übrigens ein eigenes System (ich habe
das auch nach der Wende noch einem Freibad in Leipzig erlebt). Man ging vor dem
Gang, den auch der Kaiser zu Fuss macht, zum Bademeister und bekam eine
Klopapierrolle ausgehändigt. Diese musste man nach dem Geschäft bei ihm wieder
abgeben.
Wobei dieses
Verfahren genauso die Schlechtigkeit des Menschen zeigt wie jede patentierte
Konstruktion.
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