Dienstag, 17. Dezember 2019

Special Kleine Dinge (2): Der Klopapierhalter zeigt uns die Bosheit des Menschen


Über die Bedeutung des Klopapiers muss wohl nicht diskutiert werden. Eine jede und ein jeder kennt den Schrecken, wenn man feststellt, dass in der WC-Kabine eben dieses wichtige Kulturgut nicht vorhanden ist, meistens bemerkt man es ja erst nach Verrichtung des grossen Geschäftes… Nicht umsonst dreht sich einer der wichtigsten Witze der ehemaligen DDR um eben jene weissen Rollen:

SED-Funktionär: Die Partei hat im vergangenen Jahr das Bruttosozialprodukt um 1,5% gesteigert.
Zwischenrufer: Aber wir haben immer noch kein Klopapier!
SED-Funktionär: Die Partei hat im vergangenen Jahr die Energiegewinnung um 1,6% gesteigert.
Zwischenrufer: Aber wir haben immer noch kein Klopapier!
SED-Funktionär: Die Partei hat im vergangenen Jahr die Arbeitsleistung um 1,7% gesteigert.
Zwischenrufer: Aber wir haben immer noch kein Klopapier!
SED-Funktionär: Wissen Sie was, Sie Querulant? Sie können mich mal am A…
Zwischenrufer: Das wäre nur eine Übergangslösung!

Und auch in einem der wichtigsten Romane der Deutschen Demokratischen Republik spielt das Nichtvorhandensein des Toilettenpapiers eine bedeutende Rolle; Edgar Wibeau hat in dem Häuschen bei seiner Gartenlaube eben keines, und so wischt er sich den Allerwertesten mit Seiten eines Buches ab, und zwar mit Goethes Werther, allerdings nicht ohne es vorher zu lesen, sich mit dem Helden zu identifizieren und seinem Freund Willy Stellen daraus auf Band zu sprechen, so entstehen Die Neuen Leiden des jungen W.   

Das WC-Papier ist also so fundamental wichtig, so bedeutsam, so elementar, dass über dieses Thema nicht geschrieben werden muss. Nein, wir widmen uns heute sozusagen dem «Drumherum»:
Immer wenn ich auf dem Häuschen sitze, betrachte ich fasziniert die Systeme, in denen mir das ach so teure Tissue angeboten wird. Da gibt es die Kästlein, aus denen man durch ein Loch eine spiralförmige Papierschlange herauszieht, die man bei erreichen der korrekten Länge nach Gutdünken abreissen kann, da gibt es die Wir-schenken-dir-Blatt-für-Blatt-Vorrichtungen und da gibt es die grossen Gehäuse, in denen drei Rollen übereinanderliegen, die nächste Rolle sollte (!!!) dann stets herabkommen, wenn man die Papphülse der untersten leeren herausgepfriemelt hat.

Was mich an diesen Systemen, Papierschlangenziehen, Wir-schenken-dir-Blatt-für-Blatt-Vorrichtungen, Dreirollenstapel und noch viele mehr, so beeindruckt, ist, dass sich in diesen Systemen mir die ganze Miesheit und Schlechtigkeit der Welt, die ganze üble Gesinnung unseres Planeten offenbart. Denn alle diese Apparate haben nur einen Sinn, Sie wollen verhindern, dass ich zu viel Papier, erst recht nicht eine ganze Rolle in die Hand bekomme. Aber warum nicht? Nein, es geht nicht darum, dass ich sie stehlen könnte, es geht darum, dass ich entweder nassmachen und an die Wand klatschen oder ganz trickreich ins WC stopfen könnte. Die ganzen komplizierten Techniken, auf die es wahrscheinlich 1000 Patente gibt, wollen also nur etwas verhindern, was ein normaler Mensch sowieso nicht macht. (Und es sind nicht nur Jugendliche, die hier mit Klopapier Schindluder treiben, ein Freund von mir hat gesehen, wie bei der Versicherung, bei er arbeitete, Mitarbeiter nasse Klorollen an die Wand schossen.)   

Die Klorollensysteme zeigen uns die Schlechtheit der Welt. Wie auch verschiedenste andere kleine und grosse technische Dinge:
* Warum brauchen wir Schlüssel und Schlösser? Eben, weil wir nicht einfach eine Türe oder eine Klappe zumachen können und damit zeigen, dass sie nicht aufgemacht gehören. Und dabei rede ich gar nicht nur von Diebstahl, sondern auch schlicht und einfach von Neugier. Ich erlebe das an jedem Mittwoch im Kreuzgang des Münsters, wenn ich mit meinen Kleinen in der Katharinenkapelle probe. Ständig latschen uns Touristen in den Raum, nach dem Motto «da ist auch noch eine Tür, die wir nicht aufgemacht haben…» Wenn ich nicht absperre, kann ich konzentriertes Arbeiten vergessen.
*  Warum brauchen wir Fahrkarten und Fahrkartenautomaten? Man könnte doch – wenn die Menschen besser und anständiger und edler wären! – einfach ein Kässchen aufstellen, in das die Fahrgäste so viel einzahlen, wie ihnen die Fahrt wert ist. Wobei das zurzeit pro Fahrgast nur ein paar Münzen wären, und zwar bei der Deutschen Bahn UND bei ihrer Schweizer Schwester…
* Warum brauchen wir Zäune und Mauern?
* Warum brauchen wir Handschellen?
* Warum brauchen wir Pfefferspray?

Papierschlangenziehen, Wir-schenken-dir-Blatt-für-Blatt-Vorrichtungen und Dreirollenstapel zeigen mir bei jedem WC-Gang wie mies und schlecht die Menschheit ist. Es ist eine Absurdität, dass man Dinge verhindern muss, die nur einem Amöbengehirn entspringen können.
In der jetzt schon zweimal erwähnten DDR hatte man da übrigens ein eigenes System (ich habe das auch nach der Wende noch einem Freibad in Leipzig erlebt). Man ging vor dem Gang, den auch der Kaiser zu Fuss macht, zum Bademeister und bekam eine Klopapierrolle ausgehändigt. Diese musste man nach dem Geschäft bei ihm wieder abgeben.

Wobei dieses Verfahren genauso die Schlechtigkeit des Menschen zeigt wie jede patentierte Konstruktion.   



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