Es gibt
Tage, da wache ich auf und strotze schon vor Ideen. Schon vor dem ersten
Schluck Kaffee quellen sie aus mir hervor, ich scheine vor Ideen förmlich zu
platzen, sie dringen mir aus Nase und Ohren und ich fühle mich wie eine Bombe,
ein Knallkörper, aber nicht mit TNT, sondern mit Ideen gefüllt. Ich bin so zum
Bersten voll, dass ich durch die Räume jage und wie die Angestellten bei Böll
«Es muss etwas geschehen!» und «Es wird etwas geschehen!» schreie.
Manchmal
gelingt es mir dann, die Ideen beiseite zu schieben und die ungeheure Energie
für etwas Sinnvolles zu putzen, ich putze dann meine Wohnung oder giesse meine
Pflanzen, ich backe einen Kuchen oder schreibe einen Post; gelingt das nicht,
muss ich alle meine Ideen aufschreiben und sie sichten, es sind ja so viele,
einige künstlerische, einige technische, einige zur Weltrettung
Und dann
steht da auf dem Zettel:
Romanidee:
Mann verliebt sich in vergebene Frau und erschiesst sich
Romanidee:
Ich-Erzähler stirbt am Anfang
Romanidee:
Mann meint, er sei Ritter
Bild
malen, alles weiss
Bild
malen unter Wasser
Verschlussmöglichkeit
mit zwei sich verzahnenden Streifen
Wassergenerator,
der das Wasser wieder hochpumpt usw.
Tele-Odon
/ Fernriecher
Palästinenser
als Hüter der Sicherheitszone in Nordsyrien
Organisation,
wo sich alle Länder treffen
Und dann
mache ich mir erst einmal einen Kaffee und rauche eine Zigarette (oder zwei
Kaffees und zwei Zigaretten, obwohl ich weiss, wie ungesund das ist…) und gehe
die Notizen noch einmal durch. Ich komme stets auf zwei Gruppen, die eine
heisst die Gibt’s-schon- und die andere die Geht-nicht-Gruppe.
Zur
Gibt’s-schon-Gruppe gehört natürlich der Roman mit dem sich erschiessenden
Unglücklichlieber, das ist der Werther vom Geheimrat, genauso gibt es
natürlich den Möchtegernritter, den Don Quixote von Cervantes und auch
die weissen Bilder sind schon gemalt, nämlich vom Amerikaner Robert Ryman.
Die
Verschlussidee hatte natürlich auch schon jemand, der St. Gallener Martin
Othmar Winterhalter, Sie haben so ein Ding wahrscheinlich sogar am Körper, es
heisst Reissverschluss. Und die Organisation? Auch schon gegründet, es ist die
UNO.
Zur
Geht-nicht-Gruppe gehört der Rest: Wenn der Ich-Erzähler stirbt, ist die
Geschichte aus, und ein Bild unter Wasser zu malen hat den Nachteil, dass es
eine sehr kurze Lebensdauer hat. Den Generator würde ein deutsches Patentamt
mit einem Blick ablehnen, es wäre das utopische Perpetuum Mobile, und das
gucken die gar nicht mehr an. Genauso das Tele-Odon: Hier müsste man Materie
übertragen, und es entstünden nach e=mc2 quasi Erdzerstörungsbomben.
Und ob die
Palästinenser die richtige Gruppe wären, um in Nordsyrien zu wirtschaften, da
kann man doch auch grosse Zweifel hegen…
Ja, da gibt
es Tage, da wache ich auf und strotze vor Ideen. Schon vor dem ersten Espresso
sprudeln sie hervor, ich scheine förmlich zu platzen, Einfälle dringen mir aus
Mund und Ohren und ich fühle mich wie eine Granate, aber nicht mit TNT, sondern
mit Ideen gefüllt. Ich bin so zum Bersten voll, dass ich durch die Zimmer renne
und «Es muss etwas geschehen!» und «Es wird etwas geschehen!» schreie.
Und dann bin
ich froh, dass ich erst einmal in Ruhe meine Liste mache und nicht auf
irgendwelchen sozialen Netzwerken bin, vor allem nicht auf dem, wo so viele
Schnellschüsse abgegeben werden.
Ich bin
froh, dass ich nicht twittere.
Ich bin
sehr, sehr froh, dass ich es nicht tue.
Stellen Sie
sich vor, ich würde sofort zum Smartphone greifen und twittern:
I’m planning a #newnovel!!! Very
original!!! Man loves woman, she is #engaged and he kills himself.
oder
Today I will do #art!!!! #paintingunderwater
oder
Let’s #sendthepalestinestosyria
to make #law and order!!! And they will be away from the Westbanks and Gaza!!!
oder
Today I construct the #teleodon!!! You
will be able to smell through your smartphone!!
Bei solch
unausgegorenem Zeug würde eimerweise Hohn und Spott auf mich ausgegossen.
Es gibt
Politiker und Staatsmänner, Lenker und Regenten, die wachen auf und strotzen
schon vor Ideen. Schon vor dem ersten Schluck Kaffee quellen sie aus ihnen
hervor, sie scheinen vor Ideen förmlich zu platzen, Ideen dringen diesen aus
Nase und Ohren und sie fühlen sich wie Bomben, wie Knallkörper, aber nicht mit
TNT, sondern mit Ideen gefüllt.
Und dann
sollten diese eine Geht-nicht- / Gibt’s-schon-Einteilung machen.
Und bitte
nicht twittern!
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