Freitag, 1. November 2019

Muss man sich positionieren oder hat man eine Position?


Immer wieder lese ich von einem Politiker oder einer Politikerin, er oder sie habe sich positioniert oder müsse sich positionieren, oder ich lese er oder sie könne sich hier positionieren oder wolle sich sicher hier positionieren.

positionieren
Der Duden bestimmt dieses Verb folgendermassen: «in eine bestimmte Position, Stellung bringen; einordnen».
Also in eine Position bringen.

Jetzt stellt sich die Frage, ob man eine Position nicht eigentlich schon haben sollte. Eigentlich sollte doch eine Politikerin, ein Politiker vor der Wahl schon mal irgendwie gesagt haben, wo sie oder er steht. Ist sie/er für oder gegen eine offene Flüchtlingspolitik? Ist sie/er für oder gegen einen schnellen Ausstieg aus der Atomenergie? Ist sie/er für oder gegen eine Reichensteuer? Ist sie/er für oder gegen die Homoehe?

Macht man aber nicht, man lässt alles so schwammig wie möglich, und dann muss man sich nach der Wahl ständig irgendwo positionieren.
Hat man vor der Wahl geschwafelt: «Deutschland muss die Internationalen Konventionen klar erfüllen, was nicht heisst, dass beliebig viele Leute kommen können», ist man nach der Wahl klar der Meinung: Grenzen zu.
Hat man vor der Wahl behauptet: «Mit mir wird es bis 2080 keinen Ausstieg aus der Kernenergie geben», ist man nach der Wahl klar der Meinung: 2027 sind alle Anlagen vom Netz.
War man vor dem Urnengang für eine 70%-Vermögenssteuer, ist man nach dem Urnengang dafür, die Milliardäre in Ruhe zu lassen, war man vor dem Urnengang klar für eine Ehe für alle, billigt man Schwulen und Lesben eine solche Ehe nach der Abstimmung nicht mehr zu.

Positionieren.

Es ist ein bisschen wie beim Mühlespiel: Am Anfang darf man frei setzen, dann wird gezogen, und am Ende, dann, wenn man nur noch drei Steine hat, also am Verlieren, am Abnippeln, wenn man kurz vorm Untergang und kurz vor dem Ende ist, dann darf man sich wieder «positionieren».

Wissen Sie, wer die absolute Ultra-Positioniererin ist?
Annegret Kramp-Karrenbauer.
Sie ist die ungekrönte Königin des Positionierens, die «Queen of Positioning», die Deutschland- und wahrscheinlich auch Europameisterin dieser Disziplin, sie ist die Cleopatra und die Helena, die Dietrich und die Callas des Positionierens.
Es ist aber allerdings zu befürchten, dass sie schon in der 3-Steine-Phase ist.

Ihre Positionierung als Schafferin einer internationalen Schutzzone in Syrien war eine Positionierungs-Meisterleistung. Die Idee war zwar absolut wischi-waschi, angesichts der gleichzeitigen Einigung Russland/Türkei auch völlig unnötig, es löste auch ziemliches Unverständnis bei der NATO aus, aber darum geht es beim Positionieren auch gar nicht. Wichtig waren zwei Dinge:
a)       Sie hat die CDU wieder hinter sich. (Was sollte die Partei auch anderes machen?)
b)      Sie ging in klare Grenzziehung zum Koalitionspartner. (der per SMS informiert wurde, auch das wäre ja fast schon wieder einen Post wert…)
Natürlich wäre eigentlich gar nicht die NATO, sondern die UNO zuständig, aber dann hätte man die ja die Idee zunächst Herrn Maas vortragen müssen, denn UNO ist Aussenminister-Sache, und gerade das wollte AKK ja nicht, sie wollte ja keinen Jubel für die SPD, und vor allem keine Aufmerksamkeit, sie wollte die für sich.
Sie wollte sich… 
Ja, genau.
Positionieren.

Wann hat das eigentlich angefangen, dass Leute in Schwierigkeiten kommen, weil sie ständig Positionen verkünden, und wann hat das aufgehört, dass Leute in Schwierigkeiten kommen, weil sie klare Positionen haben und von denen nicht weichen wollen?
In der Geschichte haben wir wunderschöne Beispiele von klaren Positionen. Kopernikus und Galilei haben die ganze Welt in neuer Position gesehen und Martin Luther gab auf dem Reichstag zu Worms eine deutliche Position bekannt:
Hier stehe ich. Ich kann nicht anders.
Gott helfe mir.
Amen.
Johannes XXIII wird unterstellt auf dem Vatikanum II gesagt zu haben:
Hier sitze ich. Ich kann noch ganz anders.
Gott helfe euch.
Amen.
Und AKK? Bei ihr müsste es heissen:
Hier stelle ich mich mal hin. Ich könnte eigentlich auch anders.
Auch Gott kann mir nicht mehr helfen.
Amen.

Und wenn Sie mir jetzt unterstellen, ich hätte mich mit diesem Post positioniert, muss ich widersprechen, meine Position gegenüber AKK war vom ersten Moment klar:

Daumen runter. 

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