Freitag, 8. November 2019

Doodle - das Schlimmste, was der Menschheit passieren konnte


Die Sitzung ist gut gelaufen. Peter, Robert und Jon haben in anderthalb Stunden alle ihre Traktanden abgearbeitet und jetzt geht man verdientermassen in die Kneipe auf ein Bier. Nein, halt – der Termin für die nächste Sitzung muss ja noch gefunden werden. Ist aber schwierig, weil Peters Handy keinen Strom mehr hat (er nur noch die Smartphoneagenda), Robert seinen Papierkalender nicht dabeihat und Jon für Woche 23 noch etwas «abklären» muss. Also direkt zum Gerstensaft und den magischen Satz gesprochen:
«Ich mache einen Doodle.»

Bei Melina, Sarah und Brigit ist die Sitzung auch gut gelaufen, sie haben in 2 Stunden alle ihre Traktanden durchgeschafft, es waren auch mehr als bei den Kerlen, auch hier müsste man einen neuen Sitzungstermin finden, Melinas Smartphone ist auch aufgeladen und Sarah hat ihre Papieragenda gezückt, und keine der Drei muss etwas «abklären», aber irgendwie hat man (hat frau!) keine Lust, die Mädels wollen gleich in die Kneipe, nein, nicht zum Bier, aber zum Prosecco, und auch hier kommt der magische Satz:
«Ich mache einen Doodle.»

«Ich mache einen Doodle.»
Das sagt sich so leicht dahin, aber bringt so viel Unglück über die Menschheit. Ja, das meine ich ernst, kaum eine Sache plagt einen so sehr, für mich kommt Doodeln noch vor Steuererklärung und Zahnarzt, noch vor Lebensmittelmotten und Pickel auf der Nase.

Nehmen wir doch einmal Jürgen. Der bekommt drei Links innerhalb von einer Woche und ist zunächst froh, dass er so viele Abende Zeit hat.

TREFFEN WEGEN WEIHNACHTSESSEN

12.11.
13.11.
20.11.
21.11.
3.12.
Jürgen
x
x
x
x
x

JUNGGESELLENABSCHIED BERND

10.11.
11.11.
20.11.
22.11.
4.12.
Jürgen
x
x
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x
x

FOTOABEND AZOREN-URLAUB

20.11.
23.11.
24.11.
6.12.
9.12.
Jürgen
x
x
x
x
x

Ja, schön, wenn man ein Mensch mit vielen freien Abenden ist, er wird alle glücklich machen.
Denkt er. Und er denkt falsch.

Denn schon nach an ein paar Tagen bekommt er drei Mails, die ihm die Termine mitteilen und erschrickt bis ins Mark:
Das Treffen wegen des Weihnachtsessen ist am 8.11. um 19.00 bei Hans.
Der Junggesellenabschied von Bernd startet im «Schwanen» am 8.11. um 19.30.
Der Fotoabend bei Milli und Moni, wo sie Bilder von Terceira und Sao Miguel zeigen, ist am 8.11. um 20.00.

Man muss nämlich – und das macht die Sache so verdammt blöde – wenn man doodelt, alle Termine zunächst blockieren. Und so füllt sich die Agenda mit Einträgen wie Treffen Weihnachtsessen?,  Junggesellenabschied? und Fotoabend Azoren?, Einträge, die man dann alle wieder ausradieren kann, und natürlich darf man ja keinen Termin ankreuzen, den man schon in einem anderen Doodle reingedoodelt hat.
Aber noch in einem anderen Punkt ist der Doodle schlimm. Stellen Sie sich vor, Sie sind der Letzte oder die Letzte und treffen die folgende Situation an:


1.12.
2.12.
5.12.
7.12.
8.12.
9.12.
Paula
x

x
x


Fritz

x
x

x
x
Marga
x

x

x

IHR NAME







Und – das muss ich Ihnen jetzt gar nicht erzählen – können Sie an jedem Termin, ausser…
natürlich: 5.12.
Da hat Ihre Tochter Ihre Schulaufführung und Sie haben hoch und heilig versprochen, dass Sie kommen, immerhin spielt sie in Die Prinzessin auf der Erbse die Titelrolle, und damit meine ich natürlich nicht die Erbse, sondern die Prinzessin.
Was tun Sie? Ich hoffe doch, alles ankreuzen ausser dem Fünften und dann muss man halt einen neuen Doodle machen, ich hoffe nicht, dass Sie Ihre Tochter enttäuschen.
Doodeln ist Erpressung, die einzige Form der Erpressung, die in unseren Landen erlaubt ist, der oder die Letzte, die einen bis dahin guten Termin (womöglich den einzigen) verunmöglicht, hat immer ein schlechtes Gewissen.

Wann war eigentlich der erste Doodle?
Als der HERR durch den Garten schritt und bemerkte, dass Adam und Eva sich versteckten und er auch sah, dass am Baum der Erkenntnis eine Frucht fehlte, da schrie er: «Kommt her! Ich muss mit euch reden!» Und Eva rief: «Nicht jetzt!» und der HERR tobte: «Wann dann?» und Adam antwortete:

«Mach einen Doodle.»



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