Die Sitzung
ist gut gelaufen. Peter, Robert und Jon haben in anderthalb Stunden alle ihre
Traktanden abgearbeitet und jetzt geht man verdientermassen in die Kneipe auf
ein Bier. Nein, halt – der Termin für die nächste Sitzung muss ja noch gefunden
werden. Ist aber schwierig, weil Peters Handy keinen Strom mehr hat (er nur
noch die Smartphoneagenda), Robert seinen Papierkalender nicht dabeihat und Jon
für Woche 23 noch etwas «abklären» muss. Also direkt zum Gerstensaft und den
magischen Satz gesprochen:
«Ich mache
einen Doodle.»
Bei Melina,
Sarah und Brigit ist die Sitzung auch gut gelaufen, sie haben in 2 Stunden alle
ihre Traktanden durchgeschafft, es waren auch mehr als bei den Kerlen, auch
hier müsste man einen neuen Sitzungstermin finden, Melinas Smartphone ist auch
aufgeladen und Sarah hat ihre Papieragenda gezückt, und keine der Drei muss
etwas «abklären», aber irgendwie hat man (hat frau!) keine Lust, die Mädels
wollen gleich in die Kneipe, nein, nicht zum Bier, aber zum Prosecco, und auch
hier kommt der magische Satz:
«Ich mache
einen Doodle.»
«Ich mache
einen Doodle.»
Das sagt
sich so leicht dahin, aber bringt so viel Unglück über die Menschheit. Ja, das
meine ich ernst, kaum eine Sache plagt einen so sehr, für mich kommt Doodeln
noch vor Steuererklärung und Zahnarzt, noch vor Lebensmittelmotten und Pickel
auf der Nase.
Nehmen wir
doch einmal Jürgen. Der bekommt drei Links innerhalb von einer Woche und ist
zunächst froh, dass er so viele Abende Zeit hat.
TREFFEN
WEGEN WEIHNACHTSESSEN
|
12.11.
|
13.11.
|
20.11.
|
21.11.
|
3.12.
|
Jürgen
|
x
|
x
|
x
|
x
|
x
|
JUNGGESELLENABSCHIED
BERND
|
10.11.
|
11.11.
|
20.11.
|
22.11.
|
4.12.
|
Jürgen
|
x
|
x
|
x
|
x
|
x
|
FOTOABEND
AZOREN-URLAUB
|
20.11.
|
23.11.
|
24.11.
|
6.12.
|
9.12.
|
Jürgen
|
x
|
x
|
x
|
x
|
x
|
Ja, schön,
wenn man ein Mensch mit vielen freien Abenden ist, er wird alle glücklich
machen.
Denkt er. Und
er denkt falsch.
Denn schon
nach an ein paar Tagen bekommt er drei Mails, die ihm die Termine mitteilen und
erschrickt bis ins Mark:
Das Treffen
wegen des Weihnachtsessen ist am 8.11. um 19.00 bei Hans.
Der
Junggesellenabschied von Bernd startet im «Schwanen» am 8.11. um 19.30.
Der
Fotoabend bei Milli und Moni, wo sie Bilder von Terceira und Sao Miguel zeigen,
ist am 8.11. um 20.00.
Man muss
nämlich – und das macht die Sache so verdammt blöde – wenn man doodelt, alle Termine
zunächst blockieren. Und so füllt sich die Agenda mit Einträgen wie Treffen
Weihnachtsessen?, Junggesellenabschied?
und Fotoabend Azoren?, Einträge, die man dann alle wieder
ausradieren kann, und natürlich darf man ja keinen Termin ankreuzen, den man
schon in einem anderen Doodle reingedoodelt hat.
Aber noch in
einem anderen Punkt ist der Doodle schlimm. Stellen Sie sich vor, Sie sind der
Letzte oder die Letzte und treffen die folgende Situation an:
|
1.12.
|
2.12.
|
5.12.
|
7.12.
|
8.12.
|
9.12.
|
Paula
|
x
|
|
x
|
x
|
|
|
Fritz
|
|
x
|
x
|
|
x
|
x
|
Marga
|
x
|
|
x
|
|
x
|
|
IHR NAME
|
|
|
|
|
|
|
Und – das
muss ich Ihnen jetzt gar nicht erzählen – können Sie an jedem Termin, ausser…
natürlich:
5.12.
Da hat Ihre
Tochter Ihre Schulaufführung und Sie haben hoch und heilig versprochen, dass
Sie kommen, immerhin spielt sie in Die Prinzessin auf der Erbse die
Titelrolle, und damit meine ich natürlich nicht die Erbse, sondern die
Prinzessin.
Was tun Sie?
Ich hoffe doch, alles ankreuzen ausser dem Fünften und dann muss man halt einen
neuen Doodle machen, ich hoffe nicht, dass Sie Ihre Tochter enttäuschen.
Doodeln ist
Erpressung, die einzige Form der Erpressung, die in unseren Landen erlaubt ist,
der oder die Letzte, die einen bis dahin guten Termin (womöglich den einzigen)
verunmöglicht, hat immer ein schlechtes Gewissen.
Wann war
eigentlich der erste Doodle?
Als der HERR
durch den Garten schritt und bemerkte, dass Adam und Eva sich versteckten und
er auch sah, dass am Baum der Erkenntnis eine Frucht fehlte, da schrie er:
«Kommt her! Ich muss mit euch reden!» Und Eva rief: «Nicht jetzt!» und der HERR
tobte: «Wann dann?» und Adam antwortete:
«Mach einen
Doodle.»
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen