Das damalige
Herzogtum Württemberg führte schon im 15. Jahrhundert die allgemeine
Schulpflicht ein. (Drei Jahrhunderte vor den Preussen, die immer behaupten, die
ersten gewesen zu sein.) Seitdem galt und gilt das Lesen und Schreiben, das
Dichten und Denken, gilt und galt das Notieren und Philosophieren, aber auch
das Grübeln und Erfinden als ein Motor dieses kleinen Ländchens. Was sollten
die Schwaben auch anderes tun, ausser Lesen und Schreiben, Dichten und Denken,
ausser Notieren, Philosophieren, Grübeln und Erfinden? Württemberg besass
(besitzt) keinerlei Bodenschätze, keine wirklich fruchtbaren Regionen, die
Alb-Bauern ernten vor allem Jura-Kalksteine und der Wein des Neckartales ist
dünn und sauer, da war es eben gut, wenn man sagen konnte:
Der
Schelling und der Hegel,
Der
Schiller und der Hauff:
Das
ist bei uns die Regel,
Das
fällt uns gar nicht auf.
Später kamen
zu den Dichtern und Denkern noch die Erfinder und Unternehmensgründer dazu,
Daimler und Bosch und Co., und so wurde in Württemberg nicht nur der
Benzinmotor, sondern z.B. auch der Teddybär erfunden (Margarete Steiff in Giengen). Um es fair zu machen: Das Auto wurde fast gleichzeitig von Carl
Benz in Karlsruhe entwickelt, und so sah man schon dann, dass kommen würde, was
niemand wollte (und will), was aber absolut vernünftig schein (und schien), ein
Südweststaat Baden-Württemberg. Die Badener (bitte nicht Badenser, das ist ein
Schimpfwort) brachten zwar auch keine Bodenschätze, dafür aber trinkbaren Wein
und Spargel mit, und natürlich ebenfalls eine literarische Bildung – man denke
an Johann Peter Hebel – und so war B-W immer ein Staat des Wissens und Denkens.
Die Mehrheit der deutschen Patentanmeldungen kommen aus dem Südwesten und bei
der Elitevergabe der Unis sahnen die Hochschulen zwischen Mannheim und Ulm
stets voll ab.
Muss man
erwähnen, dass B-W auch bei den PISA-Tests und ähnlichen Studien immer vorne
lag und sich mit Bayern um den Spitzenplatz stritt?
Jetzt
erstaunen Sie wahrscheinlich über das reine Präteritum. Aber es ist so: Der
Südweststaat ist bei der Grundschulbildung, der Lese- und Schreibkompetenz ins
untere Mittelfeld abgerutscht. Dies verdankt man einer neuen Methode, der (nach
ihrem Erfinder so benannte) Reichen-Methode, das Schreiben-wie-ich-höre. Als
Grundschüler müsste ich den Anfang dieses Textes so schreiben:
Das
damalige Herzoktum Würtemberk fürte schon im 15. Jarhundert die algemaine Schulpflicht
ain.
Ich müsste
ihn zunächst so schreiben – selbst, wenn ich es besser wüsste! – und dann würde
anhand der Fehler, die ich gemacht habe, eine Orthographie erarbeitet. Schon
bei Einführung dieser Didaktik runzelten Fachleute die Stirne und rümpften die Nase, und
die jetzigen Studien geben dem Runzeln und Rümpfen recht, im Lande von
Schiller, Hegel, von Mörike und Hebel können die Zehnjährigen nicht mehr lesen
und schreiben.
Natürlich
ist die Idee, dass man «aus Fehlern lernt» nicht übel, aber man könnte ja aus
den Fehlern, die man trotz der alten Fibel-Methode eh macht, lernen und nicht
erst falsche Sätze ins Heft schreiben.
Ich stelle
mir diese Didaktik in anderen Fächern vor:
Im
Sportunterricht heisst die Devise «Mache einen Salto, so wie du denkst, und
beim nächsten Salto lernst du dann aus deinen Fehlern». Es kann nur sein, dass
es zum zweiten Salto gar nicht kommt oder dieser erst nach einem zweiwöchigen
Spitalaufenthalt geübt werden kann; vielleicht auch NIE mehr, denn selbst wenn
der Schüler später bei den Paralympics antritt, Bodenturnen ist KEINE
paralympische Disziplin.
In der
Hauswirtschaft wird frei nach Gutdünken und nicht nach Rezept gekocht, beim
nächsten Male lernen wir dann aus unseren Fehlern, bei diesem Male allerdings wird nicht, wie gewohnt, das Gekochte bei einem fröhlichen Mahle verzehrt,
sondern alles weggeworfen und der Pizzadienst bestellt, angesichts des Hungers
in der Welt ein fast zynisches Verfahren.
Ganz
besonders nett im Chemieunterricht: Hier werden auch die Arbeitsblätter mit
strengen Abläufen, die wir noch kannten, abgeschafft, und durch ein freies
Experimentieren ersetzt. Und für viele Schülerinnen und Schüler fällt dann der
Unterricht wochenlang aus, weil durch eine Knallgasexplosion nicht nur der
Chemiesaal, sondern auch der gesamte Schulkomplex in die Luft geflogen sind.
Das
Herzogtum Württemberg führte schon im 15. Jahrhundert die allgemeine
Schulpflicht ein. Seitdem galt das Schreiben und Lesen, das Denken und Dichten,
galt das Notieren und Philosophieren, das Grübeln und Erfinden als ein Motor
dieses kleinen Ländchens. Was sollten die Schwaben auch anderes tun, ausser
Lesen und Schreiben, Dichten und Denken, ausser Notieren, Philosophieren,
Grübeln und Erfinden?
Galt!
In ein paar
Jahren wird man Menschen aus Stuttgart einen Text vorlegen und dann sagen: «Ich
lese ihn dir besser vor, du kommst ja aus B.-W.»
Tempi
passati.
Sic transit gloria mundi.
As time goes
by…
Où sont les neiges d'antan?
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