Der Galerist
Remo Hubbli von der Galerie In Dubio Pro Arte in Zürich hat Sorgen:
Gestern hat ihm die Künstlerin Anna Revalia mitgeteilt, dass die Arbeiten ihrer
neuen Reihe herzschmerzscherz wahrscheinlich bis zur Vernissage am 13.7.
nicht fertig werden. Eine Katastrophe. Ein Desaster, denn die Einladungen sind
nicht nur gedruckt, sondern auch schon verschickt, das Catering, die Combo und
der Redner sind bestellt, und auch in den Zeitungen und Veranstaltungskalendern
steht schon das Datum. Was tun?
Die Leitung
des Humboldt Forums in Berlin hat ein umgekehrtes Problem: Die
Eröffnungs-Ausstellung ist organisiert und gebucht, alles ist in Vorbereitung,
aber das verdammte Stadtschloss wird wahrscheinlich (wie alle Bauten in
Deutschland) nicht rechtzeitig fertig werden.
Und was
macht man mit dem Flughafen? Kann man es wagen, z. B. auf den 3. April 2024
eine Eröffnung zu legen? Aber wenn er dann immer noch Baustelle ist, was dann?
Schliesslich werden ziemlich viele gekrönte und ungekrönte Häupter kommen. Ich
sehe vor meinem geistigen Auge schon Königin Maxima mit Macron anstossen, beide
mit Sekt in der Hand und Bauhelm auf dem Kopf.
Aber nun
gibt es Lösungen!
Die kleine
Gemeinde Zuchwil bei Solothurn macht es vor, und sie hat das erfunden, was als Zuchwiler
Formel in die Geschichte eingehen wird. (Und, Leute, das ist wirklich wahr,
Sie können es nachlesen, ich erfinde das nicht)
Die
Zuchwiler Formel lautet schlicht und einfach:
EINWEIHUNG
MUSS NICHT ERÖFFNUNG BEDEUTEN
Die
Geschichte geht folgendermassen:
Vor einigen
Jahren beschloss der Gemeinderat von Zuchwil, den Freibadbereich des
Sportzentrums ab Herbst 2018 gründlich zu sanieren. Der Termin der
Wiedereröffnung wurde auf den 1. Juni gesetzt. Dummerweise stellte man fest,
dass die Sanierungsarbeiten sich aber bis Anfang Juli hinziehen würden.
Und nun kam
das, was in Solothurn und Umgebung als Schildbürgerstreich, als Eugenspiegelei
empfunden wurde, in Wirklichkeit aber ein obergenialer Schachzug ist, der
unbedingt Schule machen sollte:
Die
Einweihungsfeier wurde am Samstag trotzdem durchgeführt. Man hatte schliesslich
Landammann Roland Fürst eingeladen und auch die Einladungskarte war schon
gedruckt. In einem kleinen Kreis weihte man – ja was eigentlich – ein? «Wir
weihen ein, was vorhanden ist», bleibt Gemeindepräsident Stefan Hug
pragmatisch. Die nicht anwesende Bevölkerung werde dann an der Eröffnung des
Freibads das erhalten, was sie am vergangenen Samstag hätte erhalten sollen.
(Quelle:
Solothurner Zeitung vom Montag, 3. Juni 2019)
Man kann
also Party machen, ohne etwas zeigen zu müssen, es kann Häppchen und
Schnittchen und Schampus geben, ohne dass sich daraus irgendeine Konsequenz
ergeben muss.
Die
Eröffnung des Berliner Flughafens kann also getrost schon auf den 3. April 2022
(zwei Jahre früher als oben geschrieben) gelegt werden, und man muss keine
Bauhelme verteilen. Maxima und Macron können in irgendeinem Raum anstossen und
Schnittchen essen (irgendein Raum wird ja wohl schon fertig sein?!?!?!?!?!?!) und es
muss nicht heissen, dass am nächsten Tag schon ein Flugzeug geht.
«Wir weihen
ein, was vorhanden ist.»
Welch ein
Satz, für diese bahnbrechende Lösung sollte Herr Hug den Orden des Vaterlandes
bekommen.
In Zukunft
werden wir Eisenbahntunnel mit Stromleitungen, aber ohne Gleise und solche mit
Gleisen ohne Strom, wir werden Häuser ohne Dach und Kirchen ohne Boden, wir
werden Museen ohne Exponate und Restaurants ohne Küchen, wir werden Stadien
ohne Sitze und Wälder ohne Bäume einweihen.
Eben:
Das, was
vorhanden ist.
Der Galerist
Remo Hubbli von der Galerie In Dubio Pro Arte in Zürich hat bald keine
Sorgen mehr: Gestern hat ihm zwar Anna Revalia mitgeteilt, dass die Arbeiten
ihrer neuen Reihe herzschmerzscherz wahrscheinlich bis zur Vernissage am
13.7. nicht fertig werden, aber nach der Zuchwil-Formel kann er die Vernissage
durchführen schliesslich sind die Einladungen nicht nur gedruckt, sondern auch
schon verschickt, das Catering, die Combo und der Redner sind bestellt, und
auch in den Zeitungen und Veranstaltungskalendern steht schon das Datum.
Hubbli wird
kleine Zettelchen wie diesen an die Wände pinnen:
Hier
wird ab dem 31.7. hängen:
Herz/Schmerz
VVI
Öl auf
Karton
6000.-
Und da Anna
Revalia eine grosse Fangemeinde hat, wird es die erste Vernissage werden, auf
der nichtexistierende Bilder verkauft werden.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen