Wir machen
mal wieder ein kleines Quiz: Was ist das für ein Text?
Es war
nicht zu übersehen, dass der See mit Sternen übersät war. Es war, als hätte
eine Fee das Wasser mit hellen Flecken angeweht. Während ich bewegt auf die
Wellen spähte, wurde es spät. Die Helle und Wärme des vom Mond belegten Wassers
war überwältigend. Wäre es nicht Sommer, sondern Herbst gewesen, hätte ich
gehen müssen. So blieb ich am See stehen.
Ein Heer
von Libellen schwebte über die hehre Szene. Sie regten sich hin und her. Märchenhaft
flogen die Tiere über das kleine Meer. Wer wollte ihnen wehren?
Mein Kopf
wurde leer. Das Leben lehrt uns die besten Dinge.
Genau. Das
ist ein Diktat. Kennen Sie alle aus Ihrer Schulzeit, man versucht, in einem
kurzen Text möglichst viele Wörter, die eine bestimmte Problematik haben,
unterzubringen, hier die Setzung von e, ee, eh, ä und äh. Als ich den Text in
meiner Klasse vorlas (er ist von mir selber), ging ein lautes kollektives
Stöhnen durch den Raum. Ich grinste mein breitestes Grinsen: «Da habe ich mich
wieder mal selber übertroffen, gell?» Die Jungen und Mädchen nicken heftig und
schüttelten sich noch einmal vor Grauen.
Gut, bei
Diktaten ist solch ein Blödsinn wahrscheinlich nicht vermeidbar. Aber warum
werden Schülerinnen und Schüler permanent mit so schlechten Texten und
schlechter Sprache konfrontiert?
Sie wollen
Beispiele? Bitte:
Ich lerne
gerade Französisch mit der DUOLINGUO®-App. Ich bin insgesamt hochzufrieden,
aber bei einigen Sätzen, die ich vorlesen, ergänzen, zusammenstellen oder
übersetzen muss, stellen sich mir alle Nackenhaare auf und ich bekomme leichte
Würgereize:
Je suis une tortue.
Je suis une abeille.
Je mange la souris.
Le cochon s’appelle Madame Morel.
Ich bin
weder eine Biene noch eine Schildkröte, ich esse keine Mäuse und ein Schwein
heisst sicher nicht Frau Morel.
Bei der
sogenannten Hunde-Probe wird ein Nomen durch «Hund» ersetzt, um den Fall zu
bestimmen, weil man nur bei einem männlichen Nomen den Kasus eindeutig am
Artikel erkennt:
Ich fahre
mit der Bahn. / Ich fahre mit dem Hund (dem=Dativ)
Sprachaffine
Schülerinnen und Schüler haben Mühe mit dem Verfahren, weil es ständig
unsinnige Sätze produziert. Warum nimmt man nicht ein Nomen aus dem gleichen
Wortfeld? (Ich fahre mit dem Zug.)
Ein Bauer
verkauft ein Kilo Äpfel für 6 Franken. Wenn er 7 Kilo verkauft, wie viel Geld
hat er dann eingenommen? Wie viel Geld nimmt er ein, wenn er das Kilo für 5
Franken verkauft und 8 Kilo verkauft?
Was denn
nun? Kosten die Früchte jetzt 6 Franken oder 5 Franken und wie viel verkauft er
jetzt denn wirklich? Müsste man da nicht irgendwie mit dem Konjunktiv arbeiten?
Es gibt Studien, die zeigen, dass die Matheaufgaben und Mathebücher oft deshalb
so schwierig sind, weil die Mathematikdidaktiker kein Deutsch können.
Aber man darf
in der Schulzeit ja auch lesen. Zum Beispiel Die Insel der blauen Delphine,
das wohl ödeste und langweiligste Buch, das je geschrieben wurde, das aber aus
den Schulbibliotheken nicht weg zu kriegen ist. Kurz gesagt ist es eine
150seitige Robinsonade, allerdings ohne Freitag, sodass wir das Mädchen, das
allein auf dem Eiland ist, bei vielen einsamen Tätigkeiten begleiten, sie macht
Feuer, sie baut eine Hütte, sie isst Fisch, alles öde und detailliert
beschrieben. Einer Schülerin oder einem Schüler, der die
Klassenlektürenbibliothek unter Wasser setzt oder anzündet, sollte man keinen
Schulverweis erteilen, sondern einen Orden verleihen.
Und dann
alle die Schriften, die von der Schulleitung kommen! Ich erinnere mich: Einmal,
ein einziges Mal, und zwar im Schuljahr 2012/2013 enthielt das ABC der
Sekundarschule A. keinen Fehler. Da dachte man schon, jetzt sei endlich ein
gewisses Niveau erreicht, aber schon 2013/2014 las man wieder schon auf Seite 2
beim Motto
Mann
lernt nur mit dem herzen gut.
Eine
sprachgewandte Schülerin oder ein sprachgewandter Schüler hat es schwer. Am
Anfang wird er sich noch auflehnen, wird rebellieren, sie wird schreien und
toben und innerlich Transparente entrollen:
GEBT MIR
GUTES DEUTSCH! GEBT MIR GUTE SPRACHE!
Aber
irgendwann wird er oder sie einknicken, und unsinnige und falsche Sprache,
schlechte und langweilige Texte einfach akzeptieren.
Und dann
Germanistik studieren.
Und dann 20
Jahre später im Lektorat bei Klett oder Cornelsen arbeiten.
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